Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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Pettenkofer, Wunderlich! d. Red.) aus, und werden bis auf diesen Tag in Fa 
kultäten, Akademien, auf internationalen Konferenzen wie in tausend Schriften 
und Zeitungen verkündet. Mit einer B e st i m m t h e i t und Zuversicht, wie 
sie nur die über jeden Zweifel erhabene Gewißheit solcherLebren 
gestatten dürfte, versichert man uns, sie seien unzweifelhaft durch die zuverlässig 
sten Thatsachen von der Welt festgestellt und die — allein richtigen. Ja be 
reits fehlt es nicht an eifrigen Forschern und Mikroskopikern, die uns abermals 
wie schon so oft glauben machen wollen, sie seien des Giftes wie es leibt und 
lebt habhaft geworden, sie hätten es z. B- in Gestalt von Pilzsporen oder In 
fusorien, mikroskopischen Zellen u. dergl. gefaßt und gefangen trotz einem ge 
schickten Jäger oder Schmetterlingssänger! 
Dem Publikum aber, offenbar in der -meinung, gebildete und studirte 
Männer, denen es u. A. Gesundheit und Leben anzuvertrauen pflegt, würden 
sich scheuen, bloße Phantasien und die prekärsten Ansichten von der Welt als 
bewiesene Thatsachen öffentlich auszugeben, kam nie der Verdacht, es könne sich 
da nur um solche Ansichten, wo nicht gar um kolossale Irrthümer 
oder absichtliche Mystifikationen handeln, somit a u ch n u r u m 
rein imaginäre Gefahren und A e n g st i g u n g e n ! Ach, diese 
vertrauensvollen Seelen wußten eben nicht, daß sie von der M e d i z i n 
zumal in solchen Fragen wohl diese und jene Ansichten, nimmermehr da 
gegen ein wirkliches Verständniß, positive Antworten 
und Beweise erwarten dürfen!! (Leser, merke Dir das, ein Professor 
der Medizin sagt es selbst! Denke an die Auguren Roms! D. Red.) Und 
was konnte so schließlich natürlicher sein als jener panische Schrecken, welchen die 
Cholera jetzt vielleicht mehr verbreitet als je? Deshalb wagte ich diesen Versuch, 
Laien wie einsichtsvolleren, wohlmeinenden Fachgenossen die wahre Bedeutung 
jener Lehren möglichst klar und gründlich auseinanderzusetzen, all die verfehlten, 
wo nicht stümperhaften Untersuchungen, all die Verdrehungen der 
einfachsten Thatsachen und Wahrheiten, all die falschen Ansichten und Schlüsse, 
auf welchen dieselben beruhen, zu brandmarken! Weil wir aber Pettenkofer 
vor Allen jene neuen Lehren zu danken haben, in Deutschland wenigstens, weil 
er einmal mit gutem Grund als deren Hauptvertreter gilt und sein Name am häu 
figsten in Verbindung mit der Cholera genannt wird, halte auch ich wich vorzugs 
weise an ihn. Vielleicht gelingt es mir, meine Leser von der Grundlosigkeit auch dieses 
neuesten Restaurationsversuches eines alten Giftwahns und von den Gefahren 
zu überzeugen, welche Jedem unter uns von Seiten eines zum Glück ebenso 
falschen als furchtbaren Glaubens drohen! 
Nun, mein lieber Leser, wie gefällt Dir dieser indiskrete Blick hin 
ter den medizinischen Vorhang? Geht Dir da nicht ein Licht auf, daß 
in dem gelehrten Münchner Professor ein moderner Cholera r Jenner 
erstanden ist; daß hier in Desinsection legaler Hnmbttg getrieben 
wird, gerade wie bei den Blattern mit der Jenner'schen Entdeckung 
der Vaccination? Schwindel hier und Schwindel dort, denn 
— nmndus vult decipi, ergo decipiatur! ;SDie Welt will mal partout 
betrogen sein, also — betrügen wir sie!) — 
Ich könnte mich damit begnügen, auf die interessante Schrift des 
wackern Oesterlen aufmerksam gemacht zu haben und es den Lesern 
ruhig überlassen, diese hübsch ausgestattete Brochure durchzulesen, und 
dann sich ihr Urtheil selbst zu bilden; da aber Manche eine solch' lange
	        
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