Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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gannten Naturforschern, die vor lauter Blutkügelchen und 
Faserstoff kein Blut, vor lauter zerlegten Gliedern keinen 
Leib und vor lauter Tod kein Leben sehen, die vor lauter 
wissenschaftlichem Blödsinn keine Wahrheit begreifen und 
boor lauter Unnatur keine Natur zu fassen und zu ergreifen 
bermögen! Oesterlen, der Wenigen Einer, die ihrer 
Wissenschaft (der Medicin) den Rücken gekehrt und der 
sich ein gut Theil des nöthigen Natursinns bewahrt hat, 
erklärt unverhohlen (Hygieine S. 358): „Wir vertrauen 
gewiß der Führung unserer Natur weit sicherer, als dem 
Menschenwitz, und von dem scharfen unbefangenen Beo— 
bachter dieser Natur darf Jeder mit größerer Ruhe die 
dehren seiner Lebensweise entgegennehmen, als von man— 
hen Neueren, welche ihre Lehren wohl mit dem Scheine, 
aber mit dem Wesen der Wissenschaft zu bekleiden 
wissen.“ 
Noch könnte das Menschengeschlecht umkehren, und sich 
neu gebären zu Gesundheit“ Glück und Jugend. Und wir 
sind überzeugt, es wird es. Es mußte erst so schlimm 
'ommen mit ihm, ehe es allgemeiner gewahr werden und 
rkennen konnte den Irrweg, den es gegangen. Aber der 
Irrweg muß nun auch gründlich und allgemeiner, nicht 
blos auf halbem Wege verlassen werden, entschieden muß 
die Umkehr zum Bessern eingeschlagen und bis auf's Letzte 
entsagt werden Allem, was da Faules und Verdorbenes 
und Verkehrtes ist in unsern bisherigen leiblichen Bedürf— 
aissen und Gewohnheiten; mit der Medicin und den Giften, 
die den kranken Leib nicht gesund machen, müssen auch 
aufgegeben werden die Gifte, die den gesunden Leib krank 
und schwach und siech und bedürftig und begehrlich machen, 
die Geister des Weines und des Alkohols, des-Opiums 
und des Tabacks, es muß entsagt werden „jeglichem 
Gifte in jeglicher Gestalt!“ Wir müssen das Glück 
des Einzelnen und damit die Wohlfahrt Aller nicht länger 
außer uns, sondern in uns suchen, da, wo wir dessen 
sicher sind und wo uns kein Tyrann und Despot, kein 
Fürst und kein Princeps, keine Verfassung und kein „Sy— 
tem“ es zu erwerben hindern kann, in der eigenen Brust, 
im eigenen Busen, in der absoluten Gesundheit 
des Leibes. „Dem Gesunden fließt ja“ — sagt Rausse 
so poetisch schöͤn wie wahr — „überall der Honig der 
Freude und des Glücks! Wenn er erwacht, so freut er 
iich dessen und mit ihm seine Glieder, die erfrischt sich 
loswickeln aus der Umrankung des Schlafes; er hat Freude 
und Labung am Athem, den er mit weiter Lunge zecht 
aus der großen Bowle des Aethers; er hat Wollust am 
goldenen Sonnenschein, an den Fluthen der Saaten und 
an den Wellen der Thäler und Berge. Ohne solche Ge— 
sundheit kein dauerndes Glück für alles Erdengeschlecht! 
Und erst mit solcher Gesundheit und solchem Glück werden 
die Menschen und Völker wieder ein Genüge haben an 
der Gegenwart, nicht tollkühn reißen am verhängnißvollen 
Schleier der Zukunft, und nicht vorausaufzehren die Zu— 
kunft ungeborner Geschlechter“/“/ 
Doch zum Schluß und zwar mit den Worten Eduard 
Baltzers (die natürliche Lebensweise, der Weg zu Ge— 
sundheit und socialem Heil, Nordhausen. F. Förstemann. 
12 Ngr. S. 4 und flgde.): 
„Bei dem denkenderen Theile der Zeitgenossen hat 
„jener Glaube aufgehört, kraft dessen man Ablaß seiner 
„Sünden, sei es in jüdischen oder christlichen, katholischen 
„oder protestantischen Formen finden konnte. Der neue 
„Glaube — neu nur in der Form, alt, ewig derselbe in 
„seinem Wesen — spricht lediglich: „„gehe hin und sün— 
„„dige hinfort nicht mehr!““ 
„Aber dieses Nichtmehrsündigen erschweren wir uns, 
„ja machen es im Großen nahezu unmöglich, dadurch, 
„daß wir nicht von Haus aus Einer dem Andern und 
„vor Allem Jeder sich selbst helfen, die leibliche Seite 
„unseres Ich zu beherrschen und richtig zu führen. “ 
„Der alte (dualistische) Glaube meinte, der Geist sei 
„ein Ding für sich, wohne im Leibe, wie das Schwert in 
„der Scheide, habe eigentlich allein Werth und könne dem 
„Leibe trotzen. Der Unglaube aber, der mit der Form 
„auch das Wesen, mit dem Bade das Kind ausschüttet, 
„er geht die Pfade wüsten Lebens heut zu Tage in er—⸗ 
„schreckender Weise.“ 
„Darum müssen wir dem Geiste dadurch zu Hülfe 
„kommen, daß wir ihn vom Leibe aus erziehen, daß wir, 
„wie auch das Evangelium will, den Geist heiligen sammt 
„seinem Tempel, welcher ist des Menschen Leib.“ 
„Das haben wir schon immer gewollt, hör' ich sagen. 
„Ja wohl, ich habe es auch redlich gewollt. Aber wir 
„haben es Alle nicht recht verstanden, darum war unser 
„Weg falsch und auch unser Wille schwach und erfolglos. 
„Denn, was wir „mäßig“ nannten, ist unmäßig, was 
„wir gesund erachteten, ist gemeinschädlich, was wir für 
„unschuldig hielten, ist Leib und Geist verderbend. Die 
„folgenden Blätter sollen dir den Weg zu dieser Erkennt— 
„niß zeigen helfen.“ 
Daß dieser Weg so wenig in den Urwald zum vier⸗ 
beinigen Gethier, wie in die einsiedlerischen Höhlen aus— 
schreitender Entsagung und Kasteiung führt, braucht wohl 
nicht erst gesagt zu werden. Das eben ist das Zeichen 
einer bewußten, der wahren Erkenntniß, wie sie das heutige 
Zeitalter errungen, daß sie die ausschreitenden Gegensätze 
sowohl des ersten, wie des letztverflossenen Jahrhunderts 
unserer Zeitrechnung zu vermeiden gelernt hat. J 
Kleinere Mittheilungen. 
Soldaten als Lungenschwindsuchtskandidaten. Es ist 
auffallend, daß gerade die Elite des männlichen Geschlech— 
tes, „die Soldaten“, in allen Ländern und bei 
allen Nationen der Erde, ohne Ausnahne, die 
zrößte Anzahl Tuberkulöser aufweist. Um diesem trau— 
rigen Mißstande begegnen zu können, wird es nöthig sein, 
die Ursachen hiervon hervorzusuchen. 
Wir glauben als allgemeinen Grund hervorheben zu 
müssen: * 
1) Das Alter der Conscribirten, welche geradezu in 
jene Altersperiode fallen, die unter allen Verhältnissen 
und allenthalben die Mehrzahl von Phthisikern liefern. 
Ließe sich nicht durch Verlegung der Soldatenaushebung 
auf ein Paar Jahre später für viele Individuen die Krank— 
— 
*) Diese Verlegung der Aushebung wäre, abgesehen von man— 
chen andern Gründen, wohl schon um deswillen nicht ihunlich, weil
	        
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