Volltext: Der Naturarzt 1870 (1870)

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beschaftigten Schweizer Arztes zur Behandlung, nachdem dieser den 
Kranken 14 Wochen lang vom Beginn der Krankheit an (entzünd— 
liche Anschwellung des Unterschenkels und Fußes) in Behandlung hatte 
und fort und fort behandelte und es so weit brachte, daß die Entzün— 
dungsgeschwulst in großem Umfang in Eiterung überging und später 
sich auch die Entzundung auf das Knie und drei Viertheile anfwärts 
uͤber den Oberschenkel verbreitete, die ebenfalls in Vereiterung überging. 
Alls ich den Patienten das erste Mal auf seinem Schmerzenslager 
sah, glaubte ich ein Wesen zu erblicken, das kaum einem Menschen zu 
— und entstellt und kaum 
fähig, laut zu reden. Er lag in der Rückenlage und konnte seit drei 
Monaten keine andere annehmen. Das kranke Glied war von der Ferse 
bis über die Wade und die untern drei Viertheile des Oberschenkels mit 
Spreuekissen und Tüchern unterstützt und in der Höhlung unter'm Knie 
befand sich ein Gefäß zur Aufnahme des aus zwei Wundöffnungen in 
der Kniekehle beständig ausfließenden Eiters, deren Menge täglich, wie 
man mir sagte, mehrere Trinkgläser voll betrüge. 
Das Knie war etwas gesenkt, lag niederer als der Fuß und die 
untere Hälfte des Oberschenkels und das Bein um 1—8/Zoll kürzer 
als das andere, was bewies, daß die inneren zunächst um das Knie⸗ 
gelenk gelegenen Weichgebilde durch Vereiterung größtentheils zerstört 
und die Gelenksknochen aus ihrer normalen Lage gewichen sein mußten, 
wie sich dann später auch wirklich zeigte, daß die beiden oberen Knochen— 
enden des Unterschenkels nach hinten und oben ausgewichen waren und 
noch sind. Das ganze Glied war stark angeschwollen und außer den 
zwei Oeffnungen in der Kniekehle waren nur noch zwei solche an den 
Knöcheln des Fußes wahrnehmbar; es hatte ein abnormes, knolliges 
Aussehen, von der Hüfte an bis zur Ferse. Der Oberschenkel bildete 
in seiner Mitte einen förmlichen Eitersack; fast in dessen ganzem Um— 
fange ließ sich Schwappung (Fluktuation) erkennen. Der Eiter des 
Oberschenkels hatte den einzigen Ausweg durch die zwei Oeffnungen in 
der Kniekehle, und der im Unterschenkel geborgene an jenen Oeffnungen 
im Fußgelenke. i 
Meine Prognose konnte ich nur insofern günstig stellen für den 
Kranken und feine hochschwangere Frau, mit der er erst kurze Zeit glück⸗ 
lich lebte, als ich ihm versichern konnte, daß die Wasserkur ihm wesent— 
liche Dienste thun, ihm in kürzester Zeit die Schmerzen mildern, ruhi— 
geren Schlaf und bessere Eßlust und Verdauung bringen würde. Von 
Heilung konnte meiner Ansicht nach keine Rede sein; nicht einmal an
	        
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