Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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gebracht und größeren Ruhm in der Welt'errungen: das chi 
rurgische Messer oder der Waschschwamm? 
Viele. Ha, ha, ha! 
Schöppe. Wo 'ne Nase abgefault ist — wer macht 
! denn eine neue? Etwa die Herren Hydropathen? Und wo 
1 eine Brustverhärtung selbst keiner Salbe und Arznei mehr 
- weicht und der Brand ein Glied und nach diesem den ganzen 
Körper zu zerstören droht, — wer kurirt denn da noch an 
ders, als unser Messer? Dann — meine Herren, kann etwa 
das Brenneisen und der Höllenstein, kann der Schröpfkopf 
und die Lanzette, können alle diese Mittel, durch welche die 
Menschheit offenbar bis hierher gebracht und erhalten worden 
ist — können sie durch die Plantschereien dieser Wasserärzte 
oder wie sie sich sonst nennen mögen, ersetzt werden? Wenn 
das diese Menschen doch behaupten, nun — geehrter Herr 
Pastor — Sie wissen nun, wie das dann zu nennen ist, — 
; das ist eine — ich glaube, man sagt „Blasenfamie? 
G. Augustin. — Blasphemie wollen Sie wohl 
sagen? 
Schöppe. - Bitte, jetzt rede ich — habe nicht Sie 
gefragt — kann sein — 's ist mit einem Worte eine Läste 
rung von gewissermaßen göttlich gewordenen Werkzeugen und 
Hülfsmitteln; das ist so viel, als gegen den lieben Gott selbst 
zu Felde ziehen, der uns diese Werkzeuge und Mittel gegeben 
hat. Und so verhält sich's auch mit allen anderen Mitteln, 
welche die Arzneikunst anwendet. Hat etwa der liebe Herr 
gott die Pflanzen und die Steine umsonst wachsen lassen, aus 
denen die Medicinen bereitet werden? Beißt sich nicht das 
i Pferd die Adern auf, wenn sie zu voll des Blutes sind? 
Und frißt der Hund nicht Gras, wenn er brechen oder laxi- 
! ren will? Ist das aber nicht alles Natur? — Nun, wo 
bleiben denn dann die Herren Naturärzte mit ihrer Natur, 
wenn sie sie hier nicht finden wollen? — Geh'n Sie mir mit 
solchen Menschen! die wollen, wie alle Neuerer, nur ihre Ta 
schen füllen und gönnen Anderen nicht ihr bisheriges beschei 
denes Brod. — 
Pastor. Wenn Sie fertig sind, so wären der Reihe 
nach Sie — 
Schuldirector. Wenn ich bitten darf, so erlauben 
Sie, daß ich zuletzt meine Ansicht ausspreche. 
G. Augustin. Wäre es nicht gut, wenn hinter jedem 
Sprecher gleich allemal das bemerkt würde, was sich etwa 
gegen seine Sätze anführen läßt. 
Bürgermeister. Ach, das sind nur Sie — der alle 
mal was einzuwenden hat. 
Medicinalrath. — Wäre auch dafür, daß man erst 
die Herren durchsprechen ließe. 
C Augustin. Ich auch. 
Pastor. — also dann würde der Herr Stadtschreiber — 
Stadtschreiber. Meine Herren — ich muß Ihnen 
' ganz offen bekennen, daß ich bei dieser Frage so meine be 
sonderen Ansichten habe; — das ist richtig, einem ordent 
lichen Arzte gebe ich allemal den Vorzug vor einem Quack 
salber oder auch^ vor einem sogen. Naturarzte — man ist 
das sich und dem Arzte schuldig; die Aerzte haben einmal 
die Sache studirt — die Körpereinrichtungen und die Krank 
heiten und was dagegen hilft; das ist richtig, und mir und 
I keinem ordentlichen und gewissenhaften Menschen, namentlich 
keinem Familienvater wird's einfallen, beim Beginn einer 
Krankheit sich an Jemand anders zu wenden, als an einen 
ordentlichen Arzt — aber hat man jahrelang umsonst medi- 
cinirt —- ich will hier gar nicht vor den Kosten der Apotheke 
und des Arztes sprechen — ich meine nur, hat man erst die 
sen, dann jenen ordentlichen Arzt gehabt und erst dieses, dann 
jenes Mittel gebraucht, ist aus dem einen Bade in das andere 
geschickt worden und 's hat doch Alles nichts geholfen — ei, 
dann kriegt man's dicke, und kein vernünftiger Mensch kann's 
einem verdenken, wenn man's dann auch mal anderswo, als 
bei einem ordentlichen Arzte versucht, — 's giebt doch da 
merkwürdige Fälle — 
Medicinalrath. — Sie scheinen also doch nicht ganz 
unbHingt gegen die Naturärzte und Quacksalberen sein — ? 
Stadtschreiber. Das heißt — ich halte an der 
Stange, so lange es geht — aber 
G. Augustin. Wenn sie sich als morsch erweist, lassen 
Sie die Stange los und gehen selbstständig. Merkwürdig 
doch, daß der Mensch nicht gleich von Anfang herein unter 
sucht, ob die Stange überhaupt noch gesund ist, oder nicht! 
Stadtschreiber. Ja, wenn man vornweg so gescheidt 
wäre, als hinterdrein! 
G. Augustin. Aber dafür haben Sie doch die Erfah 
rungen, das Gescheidtgewordensein eben der Anderen — in 
den merkwürdigen Fällen. 
Medicinalrath und C. Augustin. Ach, das gehört 
wieder nicht hieher! 
Pastor. Sind Sie fertig? 
Stadtschreiber. Nun, ich wollte nur noch ein Wort 
sagen: nämlich wenn ich auch mal in die Lage käme, anderswo 
einen Versuch zu machen -— das trifft nicht ein, was der 
Herr Augustin jun sagte — das sind eben merkwürdige, sel 
tene, selbst wunderbare Fälle; auf die darf man sich für ein 
andermal nicht verlassen. Ich wenigstens — und das wollte 
ich eben noch als Schluß gesagt haben — ich würde, auch 
wenn mir in einem Falle, wo keine Medicin-Arzt und keine 
Arznei half und ich also anderswohin gehen mußte — ich 
würde doch bei einem anderen, neuen Falle wieder bei meinem 
Doctor anfangen, darauf können Sie sich verlassen, meine 
Herren, und meine Meinung geht daher dahin, daß allemal 
erst der Medicin-Doctor und nur im äußersten Nothfälle —> 
Pastor. Nun, das kann ich für meine Abmahnung 
wohl schwerlich benutzen, meinen Sie nicht — meine Herren? 
Medicinalrath. Gewiß nicht; ich muß mich überhaupt 
über Ihre Ansichten, Herr Stadtschreiber, sehr wundern ; Sie 
sind auf einem gefährlichen Wege. 
G. Augustin. Wenigstens gewiß auf einem bedauer 
lichen — wenn er auch der der großen Menge sein mag, 
die in neun Fällen Erfahrungen macht, welche sie dann beim 
zehnten doch nicht benutzt — s 0 hängt sie an der Gewohn 
heit des Sichbevormundenlassens! -- so scheut sie sich, ihre 
Denkkraft selbst zu gebrauchen und dadurch von sich und An 
deren Schaden.abzuwenden! 
Pastor. Herr Cassirer — wollten Sie nicht jetzt? — 
Drümer. Nun, ich kann mich kurz fassen. Ich will 
erstlich auch was seh'n für's Geld, das mich der Arzt in der 
Krankheit kostet; deshalb mag ich nichts wissen von einem 
solchen Doctor, der sich's leicht macht und nur mit Wasser 
tractirt. Dann denke ich, wenn etwa dieser vr. Helfer einem 
alles Bischen Spaß Abends, nach des Tages Last und Mühe, 
d h. eine gemüthliche Pfeife oder Cigarre bei einem Glase Bier 
und auch wohl bei einem Spielchen, verbieten will und dann 
gleich über vieles gutes Essen und Leben überhaupt loszieht, 
wenn mau mal Sonntags seinen Schweinebraten ißt mit ein 
Paar Löffel Salat dazu — ich meine Gurkensalat tüchtig
	        
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