Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

Beilage zu Nr. 10 des Naturarztes. 
Dresden^ den 19. März. 
Kmnkencorrefpondenz. 
M Zur gefälligen Beachtung: 
Da uns sehr häufig Anfragen wegen naturärztlicher Behandlung 
zugehen, ohne allen Hinweis darauf, daß der Anfragende Abonnent 
dieses Blattes sei, ja selbst völlig anonym, so können wir nicht umhin, 
hiermit zu bemerken: 
1) daß wir anonyme Anfragen fernerhin gar nicht mehr berücksich 
tigen werden; 
2) daß wir von denjenigen, welche nicht direct bei unserer Expedi 
tion abonnirt haben, zugleich mit der Anfrage eine wenn noch 
so kurze Bescheinigung der Buchhandlung oder des Postamtes, 
wo abonnirt worden ist, beanspruchen und daß wir ohne solche 
Bescheinigung eingehende Anfragen nnr dann beantworten, wenn 
ein der Sache angemessenes Honorar beigefügt ist. 
Die Redaction. 
1. Herrn Gz. zu Wien. Die Nerven-Affection, welche seit circa 
1 Jahre Ihr rechtes Hüftgelenk ergriffen und von da bis in's Schien 
bein hinab sich erstreckt, auch über die untere Bauchgegend und den 
mittleren Theil des Rückens sich ausgedehnt hat und die Bewegung 
beim Gehen, Sitzen, Stehen und Beugen schmerzhaft macht, erscheint, 
soweit die Anhaltepunkte Ihres Briefes reichen, als ein wahrscheinlich 
durch Erkältung zum Ausbruch gekommener (aber schon vorher ini 
Blute begründet gewesener) acuter Rheumatismus, dessen Ausdehnung 
jedenfalls seinen Grund in früherer Vernachlässigung Ihrer äußeren 
Haut hat Sie werden daher gut thun, neben den zur örtlichen 
Schmerzbernhigung anzuwendenden und naturärztlich in feuchter Wärme- 
Anwendung bestehenden, auf Auflösung der rheumatischen Stoffe hin 
zielenden Mitteln, auch die Hebung der Kraft des Hautorganes zu 
Ihrer Aufgabe zu machen. Beides werden Sie dort am bequemsten 
durch Benutzung von Dampfbädern erreichen; aber Sie müßten, na 
mentlich zu Anfang, nur die mildesten Grade (32 bis höchstens 36" R.l, 
also die untersten Stufen des Dampfraumes anwenden, auch die Wärme 
nicht zu lange wirken lassen, sondern öfters der Bebrausung und über 
haupt Kühlung mit den Wasseranwendungsformen der betr Dampf- 
Anstalt sich aussetzen. Namentlich benutzen Sie die in jeder solcher 
Anstalt in der Regel angebraä te Douche-Vorrichtung, um den Strahl 
öfters, aber nicht zu lange auf einmal, auf die leidenden 
stellen fallen zu lassen Der ganze Aufenthalt im Dampfraume sei 
zu Anfang nicht über V2, später nicht über 1 Stunde und der Ge 
brauch der kalten Formen während dieser Zeit alle 7—10 Minuten. 
Sind in der betr. Anstalt'Kasten- oder Bettdampfbäder zu haben, 
so würden Sie sich derselben wahrscheinlich mit noch mehr Nutzen als 
der allgemeinen Räume bedienen, da man hierbei die Dampfspannung 
und also die Hitzeregulirung mehr in der Hand hat. Die öftere An 
wendung der Kühlungsformen würde aber auch hierbei im Auge zu 
behalten sein. — Nach Beendigung des Dampfbades folgt das Nach 
schwitzen und dies müßte bei Ihnen den Haupttheil der Dampfbad 
kur ausmachen. Als Norm diene Ihnen dafür, daß Sie wenigstens 
1 Stunde lang wahres Dünsten, resp. schwitzen, innerhalb der wolle 
nen Decken zu empfinden und abzuwarten hätten. Um dies zu erzie 
len, ist es besser, Sie lassen sich direct in die wollene Decke und zwar 
so fest als möglich einpacken, also nicht erst den leinenen Ueberwurf 
auf dem Leib, und lassen sich entweder mit vielen wollenen Decken 
oder besser mit Betten tüchtig überdecken; denn ohne gehörigen herme 
tischen Verschluß des eingepackten Körpers gegen jeden Luftzutritt ist 
ein Schwitzen gar nicht oder nur sehr spät zu erzielen. Leider wird 
von den wenigsten Badedienern in russischen Dampfbädern der Werth 
und die Sorgfalt auf die Einpackungen behufs "des sogen. Nach- 
schwitzens (welches aber das eigentliche und einzige Schwitzen ist) 
gelegt, den es. erheischt, und muß man daher selbst dazu antreiben. 
Dieses Schwitzen ist auch für Sie die Hauptsache, und selbiges er 
reichen Sie nur in der wollenen Einpackung, nicht in dem Bade selbst, 
da bekanntlich in letzterem wohl die Haut kräftig angeregt, also zur 
nachträglichen Oeffnung und Ausscheidung vorbereitet, wird, aber, wenn 
auch wahrscheinlich einsang end, so doch nicht aus athmend fungi- 
ren kann, weil der über 75 0 betragende Wassergehalt der Dampfbad- 
Atmosphäre eine solche Abgabe von Feuchtigkeit aus dem Körper phy 
sikalisch unmöglich macht. Die Feuchtigkeit, welche Sie in Dampfbad- 
Kuren am Körper wahrnehmen, ist nur Niederschlag von Wasser aus 
der umgebenden heiß-feuchten Luft, zu der sich Ihr Körper wie eine 
kühle Fläche verhält und an der sich daher, ebenso wie an 'der kalten 
Fensterscheibe des geheizten Zimmers oder an der in dasselbe gebrach 
ten Wasserflasche der Wassergehalt der warmen Zimmerluft sichtbar 
ansetzt — Dem Schwitzen folgt nochmalige Rückkehr in den Dampf 
raum und tüchtige Abkühlung durch dessen Wasseranwendungsformen, 
unter denen Sie jetzt auch die kalte Vollwanne gebrauchen können. 
Sollten Sie aus irgend welchem Grunde den Gebrauch von 
Dampfbädern mit Nachschwitzen nicht anwenden können, so müßten 
Sie dasselbe physikalische Verhältniß zu Hause dadurch nachzuahmen 
suchen, daß Sie dort durch feuchte, am besten die ganze Nacht wir 
kende Rumpf- und Unterleibs-Einschläge — wie sie der „Maturarzt" 
und vor. Jahr der „Wasserfreund" schon vielfach beschrieben hat — einen 
länger anhaltenden feucht-warmen Dunstkreis um Ihren Körper her 
beiführten, dem des Morgens, bei der Auspackung, Abwaschung mit 
ca. 150 Wasser folgte. Bei übrigem guten Kraftzustand Ihres Kör 
pers, und wenn Sie Zeit zu noch energischerem Verfahren hätten, 
würde sich unmittelbar an die morgendliche Abwaschung oder bald nach 
her (nach Spaziergang und wenigem Frühstück) eine trockene Ein 
packung in der wollenen Decke anreihen, welcher wieder Abwaschung 
mit Spaziergang folgte. Unter derselben 'Voraussetzung würden Sie 
dann Nachmittags entweder nochmals Einpackung oder ein Sitzbad von 
ca 14" 1 Stunde lang nehmen. Daß übrigens mäßige, reizlose, 
kühle Diät und viele Bewegung zu jeder Ausscheidungskur, und zweck 
mäßig leichte Kleidung, wie federloses Schlafen, zur Kräftigung und 
Abhärtung des Hautorganes gehöre, versteht sich von selbst. 
il. Herrn H.A. in B. Sie halten sich für epileptisch und 
theilen uns über Entstehung, Ausbildung und derwaligen Charakter Ihres 
Zustandes Folgendes mit: Bis zum 17. Lebensjahre - Sie sind jetzt ziem 
lich 27 Jahr alt — waren Sie mit Ausnahme einer Brustentzündung im 
16. Jahre, welche mit Aderlaß und Arzneien behandelt wurde, völlig ge 
sund, ohne alle Spur Ihres Leidens, glauben auch von gesunden Eltern ab 
zustammen. . Mit erfülltem 18 ten Jahre traten Sie in eine Lehrerbil 
dungsstätte ein, und dort war es, wo Sie, nach ungefähr 1 jährigem 
Aufenthalte, plötzlich eines Abends den ersten angeblich epileptischen 
Anfall bekamen. Sie erzählen bei dessen Beschreibung, daß er mit 
Kaltwerden der Finger begonnen; Zuckungen, besonders von Schultern 
und Armen ausgehend, hätten sich demnächst dazu gesellt, und bei 
einer dergl. sehr starken Zuckung hätten Sie das Bewußtsein verloren; 
Sie seien vom Stuhle gesunken und die Zunge sei dabei zerbissen wor 
den. Der herbeigeholte Arzt behandelte Sie mit Schröpfköpfen auf 
Rücken und Brust, mit Aderlaß an den Füßen, spanischen Fliegen in 
den Seiten und mit Arzneien innerlich. Nachdem der Anfall vorüber, 
ordnete der Arzt öftere warme Klystiere, Einnahme von Ricinusöl und 
Zittmann'schen Kräuter-Decoct au. Letztere Kur gebrauchten Sie auch 
längere Zeit, zu Hause geschafft, bei 26" Wärme, unter übriger Nah 
rung von Reisbrei und Zwieback. Die krampfhaften Empfindungen 
wollten aber nicht weichen; ein zweiter eigentlicher Anfall stellte sich 
aber nur noch einmal in jenem Jahre ein. Gegen die krampfhaften 
Empfindungen wandten Sie dann ein Ihnen gerathenes Hausmittel 
an, ein Pulver, welches in einem leinenen Beutel stets ans dem Her 
zen getragen werden mußte, und welches Ihnen, wie Sie glauben, 
unter allen angewandten Mitteln noch die meiste Beruhigung der ner 
vösen Erscheinungen gebracht hat. Nach Anwendung dieses Mittels 
blieben Ihre Krämpfe 3 Jahre lang aus, bis sie, in Folge einer star 
ken geistigen Anstrengung bei Gelegenheit eines Examen, wieder auf 
traten und nun fortdauerten Vergeblich wandten Sie dagegen 6 Wo 
chen lang Seebäder an; mit ebenso wenig Erfolg gebrauchten Sie auf 
den Rath des dort kennen gelernten Professor Dv. Fr. Silbersalpeter 
in steigender Dosis und auch die vom Professor und Geheimrath N zu 
B. verordneten: Lellaäorwa und mix vomica, Zinkoxyd und extr. hyosc. 
brachten keine Linderung. Innerhalb des letzten Jahres hatten Sie 
ca. 6 eigentliche Anfälle, während die krampfhaften Empfindungen Sie 
sehr häufig belästigten; dabei hatten Sie in den Füßen abwechselnd 
Kälte- und Hitzegefühl, im Kopfe meistens die Empfindung von Ein 
genommenheit und Schwere, in der Gegend der Milz dagegen die von 
schmerzhaftem Druck; Aufstoßen und Sänregeschmack machten sich häufig 
geltend, ebenso Blähungen ; Appetit war gut, aber Stuhl unregelmä-
	        
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