Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Überschläge, Fett, Wärme, Reibungen und Druck, bestimmte 
Bewegungen rc., speciell aber: 1) frisch ausgelassener 
Rinds- und Hammeltalg, 2) der heiße Wassertrank, 3) äußere 
große Wärme, 4) Ueberziehjäckchen, wollene Strümpfe und 
Bauchbinde, 5) der Respirator von Jeffreh, 6) die Klystier- 
spritze, 7) des Menschen Lebens- und Gesundheitspumpe. (?!) 
Hätte Bock, in einer Anwandlung demokritischer Laune, 
die Prießnitz-Schroth'sche Methode nicht blos in ihren Extra 
vaganzen gezeichnet, sondern dem guten Kern derselben Rech 
nung getragen und nicht vielmehr das Kind mit dem Bade 
ausgeschüttet, so verlohnte sich die Frage: „Handeln wir 
nicht noch viel rationeller, als er? Denn gegen seine 
heißen Waschungen und seine Verpuppung in Wolljäckchen re. 
ließe sich auch was hinausgeben, was ihm nicht gefiele, aber 
doch wahr ist. Aber so müssen wir auch ihn zu denjenigen 
Beurtheilern der reinen Naturheilmethoden rechnen, welchen ein 
tieferes Eingedrungensein in den Geist namentlich der Prieß- 
nitz-Schroth'schen Kur noch völlig abgeht — und mit solchen 
ist eine Erörterung des für und wider ganz nutzlos*). 
Zur Frage: 
Mineralbad oder Naturheilanstalt? 
Von Dr, Keil, früher in Naumburg, d. Z. Dirigent der 
Wasserheilanstalt Centnerbrunn in Preuß. Schlesien. 
Die jetzige bedeutende Frequenz der Bäder und klimati 
schen Kurorte bietet den erfreulichen Beweis, daß sich die 
Menschen, um ihre Gesundheit zu erhalten und die verlorene 
wieder zu gewinnen, mehr der Natur hingeben, als früher, 
sei es auch nur, um in ländlicher Zurückgezogenheit für einige 
Zeit Erholung zu finden von dem Treiben des Geschäfts- und 
Gesellschaftslebens, um statt der Lust der Comptoirs, Bureaux 
und Salons einmal im Jahre frische Landlust einzuathmen. 
Auch das Letztere ist für Viele ein erheblicher Gewinn. Denn 
schon das Zusammensein der Menschen in größeren Städten 
wirkt durch die unendliche Menge dadurch entstehender Schäd 
lichkeiten übel ein. Hierzu kommt die Spannung der Seelen 
kräfte, welche das moderne Geschäftsleben in erhöhtem Maße 
erfordert, sowie die Umdüsterung des Gemüthes, die nicht sel 
ten damit verbunden ist. Solche Mißverhältnisse auszuglei 
chen, dient ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in Berg und 
Wald, wo „Apoll aus frischen, klaren Quellen beut Trank 
des Genius uns", wo man entfernt von Sorgen in einfacher 
Stille lebt, um Frohsinn, Zufriedenheit, Sinn für Einfachheit 
und verjüngte Kraft nach Hause zurückzubringen. 
Wenn nun auch noch im Allgemeinen den Mineralwässern der 
Vorzug zu Brunnen- und Badekuren gegeben wird und wenn 
dieselben in vielen Fällen für das Gelingen der Kur wirklich 
nicht niedrig anzuschlagen sind (?), so ist doch nicht zu läugnen, 
daß die Vorzüge der eigentlich sogenannten Mineralwässer 
sehr bedingte sind, daß in einer großen Zahl von Fällen das 
*) Amu. d Red. Wir bedauern, daß der Hr. Vers, auf diese 
Erörterungen verzichtet hat, und wiederholen daher unserer Seits, daß 
wir es als eine Pflicht erachten, die Bock'schen Auffassungen und 
. Expectorationen, soweit uns damit der Menschheit mehr geschadet, als 
genützt erscheint, demnächst unter einer besonderen Rubrik: ^.ntidooLiava 
zur ausführlicheren Besprechung zu bringen. 
selbe Resultat durch einfaches Wasser erzielt werden kann, 
daß Letzteres sogar häufig genug den Vorzug verdient, wenn 
man an die oft beschwerlichen, um nicht zu sagen nachtheili 
gen, Nebenwirkungen der Mineralwässer denkt. Aber man 
ist einmal an die Vorstellung der absonderlichen Wirkung mi 
neralischer Stoffe im Wasser gewöhnt. Angesichts der Resul 
tate jedoch, welche der kurmäßige Gebrauch eines einfachen, 
reinen Wassers ergiebt, müssen die mineralischen Wasser hin 
sichtlich ihrer Wirksamkeit in den Hintergrund gestellt werden. 
Einsichtsvolle Brunnenärzte stimmen auch hiermit überein, 
wenn sie auch die Empfehlung ihrer Quellen mit der chemi 
schen Analyse derselben beginnen, den Salzgehalt nach Hun 
dertel und Tausentel Gran berechnen und glücklich scheinen, 
große Zahlen und eine lange Reihe der aufgefundenen Be 
standtheile aufweisen zu können. Mit diesen Zahlen des 
Glaubersalzes, Kochsalzes, des kohlensauren Natrons, des 
Eisens rc. werden Augen und Sinn geblendet, während es 
vielleicht besser wäre, in den einzelnen Rubriken der Salze 
nur Nullen anführen zu können. Denn das ist doch wohl 
das beste Wasser, welches als das verhältnißmäßig reinste sich 
erweist, wobei die Wirksamkeit der Salze in gewissen Fällen 
niemals in Abrede gestellt werden soll. Jedermann kennt das 
hochberühmte, an mineralischen Stoffen so arme und dennoch 
so wirksame Wasser zu Gastein. Man hat sich viel den Kopf 
zerbrochen, worin seine Wirksamkeit eigentlich liege, ist sogar 
auf die Elektricität gefallen, welche dem Wasser innewohnen 
soll, da nun einmal der „Brunnengeist" in's Fabelbuch ge 
schrieben ist. Uns will es bedünken, daß gerade in der 
Reinheit des Wassers, neben seiner hohen Temperatur, seine 
Wirksamkeit begründet liegt. 
Es ist hier nicht der Ort, auf einen Vergleich der Wirk 
samkeit der Mineralwässer und des reinen, gemeinen Wassers 
einzugehen; das hieße, nach so vielen hierauf bezüglichen po 
pulären Schriften, etwas sehr Überflüssiges thun.. 
Der Genuß einer reinen, gesunden Luft ist bei Brunnen- 
und Badekuren jedenfalls ein nicht minder wichtiger Umstand, 
als das Baden und Trinken selbst. Bei allen dergleichen 
Kuren ist Veränderung der Luft, Verlassen der alten Ge 
wohnheiten, des Geschäftes, viel Aufenthalt im Freien,, in 
Wäldern und Bergen, zweckmäßige Diät und noch andere 
scheinbare Nebendinge, eine Hauptsache. Durch diese allein 
wird in den meisten Fällen die Kur ausgeführt. Deshalb 
ist es auch durchaus nicht gleichgültig, wo sich Jemand.der 
Kur unterwirft. Gebirgige Gegenden werden in der Regel, 
und mit Recht, der Ebene vorgezogen, wegen ihrer reineren 
Luft, obgleich manchen Kranken die Luft der Ebenen mehr 
zuzusagen scheint. Vorzüglich nützlich ist die Lust der Gehirge 
bei Gichtanlage, Blutanfüllungen in den Unterleibsorganen, 
der Leber, der Milz, der Gebärmutter, bei Fettbildung, Blut 
mangel, Hypochondrie rc. Derartige Kranke passen in's Gebirge, 
wo sie überdies veranlaßt werden, sich gehörige Körperbewegung 
durch Bergsteigen zu machen und die ihnen zusagende Luft 
mit vollen Zügen einzuathmen, Ist eine Berggegend aber 
durch Bergwände und Wälder vor den Einflüssen kalter Luft 
züge, der Nord- und Ostwinde, geschützt; liegt sie sonnig, ist 
ihr Klima mild, so sagt sie auch Kranken mit schwachen Ath- 
mungsorganen zu, die sonst im Allgemeinen nicht in's Gebirge 
passen, ja dann erscheinen solche Gegenden für derartige 
Kranke ganz besonders geeignet. 
Luft und Sonne sind die vorzüglich belebenden Elemente, 
und wo diese in geeignetem Grade auf den Körper einzuwir 
ken vermögen, da kann man sicher sein, daß eine Kur gelin-
	        
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