Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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in den verschiedenen Theilen noch genauer, als geschehen, ebenso 
der Hautbeschaffenheit an den in der Regel bedeckt getragenen 
Körpertheilen u. s. w. Erwähnung gethan werden. Sehr 
nützlich würde die Einsendung einer Photographie in diesem 
Falle, wie sehr häufig, gewesen sein. 
Nach alledem vermögen wir heute nur Vermuthungen 
aufzustellen und demgemäße eventuelle Rathschläge zu ertheilen.. 
Wenn man nämlich Ihren Aeußerungen nach allenfalls an 
nehmen darf, daß das betr. Mädchen schon von ihrer Kind 
heit an sich scrophulös gezeigt, daß aber die von Haus aus 
doch wahrscheinlich kräftige Körpernatur öfter in Fiebern und 
örtlichen Entzündungszuständen sich von den sie belästigenden 
Krankheitsstoffen freizumachen, sie auszuscheiden bemüht gewe 
sen ist, so liegt die Vermuthung nahe, daß durch die allo 
pathische Behandlung, bei Unterdrückung der Fieber- und Ent 
zündungs-Krankheiten - mögen sie als sogen. Kinder- (Haut-) 
Krankheiten, als gastrische und gastrisch-nervöse Zustände oder 
sonstwie aufgetreten sein — namentlich durch die starken Blut 
entziehungen, die äußere Körperhaut, dieses wichtigste 
Ausscheidungs- und Einathmungs-Organ, nach und nach (oder 
auch auf einmal bei dem sich quantitativ am meisten auszeich 
nenden Aderlaß) ihrer Functions-Befähigung beraubt und ein 
innerer Congestionszustand, eine Ueberfüllung, namentlich der 
Lungen und des Herzens, aber auch des Unterleibsgefäßsystems 
mit Blut begründet worden ist, unter dessen Fortdauer und 
da die Lungen nunmehr allein die stete, nöthige Reinigung 
des Blutes nicht mehr erfüllen konnten, die Beschaffenheit der 
ganzen Blutmasse sich mehr und mehr verschlechtert und zu 
Zersetzungen resp. Fäulnißproducten geführt hat, welche wahr 
scheinlich ebenso die Verdauungs-, als auch und besonders die 
Lungen angegriffen haben. Die psychischen Zustände Ihrer 
Patientin, eben so wie die Erscheinungen von abgegrenztem 
Roth und Weiß im Gesicht deuten ziemlich übereinstimmend und 
sicher darauf hin. Vielleicht, daß es noch Zeit ist, dem 
gefahrvollen Darniederliegen der Hautthätigkeit — was das 
Erste sein müßte — abzuhelfen; nur wenn die Haut ihre 
Bestimmung bald wieder erfüllen lernt, ist ein Stillstand in 
dem bgonnenen Zerstörungsprocesse des Körpers zu ermög 
lichen und zu hoffen; ist aber dieser Stillstand erreicht, so 
ist auch Hoffnung auf Wiedererhebung der Körperkraft, wenn 
auch vielleicht erst nach Monaten oder selbst erst in Jahr und 
Tag; denn, mit dieser offenbar gewordenen allgemeinen Kraft 
rückkehr ist die Zeit eingetreten, wo vorsichtig eine Auflösungs 
und Ausscheidungskur für den belasteten Körper angebahnt 
und nach und nach durchgeführt werden kann. — Hätten Sie 
das, nach dem Obigen erforderte Krankheitsbild genauer ge 
geben, so könnten wir Ihnen allenfalls jetzt schon sagen, ob 
für dieses Jahr, diesen Sommer noch, Aussicht zum Beginn 
jener Ausscheidungskur sei. So vermögen wir Ihnen aber 
heute nur anzurathen, vor Allem und schleunigst auf allmälige 
Belebung der Haut durch erst ganz milde Handwaschungen 
— anfänglich blos Abends bei Bettgehen, dann, nach 8—14 
Tagen, auch früh beim Aufstehen hinzuwirken. Das Schla 
fen müßte aufhören, auf und unter Federbetten zu geschehen; 
das Mädchen hätte sich vielmehr an Matratze und bloßes Zu 
decken durch mehrfache Decken zu gewöhnen, wenn auch nicht 
auf einmal, sondern stufenweise so, daß sie z B. zuerst auf 
das Unterbett dickere, doppelte oder 2 fache Leintücher, dann 
unter diese eine Steppdecke bringt und endlich das Unterbett 
ganz wegzieht und auf Decken rc. liegt, welche schließlich 
auch weichen und der Matratze (aus Haaren, Seegras oder 
Stroh re.) Platz machen. Und ebenso verfahre sie mit dem 
Deckbett, welches zunächst durch eine Steppdecke von der un 
mittelbaren Leibberührung abgehalten und nach und nach durch 
Decken ganz verdrängt würde. Die Waschungen des Körpers 
— Abends anfänglich mit ca. 20" und früh mit 18 °, später 
herabgehend allmälig aus 16 0 und 12° —- erleichtern 
dieses Entwöhnen von den so nachtheiligen Federbetten außer 
ordentlich. Auf die Frühwaschung, sobald sie beginnt — und 
es könnte dies in 14 Tagen bis 3 Wochen versucht werden 
— muß Spaziergang von mehr und mehr Länge folgen, der 
gestalt, daß wenn mit 18° früh begonnen wird, doch eine 
halbe Stunde wenigstens und wenn bis 12° innerhalb etwa 
14 Tagen bis 3 Wochen herabgegangen ist, mindestens 1 bis 
H Stunde promenirt, dabei, resp. beim Ausgang, etwas gu 
tes frisches Wasser — auch nach und nach etwas mehr — 
getrunken und dann erst gefrühstückt wird. So lange die 
Frühwaschungen noch fehlen, muß wenigstens eine Trockenab 
reibung mit Flanell beim Bettverlassen eintreten. 
T)ie Nahrung sei die mäßigste, kühlste, reizloseste 
sowohl beim Frühstück, als Mittagessen und Abendbrod. Be 
wegung muß auch den Tag über noch 2 -3 Mal, dem Kraft- 
zustand angemessen, in freier Luft gemacht werden, darauf aber 
allemal Ruhe im Liegen eintreten (resp. nachdem die Strümpfe 
gewechselt und die Füße in Filzschuh oder ähnliche wärmere 
Bekleidung gebracht sind. Abwechselung zwischen Ruhe 
und Bewegung — wenn auch letztere nach und nach aus 
zudehnen versucht werden muß — ist ein Haupterforderniß 
für Patientin und gut wird es sein, wenn sie ihre vorsichtig 
immer ausgedehnteren Bewegungsversuche auf Bergwegen 
macht, ohne sich dabei zu erhitzen. Ihre Kleidung muß dabei 
nicht zu warm sein, vielmehr ebenfalls nach und nach entspre 
chend leichter werden; Luft, wenn sie gehörig an den Kör 
per, bei dessen Bewegung, herantreten kann, stärkt die Haut 
ebenfalls in außerordentlicher Weise, und es muß oder kann 
oft mit großem Nutzen eine solche Luftkur vorangehen, ehe 
man mit den Waschungen den Ansang macht. Zimmergym- 
naftik, Gartenarbeiten und dergl. werden für Patientin, wenn 
sie in der Zunahme der Körperkraft etwas vorgeschritten, herr 
liche Unterstützungsmittel darbieten; aber für jetzt werden diese 
Formen zu stark sein, wenigstens müssen sie eben sehr mit 
Berücksichtigung angestellt werden. Weiter können und mö 
gen wir Ihnen vorsetzt nichts rathen; aber wenn Sie nach 
einigen Wochen Spuren des Sichhebens der Lebenskraft wahr- 
nemen, dann theilen Sie uns, unter Hinzufügung des oben 
Vermißten, dies mit, und wir werden diesfalls im Stande 
sein, Ihnen Rathschläge an die Hand zu geben, welche die 
gütige und weise Einrichtung des Menschenkörpers Ihren dor 
tigen, dieser Einsicht, wie es scheint, noch sehr entbehrenden 
Umgebungen hoffentlich bald zur hellen Erkenntniß bringen 
würden. Weisen Sie Ihre Patientin aber schon jetzt darauf 
hin, daß sie ihr irdisches Dasein nicht als ein Ohngefähr zu 
betrachten habe, sondern daß dasselbe ihr Pflichten auflege, die 
der geistigen Entwickelung, aber auch die der körperlichen, 
ohne welche die erstere nicht zu erreichen. Bei jeder chroni 
schen Krankheitskur ist das moralische Element ein ebenso 
wichtiges für die Heilnng, als das physisch-technische; leider 
wird es aber meist noch sehr von den Aerzten, auch den An- 
staltsdirectoren, außer Spiel gelassen! 
2. Herrn I. C. in Lbrg. Wenn Sie Sitzbäder gegen 
Schwindel anwenden wollen, so werden Ihnen kurzdauernde, 
kältere, also von 10—15 Minuten Dauer und 13—14° R.
	        
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