Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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mern warm gebalten? Das Gesetz bestraft mit Recht den Frevel, 
wenn Jemand die Menschenpocken durch impfende Uebertragung des tropfbar 
flüssigen Pockeneiters weiter verbreitet (Jetzt — ja; aber jrüber war diese 
Art von Pockenimpfung — Homination genannt (S. 82) — allgemein 
gebräuchlich und von den Aerzten dieser jetzige Frevel gerade so eifrig empfoh 
len, wie gegenwärtig die Kuhpockenimpfung! So ändern sich die Ansichten; 
temxora mutautur rc., es wird also auch noch die Zeit kommen, wo die Kuh- 
pockenimpfung — als ein Frevel gelten wird!), gegen die Brütung und 
Uebertragung des gasförmig die Zimmerluft des Pockenkranken anfüllenden Gift 
stoffes besteht aber keine Verordnung, weder der Staat noch die Gemeinde schrei 
ten gegen diese ßetbe der Pockenepidemien ein! Im Gegentheil — man 
spricht von Jsolirung der Pockenkranken, während man ihre 
abgesperrten Krankenstuben zu wahren Brutzellen des Giftes 
macht, und die Kirchen und Schulen als Sammelstellen der dicht 
geschaarten, infizirten Volksmengen zu künstlichen Inhalato 
rien und Gasometern des gefährlichen Giftstoffes macht! 
Der zweite Artikel lautet „Pockenepidemie" und enthält eine Dar 
stellung der ärztlichen Wirksamkeit des Dr. O. bei einer Pockenepidemie im April 
d. Jahres. Dieselbe befiel einige Dörfer im Rheinland, in welchen bis Anfang 
April 140 Pockenkranke angemeldet, wovon 28 gestorben waren; vom 1. April 
bis 7. Mai sind 51 angemeldet und gestorben nur 1, welch günstiges Resultat 
Dr. O. seinen getroffenen Maßregeln zuschreibt, welche hauptsächlich in der stren 
gen Durchführung eines conrinuirlich frischen Luftstromes und in Ent 
fernung der Deckbetten bestanden, welche Dr. O. für wahre Depositorien 
des Giftes hält. Alle Krankheitsfälle, wobei die erwähnten zwei Momente 
konsequent beobachtet wurden, sollen sich durch eine spärliche und ge 
linde verlaufende Entwicklung der Pocken ausgezeichnet und das Fieber und 
die Allgemeinerscheinungen sich im mäßigen Grade und von kurzer Dauer ver 
halten haben und nirgends entstellende Pockennarben zurückgeblieben sein, 
wie überhaupt das Gesicht vielfach frei geblieben und nur zerstreut mit Pocken 
besetzt war, während Rücken und Beine die Hauptentwicklung zeigten; Delirien 
wie überhaupt schwere Allgemeinerkrankung kamen in keinem einzigen der 50 Fälle 
vor! Dagegen gelang es, viele Fälle, die gleich im Vorstadium erkannt und so 
fort ventilativ behandelt wurden, als abortive unvollständige Pockenformen zu 
begrenzen, den Ausbruch des Exanthems zu verhüten oder auf 
einige zählbare Pocken zu beschränken!! Dr. O. duldet, von der 
radikalen Wirksamkeit der einzig naturgemäßen Behandlungsmethode überzeugt, 
unter gewissen Vorsichtsmaßregeln (dem Athem und dem Dunstkreise des Kranken 
nicht nahe zu treten) in denjenigen Pockenstuben, welche gründlich durchlüftet 
bleiben, den freien Verkehr des Publikums, ohne daß hierdurch ein Ansteckungs 
fall zu beklagen war. Auf die Ausführung der gesetzlich vorgeschriebenen Chlor- 
Räucherungen als Desinfektionsmittel legt Dr. O. wenig 
Gewicht, weil er annimmt, daß entweder die eingeschlossene Atmosphäre der 
Krankenstuben mit Miasmen gesättigt, und so ein mit der Athmung verträgliches 
Quantum von Chlorgas gegen das mit geringer Tension ausgestattete Pockengift 
ohnmächtig; oder man sorgt vernünftig für desinstzirenden Luftaustausch, dann 
sei überhaupt die Chlorräucherung überflüssig! — 
(Schluß folgt.)
	        
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