Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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Einführung in alle unsere Gemeinden veranlassen konnte, 
ind — doch hat Depaul die „gefährlichen und traurigen 
Wirkungen“ dieses Gemisches kennen gelernt. Wie viel lang— 
oierige und mühsame Arbeiten verlangt überh aupt schon die 
verstellung desselben; wie complicirt ist seine Zubereitung! 
sud dies Alles, um ein Nahrungsmittel zu erhalten, das 
eit davon entfernt ist, den angenehmen Geschmack und die 
Zusammensetzung der Muttermilch zu besitzen. Wie kann 
nan nur diese natürlich vorgesehene Flüssigkeit mit jener 
vunderlichen Zusammenstellung, Liebii g'sche Milch genannt, 
zergleichen! Ich halte dafür, daß bei Mangel von Mutter⸗ 
nilch oder einer guten Amme das einzige gesunde und ver— 
ünftige Nahrungsmittel für die kleinen Kinder Kuh⸗, Zie⸗ 
en⸗ oder Eselinnen⸗Milch ist, rein oder (anfänglich) durch eine 
ewisse Menge gezuckerten Wassers verdünnt; — ich“ halte 
s sogar für sehr unvorsichtig, ja, für gefährlich, dieser 
joch natürlichen Nahrung die Liebig'sche Milch zu unter— 
chieben. —“ — 
Noch größeres Gewicht als dieses doch nur mehr red⸗ 
gerische, denn überzeugende Verdammungsurtheil hat die 
Aeußerung, welche in derselben Akademiesitzung der bekannte 
Themiker Poggiale abgab. Er sagte: „Es ist mir wohl 
ehr unangenehm, das Erzeugniß und die Erfindung eines 
o ausgezeichneten und fremden Gelehrten, wie Liebig es 
st, kritisiren zu müssen; allein dessen künstliche Milch scheint 
nir nicht auf wissenschaftliche Grundlagen zubereitet zu sein; 
ie ersetzt uns micht die Frauenmilch. Die Frauenmilch ent⸗ 
zält drei Hauptelemente, ein stickstoffhaltiges, den Käsestoff, 
her zur eigentlichen Ernährung bestimmt ist und zwei kohlen⸗ 
toffhaltige, das Fett und den Milchzucker, die mehr der 
sthmung und Wärmebildung dienen. Um nun das relative 
Nengenverhältniß dieser drei Bestandtheile festzustellen, hat 
ich Liebig an eine alte Analyse (Aufsuchung der elemen⸗ 
arischen Bestandtheile) von Haideln gehalten, die folgende 
Zzahlen gab:für 1000 Theile Milch 31 Theile Käsestoff, 
„L Fette und 43 Milchzucker. Als Liebig diese Analyse 
m Jahr 1844 zum ersten Male citirte, gab er sie für die 
»er Milch einer kranken Frau aus; sie stellt auch 
virklich nicht den Zustand der gesunden Milch dar. Seit 
ener alten Haide l'schen Analyse, die lieber nicht mehr 
zenutzt werden sollte, hat die Chemie große Fortschritte ge— 
nacht und Payen, der auch Milch analysirt hat, fand 
janz andere Zahlen: 78 Theile für Milchzucker; 141 Theile 
iber als die Summe aller nährenden und der Athmung 
dienenden Elemente (in 1000 Theilen).“ —J— 
Nach den Untersuchungen Bousfingault's und mei— 
— Mittel 36 Käsestoff, 
40 Fett und 50 -52 Milchzucker. In dieser Milch ist 
also das Verhältniß des Käsestoffes, des bildenden, nähren⸗ 
den zu dem der Athmung dienenden (Zucker und Fett), wie 
0 zu 22, nicht wie 10 zu 30, wie Liebig es angiebt. 
In der Frauenmilch ist nach der citirten Analyse von Hai— 
deln dasselbe Verhältniß wie 10 zu 24 und nicht, wie 
Ldiebig irrthümlich und wahrscheinlich in Folge eines Druck⸗ 
fehlers berichte.“ 
Liebig beginnt die Bereitung seiner Milch damit, daß 
er die Kuhmilch abrahmt und sie so eines Theiles ihres 
Fettes beraubt; dann ersetzt er dieses Fett durch Mehl und 
gekeimte Gerste, welche beide den Zweck der Zuckerbildung 
Jaben. Ich haäbe berechnet, daß 16 Theile Mehl und 10 
Beobachtung zu dem Resultate gekommen, das sich mir je län— 
jer je mehr glänzend bewährte. J st dagegen das Kind schon 
Hund, so wird es in wenigen Tagen hergestellt, indem man 
sbige Regel sogleich in Anwendung bringt und im Fernern 
ur Erfrischung und Reinhaltung der Haut und zur Milde— 
ung und Auflösung des ätzenden Saftes Charpie oder 
peiche Läppchen von Leinwand, in die Falten legt 
ind 4 bis 6 Mal des Tages durch frische ersetzt. Am 
ersten und zweiten Tage sollen die Charpien feucht sein; 
dann, bei nahezu gehobener Entzündung, trocken. In 4 
—DD0 und 
das Wundsein wird dann bei fortgesetzter Reinlichkeit nie 
nehr eintreten. — F 
Wenn ich in der Einleitung darauf hingewiesen habe, 
daß Alles, was die Lebenskraft ermuntert, auch die 
Eütwicklung fördert, so darf ich Ihnen, darauf gestützt, 
vohl noch Etwas anempfehlen, was fast mehr als Alles 
Andere, nebst Bewegung, richtiger Nahrung, Reinlichkeit und 
rischer Luft, die Heranbildung der jungen Kräfte des Kin⸗ 
des unterstützt. Es ist dies das tägliche Bad. 
Nicht nur reinigen soll das Bad; es hat auch einen 
andern Zweck, den der Abhärtung. Was heißt Abhär— 
ung? Die Befähigung, den äußeren Einflüssen: Nässe, 
ditze, Kälte, zu widerstehen! 
Die kühlen Bäder entziehen jedesmal etwas Wärme und 
rxmuntern hiedurch die Lebenskraft zur höhern eignen 
organischen Wärmeentwicklung, das Verlorene zu ersetzen; 
das vermehrt den Wärmestrahlungsprozeß nach Außen, er— 
söht die Reaktionskraft, belebt und kräftigt die Haut! 
Allerdings sollen Länge und Temperatur des Bades so 
ein, daß sie der Kraft des Organismus entsprechen; sie 
ollen nicht mehr Wärme entziehen, als der Körper im 
Stande ist, mit leichter Anstrengung wieder zu ersetzen: Ein 
leichter Kampf übt die Kraft; ein schwerer, Kampf, 
jäufig verlangt, kann sie aufreiben und überwältigen! 
Von der 4. bis 7. Woche an (je nach dem Kräftezu— 
stande des Kindes) erhalte das Kind jeden Morgen nur 
ein Bad, das in der Dauer möglichst kurz, ÿ1/ Mi⸗ 
zute und in der Temperatur ungefähr 240 R. sei. Bei 
schwächlichen Kindern soll diese Temperatur bis auf 2 
Jahre beibehalten und erst dann auf 222R. und später 
joch auf 20 und 180 gesenkt werden. Bei kräftigern 
Kindern dagegen darf schon im 6., 7. Monat auf 220 R. 
und im 12. und 14. Monat auf 20 und 180 gegangen 
werden. Unter 180 R. zu gehen, ist in keinem Falle 
cathsam; die mit die ser Temperatur erreichte Abkühlung 
ist unter allen Verhältnissen genügend. 
—AA—— 
lleber den Werth der sog. Liebig'schen Milch. 
Vorbemerkung des Herausgebers. Wir entnehmen einer im 
Fult v. J. in der Pariser medic. Academie stattgefundenen Be— 
hrechung über die als bestes Ersatzmittel der Muttermilch von vielen 
Seiten angerühmte sog. Liebig'sche Milch die nachfolgenden, gegen 
den Gebrauch dieses künstlichen und nicht sehr empfehlenswerthen 
Nahrungsmittels gerichteten BemerkungenJ).. — 
Boudett sagt hierüber: „Der Name Liebig hat 
diesem Gemische, zu dessen gewinnbringender Verwerthung 
nehre Industrielle durch bezügliche Schriften Liebig's ver— 
leitet worden sind, eine Bedeutung verschafft, die leicht dessen
	        
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