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Mögen endlich die auf Erfahrung basirten Worte
dloekhof's einen würdigen Schluß bilden bei Ent—
scheidung der Frage: welche Principien sollen den Irren—
arzt bei Behandlung seiner Pflegebefohlenen leiten? „Der
Arzt, der bei übernommener Heilung der Geisteskrankhei—
ten auf einen glücklichen Erfolg seiner Bemühungen rech—
nen will, muß die Kraft und gleichsam die geheimsten
Triebfedern der beiden Naturen, deren innige Vereini—
zung den Menschen darstellt, die leibliche und die geistige,
o viel als das eingeschränkte Maß des menschlichen Gei—
stes verstattet, kennen und dieser Erkenntniß gemäß gehö—
rig zu lenken wissen; denn der Arzt, der seine Bestrebun—
jen auf den Geist allein richtete, weiß die gegebenen
Vorschriften nicht zu rechter Zeit anzuwenden und sieht
zuch nicht ein, wie viel das schwache Gehirn auszuhalten
hermag. Und derjenige, welcher auf den Körper allein
Rücksicht nimmt, weiß den Geist nicht so vorzubereiten,
daß die auf den Körper gerichtete Kur alsdann glücklich
bon Statten gehen kann.“
(Schlußwort des Herausgebers folgt.)
»leibt.“ Hätte er auch die Art der Nahrung dem na—
ürlichen Appetit überlassen, so hätte er ganzrecht ge—
habt, und es wäre ihm dann nur noch obgelegen, mit
inbefangenem Urtheil zu prüfen, was denn eigentlich na—
ürlicher Appetit, un verfälschte, durch kein Reiz—
ind Genußmittel erkünstelte Eßlust ist, wozu
iatürlich keine große Gelehrsamkeit gehört. Unsre Kraft—
Ztoffphysiologen aber, statt der Natur und ihren Gesetzen
iachzuforschen, suchen einzig sich abzumühen, herrschende
zypothesen gänzlich verirrter und verdorbener Wissenschaft
zuf den Menschen und die verschiedenen Seiten seines leib—
ichen Daseins aufzupfropfen und seine Säfte, sein Blut,
ein ganzes Wesen in jenen zu Blüthe und Frucht treiben
u laässen. Diese Blätter brachten schon im Jahrgang
1863 S. 265 und 1864 S. 61 ein Paar Belege, wie
Jaltlos die ganze auf vorzugsweise Fleischkost erbaute
ßanting-Liebig'sche Lehre ist. Wir haben im Ver—
aufe unsrer langjährigen Prarxis unzählige ähnliche Bei—
spiele erfahren, wie am raschesten, sichersten und ge—
tahrlosesten die Korpulenz gerade ohne alle Fleischkost,
mit rein naturgemäßer Pflanzen- (Körner-, Gemüse- und
Obst-) und Milchnahrung geheilt wird. Die Bantingkur
ist in der Theorie falsch, und in der Prarxis oft erfolglos
und gar oft gefährlich: sie greift das Uebel eben gar nicht
in der Wurzel an und legt mit ihrem Hauptmittel meist
vieder den Grund zu einer ganzen Reihe neuer Uebel.
Wir gedenken, die Korpulenz und die ihr verwandten Zu—
tände gelegentlich in einer besondern ausführlichen Ab—
handlung in unserm Blatte zu besprechen und werden dann
die einzelnen hier nur angedeuteten Anstände der Ban—
ingkur des Weitesten erörtern.
Die Dr. Vogel'she Schrift leidet außer an den ge—
rügten Mängeln auch noch an dem, daß sie (S. 40) den
Menschen überhaupt und schon von Kind an für die ge—
nischte (Fleisch- und Pflanzen-) Nahrung bestimmt wissen
vill und daß sie (S. 39) den Genußmitteln (Kaffe, Thee,
Fhocolade, Wein, Bier, Branntwein, Taback und dergl.)
echt Moleschottisch aufs Wärmste das Wort redet: „sie
»ermögen die schlummernden Kräfte des Organismus zu
vecken, sie zu einer freilich vorübergehenden Thätigkeit
einzuspornen und so gewissermaßen dessen todt liegendes
dapital flüssig zu machen. Dadurch werden diese Dinge
zäufig nützlich, ja in unserer raschlebenden Zeit,
die nicht selten bedeutende augenblickliche Ent—
picklung von körperlicher und geistiger That—
kraft verlangt, oft ganz unentbehrlich!“ O Ekel ob
solcher Cretinenweisheit bauchlicher Genußsucht!
Vom Bücherkische.
Prof. Dr. Julius Vogel. Korpulenz. Ihre
Arsachen, Verhütung und Heilung durch einfache diätetische
Mittel. Auf Grundlage des Bantingsystems. Zehnte
Auflage. Leipzig. Ludwig Denicke. 1867. S. XII u. 60.
Herr Prof. Dr. med. Vogel begründet seine Lehre
der Heilung der Korpulenz (Fettsucht, Dickleibigkeit) mit
der heute herrschenden, von Liebig aufgestellten Hypo—
chese, daß der menschliche Magen eine Retorte und seine
Lunge ein Heiz- und Dampfapparat, der ganze thierische
Verdauungs- und Ernährungsproceß aber nichts als ein
todter, chemischer Vorgang sei, bei dem keine anderen Ge—
etze zur Geltung kommen, wie in jeder Werkstätte unsrer
Apotheker, Chemiker und Chemico-Physiologen. So we—
unigstens ergiebt sich die Folgerung, die man aus ihrem
Ldehrsatze betr. Stickstoff- und Kohlenstoffmengenbedürfniß
ür menschliche Organismen ziehen muß. Bedächten diese
zerren, daß die Herbivoren Pferde, Schafe, Kühe sich von
Kährstoffen nähren (Gras und Kräutern), die überwiegend
'ohlenstoffhaltig sind und doch als Schlußergebniß sehr viel
knochen, außerordentlich viel Blut und Fleisch und ver—
‚jältnißmäßig sehr wenig Fett darstellen, und bedächten
ie weiter, daß der Mensch zwar kein Herbivor, aber doch
zuch kein Carnivor und überhaupt kein Vor(Fresser), son—
dern einfach ein Fruchtesser ist, bedächten sie endlich, daß
der Mensch, wenn er sonst nach den meisten Seiten seiner
satur gesetzesgemäß lebt und handelt, ißt und trinkt, sehr
vohl unbeschadet seines gedeihlichen Fortkommens nach
der einen oder andern Seite seiner Natur zeitweilig ver—
ehrt leben kann, so würden sie ihn nicht in die engen
Brenzen gewisser und noch dazu hypothetischer Lehrsätze
ꝛinzwängen.
Der gute Banting hatte doch wenigstens noch halb
RKecht; er sagt (8. 19 der Vogel'schen Schrift): „Ich
ann mit gutem Gewissen sagen, daß die Menge der
Nahrung am besten dem natürlichen Appetit überlassen
Kleinere Mittheilungen.
Hufeland über Fleischextract und Kraftsuppen. In
seiner „Makrobiotik“ im 2. Theil, im Hauptabschnitt in
der 6. Ueberschrift spricht Hufeland, Liebig und den
zanzen Troß seiner fleischlichen Nachbeter damit geißelnd,
folgendermaßen über die Sucht, Verdauungs-, Blut- und
Nervenschwache durch concentrirte (verdichtete) Fleischnah—
rung zu kräftigen: „Ein Hauptriumpf der neuern Kostkunst ist
die Kunst, Nahrungssaft in der concentrirtesten Gestalt
in den Körper zu bringen. Da hat man Consomés, Jus,
ODoulus. Man hat's dahin gebracht, durch Auspressen und