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4 Meilen von Dresoen und ca. 12 Meilen von Prag —
das sächsische Städtchen Königstein, bekannt durch die unmit
telbar hinter ihm, auf einem zu den Bergen der sog. säch
sischen Schweiz gehörigen Felskegel thronenden Festung glei
chen Namens. Das Städtchen ist Eisenbahn-Stationsort und
Verkehren zwischen ihm und Dresden Sommers 5-6 mal täg
lich Personenzüge; in der Richtung von Prag dagegen konnte
man bisher leider täglich nur 2mal, einmal bei Tag und
einmal bei Nacht, wie überhaupt nach Dresden, so auch nach
Königstein gelangen — ein Uebelstand, der hoffentlich in die
sem Jahre aufhören wird, da er ebensowohl den Besuch der
sächsischen Städte für die aus Oesterreich kommenden Reisen
den, als namentlich auch die Interessen von Teplitz beeinträch
tigt , welches unter seinen Gästen Wohl den überwiegenden
Theil aus Norddeutschland erhält. Königstein ist nun
ebensowohl für die Besucher der (gegen Vorzeigung von Paß
oder Paßkarte und Erlegung von 2 Thlrn. für 1 — 6 Per
sonen sichtbaren) Festung Königstein als für alle nach den
beiden Wasserheilanstalten Schweizermühle und Königs
brunn gehende Badegäste Anhaltepunkt; erstere Anstalt
liegt ca. 3 Stunden Wegs, letztere ca. 1 kleine Stunde von
da entfernt, beide in ein und demselben Thale, und der Weg
nach der Schweizermühle führt bei Königsbrunn vorüber.
Man kann zwar nach der Schweizermühle auch von Pirna
aus gelangen, einem sächsischen Städtchen, welches die erste
Eisenbahn-Station von Dresden aus bildet, und ehedem gab
es von hier aus in der That eine regelmäßige Postverbindung
Mit der Anstalt. Aber die Wagenfahrt < und natürlich auch
der Fußweg) ist länger, beschwerlicher (weil über Berge und
auf Bergrücken dahinführrnd) und selbst — im Ganzen we
nigstens — minder schön, als die von Königstein aus, im
Thald entlang; es wird daher die Route von Pirna nach
der Schweizermühle selbst von den über Dresden Reisenden
nur äußerst selten noch benutzt, und für die von Prag Kom
menden würde sie überdies einett bedeutenden Umweg darstel
len. Von König stein aus fährt man nach der Schweizer
mühle in kurzen 2 Stunden, nach Königsbrunn in | Stunde;
Fuhrwerk ist daselbst wohl meistens zu bekommen; aber will
man, ohne Aufenthalt auf dem Bahnhöfe oder im Städtchen,
sofort den Weg nach einer der beiden Anstalten per Fuhre
fortsetzen, so thut man wohl, dem betr. Anstaltsbesitzer vorher
die Zeit der Ankunft auf dem Bahnhöfe Königstein wissen zu
lassen, und kann dann sicher auf bereitstehende Wagen, ent
weder von der Anstalt selbst, oder von einem Lohnkutscher
rechnen; ein zweispänniger Wagen, zur bloßen Hinfahrt, wird,
unseres Wissens, nach der Schweizermühle mit Thaler,
nach Königsbrunn mit 1 —14 Thaler berechnet.
Das Thal, in welchem man nach beiden Anstalten hin
feinen Weg nimmt, ist, namentlich bis Königsbrunn, ziemlich
mannigfaltig, bald lieblich, bald grotesk, durchweg aber auf
dieser Strecke industriös lebhaft, indem sehr viele Mühlen, na
mentlich Bretschneidemühlen, aber auch Bleichen, Papier- und
andere Fabriken sich hier an dem das Thal herabkommenden,
sich stets eines reichlichen Wasserstandes erfreuenden Bila-
Flüßchen mit ihrer Thätigkeit angesiedelt haben. Zeitweise
zieht sich auf dieser Strecke der Weg dicht am Fuße des Fe
stungs-Felsens hin und wird sowohl durch diesen Anblick, als
durch die Abwechselung zwischen Wasser und Fels, aufsteigen
den schönen Wiesenmatten und dunklen Fichten-Waldungen
sehr romantisch.
Die Wasserheilanstalt Königsbrunn — nach der man
im Fall guten Wetters auch sehr füglich vom Bahnhöfe aus
zu Fuß gehen und sein Gepäck durch die verpflichteten Eisen
bahn-Koffer-Träger nachbringen lassen kann — lassen wir vor
der Hand zur Seite und verfolgen, um zuerst zur Beschrei
bung der „Schweizermühle" zu gelangenden Weg thalaufwärts,
immer dem Bila-Flüßchen entgegen und zur Seite. Das Thal
verliert nun eine Zeit lang an seiner bisherigen Mannigfal
tigkeit und Unterhaltung für Auge und Ohr, sobald wir aber
die eigentliche Berg- und Waldschlucht hinter uns haben und
das erste Dorf erreichen, beginnt er wieder äußerst abwechselnd
zu werden. Bei leidlicher Witterung kann von hier an, wer ir
gend gut zu Fuße, den Wagen verlassen, um diesen eine nicht
unbedeutende Bergsteigung allein machen zu lassen; der Fuß
gänger, den Pfad am Flüßchen entlang fortnehmend, kann so
den Berg ganz vermeiden und zugleich eine reizende Aussichts-
parthie durch das Thal weiter aufwärts machen. Oberhalb,
am eigentlichen Eingänge des felsigen Bila-Thales trifft er
dann mit dem Wagen wieder zusammen und mag den letzten
Theil der Route, der wieder ziemlich eben, im Wagen zurück
legen und von diesem aus in körperlicher Ruhe und so in doppelt
angenehmer Weise des nun beginnenden überraschenden Blickes auf
die nicht zu hohen, aber merkwürdig gelagerten und theilweise wirk
lich äußerst intereffant gruppirten Sandstein-Felsmassen sich
freuen, welche bekanntlich diesen Theil des Bila-Thales an seinen
beiden Seiten auszeichnen. Das Thal ist hier weit genug,
um auch freundlichen Wiesen zu beiden Seiten des Baches
Platz zu lassen; Gebäude, zum Theil sehr eleganter Art, fan
gen an, das Auge ebenfalls angenehm zu überraschen, und
mehr und mehr an Zahl zunehmend, lassen sie uns erkennen,
daß wir am Ziele sind.
2.
Oertlichkeit der Wasserheilanstalt Schwcizermühle,
Auf der beiliegenden Ansicht haben wir uns zwar be
müht, ein Bild von der Oertlichkeit genannter Anstalt, von
ihrer Lage in dem interessanten Felsenkessel, der sich nach der
einen Seite in liebliche Wiesenflächen öffnet, zu geben; aber
wir müssen bekennen, daß unsere Absicht nicht halb erreicht
ist und daß man sich nach dem vorliegenden Bilde doch kein
eigentliches Bild von den Lagenverhältnissen der Schweizer-
mühle machen kann. Auch die Gebäude der Anstalt selbst,
welche übrigens sehr einfach-ländlich sind, lassen sich nicht recht
gm übersehen; ihre Stellung ist zwar an und für sich und
von Haus aus keine sonderlich gut gewählte und keineswegs
malerisch, aber doch gruppiren sie sich in der Wirklichkeit bes
ser und gemüthlicher, als auf dem Bilde.
Die Anstalt verdankt ihr Entstehen zu Ende. der Zstgcr
Jahre einem Vorbesitzer der Mühle, welche noch heutigen Ta
ges ihr Geschäft daselbst treibt, aber leider nicht zu der An
stalt gehört. Dieser Mühlenbesitzer, ein wahrhaft „weiset"
Mann, hat sich mit der Begründung der Schweizermühle ein
ebenso großes Verdienst um die Gegend, ja um ganz Sachsen
erworben, als seiner Zeit Prießnitz mit der Eröffnung von
Gräfenberg um die Menschheit überhaupt. Zwar selbst nicht
Naturarzt, aber bekannt mit den Grundsätzen der Wasserkur
und ermuthigt durch einige verständige Aerzte der Nachbar
schaft, schritt er zu einem Werke, welches, trotz mancherlei ört
licher Mängel, den Sachsen zuerst einen thatsächlichen Beweis
von der Wichtigkeit' der neuen Heillehre vermittelte. Der
Name des einsam gelegenen Thales wurde von da an bald
bekannt und der Tourist, der sächsischen Schweiz wollte sich