Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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rathung wichtig erscheinen mußte, namentlich betreffs der Farbe 
und sonstigen Beschaffenheit Ihrer Haut, Ihres Urins, sowie 
der Temperatur in den Füßen und im Kopfe re., so glauben wir 
doch, daß Ihr scheinbares sog. catarrhalisches Allgemeinleiden die 
Folge von Blutstockungen in dem Venen-Gefäßsystem ist, wel 
ches der Leberthätigkeit als Unterlage dient. Sitzende Le 
bensweise bei gleichzeitiger reichlicher Ernährung, unter Hinzu 
tritt innerer Reize, (als welche der Alkohol und der Gerbstoff 
des bayrischen Bieres resp. Weines, wie das Cigarrenrau 
chen re. anzusehen sind), begründen sehr häufig Zustände der 
Art, wie der hei Ihnen hervortretende sich darstellt. Das 
uebel mußte sich aber steigern und zu einer vorzugsweisen Be 
lästigung aller Schleimhäute sich gestalten, je weniger die 
äußere Körperhaut, für ihr? Functionen kräftig erhalten, 
ja in dieser ihrer Befähigung direct benachtheiligt wurde, wie 
es bei Ihnen wahrscheinlich durch Ihre frühere Lebensweise 
und zuletzt durch den Gebrauch der warmen Soolbäder in 
Kissingen geschehen ist. Sie brachten jedenfalls nach letzterem 
Orte schon em wenig gepflegtes (ein nicht durch leichte Klei 
dung und kühle Waschungen kräftig erhaltenes) Hautsystem 
mjt und würden daher vermuthlich selbst von einem Seebade 
(kaltem Salzbade) keine sehr große Wirkung gehabt haben, 
weil eine schwache Haut nicht durch starke Reize, sondern nur 
unter allmäliger, stufenweiser Hebung ihres Nerven- und Blut 
zustandes regenerirt werden kann; noch viel nachtheiliger aber 
als kalte Seebäder mußte Ihnen, wenn Sie schon von schwa 
chem Hautsystem waren, der Gebrauch warmer Soolbäder 
werden; denn Wärme erschlafft, und zwar künstliche noch mehr, 
als natürliche. Dazu kam die innere Anwendung des Ra- 
koezy. Durch dieses neben seinem starken Chlornatrium-Ge 
halt auch ziemlich eisen- und jodhaltige Mineral.vasser konnte 
wohl die Magenschleimhaut mechanisch auf einige Zeit von ihrer 
Verschleimung befreit und daher die Säurebildung im Magen 
mehr oder weniger lange beseitigt werden; aber zu heben 
war der Grund dieser Säurebildung und Verschleimung durch 
das Mineralwassertrinken gewiß keineswegs; noch einige Mo 
nate, und Sie werden sich viel mehr als früher davon belä 
stigt fühlen — die Vorboten davon find schon da, in dem 
fortwährenden magenkrampfähnlichen Zustande und der schein 
baren Eongestionsbefreiung der Darmhaut. 
Wir müssen daher Ihren Entschluß, sich einer naturärzt 
lichen Behandlung zuzuwenden, für sehr an der Zeit erklä 
ren, Sie aber auch darauf aufmerksam machen, daß Sie schwer 
lich in einem Sommer (sammt Einleilungsbehandlung) wie 
der gut machen können, was innerhalb Jahren sich begründet 
hat und durch die Kissinger Soole sicher eher verschlimmert, 
als gebessert worden ist. — Zunächst haben wir an Ihrer 
jetzigen Lebensweise auszusetzen, was davon im letzten Satze 
Ihrer Zuschrift bemerkt. Sodawasser, Wein und Cigarren 
hätten unbedingt wegzufallen schon für die Zeit einer jetzigen 
Einleitung der für später beabsichtigten Kur und die Nach 
theile der sitzenden Lebensweise müßten möglichst paralysirt 
werden durch nach und nach steigende Bewegung sowohl im 
Spazierengehen, als in zimmerghmnastischer Uebung Dann 
haben Sie in Ihrer Vorkur vor Allem auch die Hebung der 
Hautfunction anzustreben und Sie werden dies erreichen, wenn 
Sie anfangen, den Körper mehr an Wasser und Lust zu ge 
wöhnen, als bisher der Fall gewesen sein mag. Die dies- 
fallsigen nöthigen totalen Waschungen beginnen Sie mit Was 
ser, welches frisch geholt ist und durch Zuthat von warmem 
auf 18—20 Grad temperirt wird; die Zeit dieser Waschum 
gen sei jetzt die unmittelbar vor Bettgehen; morgendliche Wa 
schungen haben sich anzureihen, sobald Sie darnach sich Be 
wegung, (am besten im Freien, durch einen ca. 1 ständigen 
Spaziergang) machen können, wozu die Tageszunahme mehr 
und mehr Gelegenheit bietet; bis dahin versäumen Sie we? 
nigstens nicht, sich jeden Morgen beim Aufstehen am ganzen 
Körper mittels eines Flanells oder dergl. trocken abzureiben; 
wenn Sie auf die Früh-Waschungen übergehen, werden sel 
bige anfänglich um 2, später um 5 Grad kühler ausgeführt, 
als die des Abends. Die Waschungen machen Sie einfach 
mit den Händen, im warmen Zimmer. Mit dem Anfang der 
Waschungen (zunächst des Abends) führen Sie die Gewohn 
heit bei sich ein, auf Matratze zu schlafen und auf den Leib 
eine Steppdecke oder dergl. vor Aufdecken eines Federbettes 
zu legen; nach und nach aber müssen Sie trachten, die Fe 
derbetten überhaupt ganz mit Decken zu vertauschen. 
Auch Ihre Kleidung muß allmälig leichter werden, namentlich 
beim Gehen, wo Sie durch schnellere Bewegung das überkom 
mende Frösteln stets leichter werden bewältigen können. Beim 
Sitzen dagegen ist Frostgefühl durch wärmere Bekleidung 
(namentlich an den Füßen) — nicht durch größere Ofenhitze, 
welche 16 0 R. nicht übersteigen soll — zu bannen. Eignen 
Sie sich die Gewohnheit an, nach jedem irgend längeren Gang, 
auf welchen Sie in's Sitzen übergehen, die Strümpfe zu wech 
seln und Fußwärme im Sitzen jedenfalls (durch, da nöthig, 
doppelte Strümpfe oder dergl.) zu erzielen. Die Lavements 
wollen Sie nicht blos nach momentanem Bedürfniß gebrauchen, 
sondern jetzt zu den stehenden Formen Ihrer Lebensweise ma 
chen, aber in der Act, daß Sie laue Klystiere (von 16 — ItzO) 
nur zur Erzielung offenen Leibes, im Uebrigen aber- nur 
kühle dergl. von 12—14", in halben Portionen 3 Mal 
des Tages --- und jedenfalls einmal unmittelbar nach ge- 
gehabter Oeffnung und einmal beim Bettgehen (vor der Wa? 
schung) anwenden. Das Wasser dazu ist stets frisch zu ho 
len und durch Zuthat von warmem zu temperrren. Reduci- 
ren Sie auch Ihre Genüsse, erstlich in jeder Hinsicht jetzt auf 
ein Minimum- dann auf kühle und überhaupt reizlose Form 
und Inhalt, versuchen Sie eine Zeit lang, erst allmälig, dann 
aller Fleischnahrung, wie des Rauchens, sich zu ent 
halten. 
Nach ungefähr 2 Monaten solcher Lebensweise sehen wir 
weiterer Benachrichtigung Ihrer Seits entgegen, und werden 
uns dann auf Ihren wiederholten Wunsch auch über die Wahl 
einer Naturheilanstalt äußern. Vorläufig machen wir Sie 
aber darauf aufmerksam, daß uns für Sie eine combini? 
rende Anstalt (sei es ursprünglich Schroth'scher oder Prieß- 
nitz'scher Form) die geeignetste erscheinen muß, weil es bei 
Ihnen starker, auflösender Einwirkungen durch die Haut, 
aber anderer Seits auch der fortwährenden Kräftigung der 
Haut selbst zur Befähigung der Erfüllung ihrer doppelten Auf 
gabe bedürfen wird. 
Nebenbei empfehlen wir Ihnen aber angelegentlich, sich 
mit den Grundsätzen der Naturheilmethode selbst gründlich be 
kannt zu machen und zu diesem Behufe eines der diesfallsigen 
zahlreich vorhandenen Werke sich anzuschaffen. 
Eine unserer nächsten Nummern wird, da die Kenntniß 
nahme von dieser Literatur sehr vielen in ähnlicher Lage sich 
Befindenden anzurathen ist, ein Verzeichniß (vervollständigter 
Art) von diesen Schriften bringen. 
Veräntw. Redakteur und Verleger: Dr. M e i ner t. ~ ' Druck von Liep sch & Reichardt iit Dresden. 
Hierzu eine artistische Beilage: die Wasserheilanstalt Schweizermühle in der sächsischen Schweiz.
	        
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