Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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zelne geben, welche die Kraft so sehr fürchten, die aus dem 
Bestreben resulürt, die physischen und geistigen Mittel des 
Menschen zu heben, so möge man andererseits auch die Lei 
stungsfähigkeit kranker, roher und dummer Menschen näher 
in's Auge fassen. Bei ihnen findet man ja überall ein fei 
ges, furchtsames, abergläubisches, knechtisches und unbeholfenes 
Wesen, Elend und Jammer in größter Ausdehnung. Einen 
herrlichen Beleg hierzu liefern die letzten Kriege in Ostindien 
und China re., wo eine geringe Anzahl Europäer Millionen 
Eingeborene besiegten und noch heute im Zaume halten. 
Bildung und Aufklärung, Freiheit, Recht und Wahrheit, 
das ist die siegende Fahne, die der Genius der Menschheit 
hochhält; wer ihr folgt, bahnt den Weg zur unversiegbaren 
Quelle aller Macht, ist der beste Patriot und die mächtigste 
Stütze der Regierung, wenn es gilt, Unheil von dem Vater 
lande abzuwenden; er wird aber auch wahrer Mensch, wenn 
er sich bemüht, jenes Banner vor den Augen seiner Mitmen 
schen klar zu entfalten, und gleichzeitig die.. Strebepfeiler für 
Tapferkeit aufzurichten, deren Kräftigung im Heer- und Un- 
terrichtswesen offenbar dahin führen muß, daß der Tapfere 
weise und der Weise tapfer sei. 
Hierin erkennen wir die hohe Bedeutung der Vereine, 
daß deren Glieder sich nach überstandener Tagesarbeit öfter 
versammeln, um sich gegenseitig über die wichtigsten Bedürf 
nisse des Lebens zu unterhalten und zu belehren. Eine solche 
Feier der Abende erinnert uns an die Feierabende der alten 
Deutschen, die einst eine rechte Feier des Lebens darin fanden, 
daß sie beim Glase Meth, Eider oder Bier gemeinsam Herz 
und Geist erquickten. 
Wir kommen jetzt zu den einzelnen Gruppen des darzu 
stellenden Gesammtgemäldes, die sich in der Beantwortung 
folgender Fragen repräsentiren, als: 
/ Was rst Leben und Tod? 
Was ist Gesundheit und Krankheit? und 
Welches Heilverfahren gewährt die sichersten Resultate? 
Was ist Leben und Tod? 
Leben ist Bewegung, getragen von der Seele; es gehört 
zu der Kette des Seins und Werdens, die ihren Ausgangs 
punkt in der Urkraft hat. Betrachten wir den Kern, aus 
welcheyr sich das organische, fortpflanzungsfähige Leben ent 
wickelt, so finden wir die Zelle mit ihrem Kern — eine flüs 
sige Masse, die ihre Hülle oder ihren Körper aus sich selbst 
erzeugt —; wir sehen, wie sich Zelle an Zelle reiht, woher 
aber die Zeichen ihres Lebens — die Bewegung und die 
Kraft, zu den verschiedensten Gestaltungen — kommen, das 
ist und bleibt menschlichen Augen verborgen. Was wir sehen, 
ist der Körper. Die Seele ist, wie alles geistige Leben, zwar 
unsichtbar, wir erkennen sie aber an ihrer Kraftäußerung. 
Der Mensch steht offenbar auf der höchsten Stufe des 
Erdenlebens; sein Körper verlangtmach materieller, seine Seele 
nach geistiger Nahrung. Wie der Körper seinen Stoffwechsel 
durch Hunger und Durst kennzeichnet, so giebt die Seele ihren 
Stoffwechsel, d. h. das Bestreben nach Vervollkommnung, da 
durch kund, daß sie sich angezogen fühlt, ein höheres Wesen 
zu verehren, das unbegrenzte Erkennungs-Vermögen zu erwei 
tern, und in der Befriedigung dieser Bedürfnisse freudige und 
selige Empfindungen hat. Diese Bestrebungen unserer Seelen 
kräfte nennen wir das Jnftinktgesetz (im weitesten Sinnes 
Das Leben des Menschen ist demnach ein göttlicher 
Funke, der mit der Urkraft naturwüchsig ist, und trägt daher 
auch, wie diese, den Keim der Weisheit, Liebe, Zeugung und 
Entwickelung bis zur Vollkommenheit in sich. So hat der 
Schöpfer in den Boden menschlichen Lebens Wurzeln gelegt, 
die nur Gutes treiben, wenn sie, wie sich von selbst versteht, 
naturgemäß gepflegt werden. In welcher Weise dies geschieht, 
darauf werden wir später zurückkommen. 
Auf diesem Wege klärt und kräftigt sich das Instinkt- 
vermögen und der Ausspruch Fichte's: „Der Mensch ist nicht 
zum Sünder, sondern dazu geboren, um Wohlgefallen am 
Guten zu haben", wird zur Wahrheit, und was noch mehr: 
die ganze Menschheit wird den Geist des wahren Christen 
thums erfassen und als das Heiligthum ihres Lebens be 
wahren. 
Indem das Leben in der Entwickelung geistiger Kräfte 
unaufhaltsam fortschreitet, bewegt es sich in einem ewigen 
Kreisläufe, wie die göttliche Natur, die weder Anfang, noch 
Ende hat. Was wir Tod nennen, ist nur ein Wechsel der 
Form — der Uebergang von einem Leben zum andern. Das 
Seelenleben ist also das Reale, das Körperleben das Mittel 
zum Zweck. Körper und Seele sind im Hinblick auf die Ge 
setze der Natur bestimmt, gemeinsam aufzublühen, und wenn 
die Seele zur Reife gelangt ist, die äußere Hülle, den sich 
selbst erzeugten Körper, von sich zu werfen und sich mit ihrer 
Gedankenkraft in das Jenseits hinüberzuschwingen. 
Was ist Gesundheit und Krankheit? 
Das Leben in den organischen Wesen empfängt seine 
nährenden Kräfte an den Brüsten der Natur. Diese allein 
vermag uns den Lebenssaft zu mischen, der uns dauernde Ge 
sundheit und der Lebenskraft das ungeschwächte Bestreben 
sichert, durch Herstellung des Gleichgewichts der Elemente jede 
Störung, also auch Krankheit, fern zu halten. Hierin erken 
nen wir die unabänderlichen Gesetze der Natur, auf welche 
sich der Kreislauf alles Lebens in seiner ewigen Ordnung 
basirt. 
Gesundheit beruht sonach, wie auch die tüchtigsten Aerzte 
bekunden, auf der Harmonie der Elemente des Lebens und 
dem Gleichgewicht der festen und flüssigen Theile des Orga 
nismus Wo diese Zustände gestört werden, da erscheint Krank 
heit und ein früher Tod. 
Die Krankheiten kenntlich zu machen, scheint nicht so 
schwierig zu sein, da fast Jedermann sich dazu für befähigt 
hält. Dies ist aber sicherlich eine große Täuschung, denn viele 
Tausende von Menschen, selbst sonst sehr gebildete, ja sogar 
Aerzte, tragen den Keim oder schon die Blüthe einer über kurz 
oder lang tödtlichen Krankheit in sich und wähnen sich doch 
kerngesund. Gesundheit und Krankheit find freilich etwas 
sehr Verschiedenes, indessen oft sehr schwer von einander zu un 
terscheiden. Wir werden hierbei die Beschaffenheit des Blutes 
und der daraus entwickelten festen Theile zu prüfen, bezie 
hungsweise festzustellen haben, in welchem Grade die Blut 
bildung eine abnorme, d. h. auf unnatürlichem Bereitungs 
proceß beruhende^ ist. Da wir hierzu noch keinen geeigneten 
Gradmesser besitzen, so bleibt nur übrig, den eigentlichen Aus 
gangspunkt der Krankheiten zu beleuchten. Gewöhnlich stellen 
sich diese Feinde unseres Lebens da ein, wo menschlicher Wille 
den freien Einfluß der Naturkräfte auf den lebendigen Orga 
nismus durch unnatürliche Wohnung und Nahrung hemmt 
und dabei die Hauptbedingung des Lebens, die so nahe liegt, 
aus den Augen läßt, nämlich die: „daß bei künstlicher Woh 
nung und Nahrung, auch eine künstliche Pflege des Körpers
	        
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