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u der Zahl der Müssiggänger in den Irrenhäusern, eingeschränktes, nüchternes, alle schädlichen Einflüsse pe—
inderntheils aber auch diejenigen sind, welche einer Hei— dantisch meidendes Leben zu führen.) I
ung den hartnäckigsten Widerstand entgegen setzen. „Wer nie verließ der Tugend enge Kreise,
„In müssiger Stunde schafft der böse Geist!“ geses us eige Juczen geen
„Der war nie thöricht, aber auch nie weise.“
In diesen Worten liegt viel gesunde Moral, freilich
st es die Moral des praktischen Lebens und nicht die der
ehn Gebote!**) Und wer, fragen wir weiter, wollte
inen Augenblick an der Wahrheit des Schiller'schen
Ausspruches zweifeln: „In der ganzen Geschichte des Men—⸗
chen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist,
ils die Annalen seiner Verirrungen.“ Daher fliehe man
iuch übertriebene Stille und Abgeschlossenheit, in der zwar
zas Talent gedeiht, aber der Charakter verkümmert. Der
ildet sich jim Strom der Welt“. Und wann ist ein
tarker, eiserner Character nöthiger, als da, wo es gilt,
zen anprallenden Stürmen, welche die Seele bedrohen,
Trotz zu bieten. Die Geisteskrankheit ist eine Macht, der
zur activer Widerstand mit Erfolg entgegengesetzt werden
ann. Ist doch gerade das scheue Sichzurückziehen von
)er Well ein verdächtiges Symptom für die beginnende
Ztörung der individuellen Seele. Also gerade solchen
Raturen muß umgekehrt die Welt erschlossen werden, weg
nüssen sie geführt werden „zu neuem, buntem Leben“.
Neue Eindrücke müssen die alten, schwermüthigen ver—
rängen. Aus den verzehrenden Flammen der Krankheit
nuß das Opfer gezogen werden, ehe die Gluth über sei⸗
nem Haupt zusammenschlägt.
So kommen wir zu einer therapeutischen Hülfe, zu
einem ächt psychischen Heilmittel, das von dem A der
Krankheit bis zum 8 die allerwichtigste Rolle spielt und
ine wahre conditio sine qua non (Bedingung, ohne
pelche kein Erfolg) abgiebt. Ich meine die Versetzung
des Erkrankenden in eine andere Atmosphäre. Ein neuer
ohysischer und moralischer Horizont muß sich aufthun vor
den Augen des Verzweifelnden. „In einem andern Son—
ienlichte, in einer glücklicheren Natur“ wird der verirrte
FJeist umwenden und das todte Herz durch frische Puls—
chläge belebt werden. Ist namentlich in den umgebenden
achlichen oder persönlichen Beziehungen der Grund be—
Die Schwere des Berufes kann das Gemüth zu Bo—
den drücken, allein gar kein Beruf führt zu einer fo ge⸗—
ahrlichen Blasirtheit an Geist und Körper, daß man
nicht staunen darf, wenn bizarre Ideen auftauchen, aben⸗
euerliche Gedanken und Vorstellungen vom Leben und von
der Welt ausgebrütet, unnatürliche Sinnenreize herauf⸗
»eschworen werden, welche die träge Maschine im Gang
halten sollen. Hirnerweichungen, Körper und Geist aus—
ehrende Störungen sind die unmittelbaren Folgen eines
olchen unphysiologischen Lebenswandels.
Es ist sicher und unumstößlich, die moralische
Fähigkeit des Entsagens und Entbehrens schützt
gegen Irrsinn nicht minder, als vielseitige Bil—
dung und Besonnenheit.“
Sache der Eltern und einer verständigen Umgebung
iüberhaupt wäre es, denen, deren Seelenwohl ihnen an—
ertraut ist, zu folgen, damit sie unterscheiden zwischen
ugendlichem Austobenlassen aller Lebensgeister und dem
auteren, einseitigen Ausschweifen. Auch hier sind die
Ertreme streng zu vermeiden und der goldene Mittelweg
der beste.
Deshalb mögen sich andererseits Eltern, deren groß⸗
werdende Kinder nicht leeren, wüsten Genüssen nachjagen,
rur dann freuen, wenn dieselben nicht umgekehrt in über—
triebener Weise solid sind, zu früh daran denken, ein
x) Dieser Satz kann nur höchst beziehungsweise Geltung haben.
Fründet sich die beobachtete eingeschränkte, nüchterne Lebensweise
iuf erkannte und bewußte Naturgesetzlichkeit, wenn auch die strengste,
o ist sie gut zu heißen. Hat sie diesen Grund nicht, sondern bloße
eere Pedanterie, dann allerdings mögte hinter solcher Pedanterie
in bedenkliches, das Schlimmste ahnen lassendes krankhaftes Geistes⸗
ymptom zu suchen sein. Der Heradusaeber.
«x) Der Verfasser giebt diesen Dichterworten eine zu weitgehende
Deutung; sie wollen nicht mehr sagen, als was uns Christus in
einem schönsten Gleichniß, in dem vom verlornen Sohn niederlegte.
der verlorne Sohn hatte Prüfungen bestanden, wie sie an die an—
slern noch gar nicht herangetreten waren. Und doch lehrte auch
Fhristus das Gebet: „Führe uns nicht in Versuchung! — und
Jas Gebot: „Entsage!“ Denn gerade, wer eben rechtzeitig und
Kielem entsagt hat, der lernt sich beherrschen, der stählt die Willens⸗
raft und vermag wie Keiner außer ihm, Prüfungen zu bestehen,
ie das Schicsal nur Wenigen aufzusparen pflegt. Obendrein pflanzt
die Entsagung brüderliche Liebe und Menschenliebe in das Herz und
erade fie ist es wieder einzig, die den Meunschen treibt, zum Wohle
er Menschheit Kämpfe, heiße Kämpfe aufzunehmen und Prüfungen
u wagen, wie wieder Keiner außer ihnen. 4
Der Herausgeber.