Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

35 
Schrothisch, nur gymnastisch oder magnetisch und dergl. sein, 
immer einigen Nutzen davon tragen und bei verständiger 
Direction daselbst niemals einen Schaden leiden wird, doch 
folgende Sätze der bisherigen Erfahrungen zu entsprechen 
scheinen und daher Rücksicht verdienen*). 
a) Diejenigen chronischen Leiden, einschließlich der Tuber 
kulose, welche mit häufigen acuten Erscheinungen, besonders 
entzündlicher und schmerzhafter Art, schon bisher ver 
bunden sind, eignen sich besser für reine Wasserheilanstalten, 
(in denen dann freilich nicht mit ein und demselben Wasser 
grade und nach ein und derselben Schablone Alles behandelt 
werden darf), als für rein Schroth'sche Anstalten. 
b) Sehr abgemagerte und in ihrem Kraftzustande sehr 
herabgekommene Personen, ebenso solche, welche nervös sehr 
aufgeregt sind und namentlich leicht an Gehirnaffectionen lei 
den, werden nützlicher eine gut dirigirte reine Wasserheilan 
stalt, als eine rein Schroth'sche Anstalt aufsuchen. Dagegen 
wird 
c) überall, wo große Massen von Verschleimungen, 
von krankhaftem Fett, Hhdropischen Bildungen, überhaupt von 
im Körper vorhandenen alten Krankheitsstoffen zur Auflösung 
zu bringen sind, ebenso 
ck) in secundärer Syphilis und tief begründeten Blutdhs- 
crasien aller Art — einschließlich bereits bestehender Desorga 
nisationen — den rein Schroth'schen Anstalten der Vorzug vor 
reinen Wasserheilanstalten gegeben werden können. 
Hat aber der betr. Patient eine combinirende, d. h. 
aus der Schroth'schen, wie aus der Prießnitz'schen Schule 
gleichweis, die jede auszeichnenden Formen in zweckmäßiger 
Art verbindende Anstalt in der Nähe, so wird er freilich 
sie vor einer'reinen oder specifischen Anstalt der einen oder 
anderen Gattung vorzuziehen haben; denn eine verständige, 
aus Jndividualisirung beruhende Verbindung beider Me 
thoden gewährt natürlich den Krankheits- oder, besser gesagt, 
den Körper-Besonderheiten gegenüber schon eine größere Aus 
wahl von Naturheilsormen; was aber noch mehr werth ist, 
der freiere, unpartheiische Standpunkt, den ein gründlicher 
(aber freilich gründlicher) Kenner und wahrer (freilich 
wahrer) Freund der verschiedenen naturgemäßen Heilmetho 
den einnimmt, gestattet auch eine freiere, d. h. eine geistig 
schärfere Beurtheilung des vorliegenden Falles und der zu 
seiner günstigen Entscheidung geeigneten Hülfsmittel**). 
*) Wir sprechen hier, wenn auch nur andeutungsweise, unsere 
snbjective Ueberzeugung aus über einen Gegenstand, von dem wir recht 
wohl wissen, daß er zu den schwierigst zu beurtheilenden gehört und 
daß wir damit hüben wie drüben Anstoß erregen werden. Dieß kann 
aber gewiß nur nützen, indem es zu weiteren Erörterungen und Aus 
sprüchen veranlaßt und so zur nähern Feststellung einer Streitfrage 
unter den Anhängern der Naturheilmethode führt, deren baldige Lö 
sung Niemand sehnlicher und im Interesse der Menschheit und der 
Wissenschaft mehr wünscht als wir. 
**) Wie schon oben bemerkt, giebt es bereits mehrfach und in 
verschiedenen Gegenden solche combinirende Anstalten, sowohl ur 
sprüngliche reine Wasserheilanstalten (Prießnitzsche), als auchEchroth- 
sche oder diätetische; in welcher höchst erfreulichen Weise nament 
lich auch in Anstalten der letztern Art gegenwärtig die humane Noth 
wendigkeit und therapeutische Nützlichkeit der Verbindung des Besten 
aus den vorhandenen Naturheilsormen anerkannt wird, davon giebt 
ein Schreiben Zeugniß, welches uns vor Kurzem aus einer Schrothschen 
Heilanstalt zuging und dessen hauptsächlichsten Inhalt hier mitzuthei 
len wir uns nicht versagen können; es lautet: 
„Geehrter Herr Doctor! Seit dem Beginn Ihrer Zeitschrift 
„der Wasserfreund" habe ich mit lebhaftem Interesse die Tendenz des 
Blattes verfolgt, und mich stets gefreut, wenn ich mehr und mehr be 
merkte, wie Sie es eine Ihrer vornehmsten Aufgaben sein ließen, eine 
Wo bei einer Naturheilanstalt auch Dampfbäder 
(russischer Art oder sonst welcher Form), türkische Bäder 
Vereinigung aller speciellen Zweige der Naturheilweise zu erstreben, 
dieselben in einem Brennpunkt zu koncentriren, und auf ein allge 
mein gültiges Grundgesetz zurückzuführen, von wo aus sie eben nur 
als verschiedene Wege zu einem und demselben Ziele erscheinen müssen; 
allein ich erwartete nicht, daß Sie den Standpunkt des Blattes so 
bald ganz nach dieser Richtung feststellen würden. Mit um so größe 
rer Freude begrüße ich heute den Natnrarzt, der frei an der Stirne 
das Zeichen seines Glaubens trägt, und ohne Scheu sein unzweideu 
tiges Bekenntniß öffentlich auszusprechen wagt. Ich begrüßte das von 
Ihnen begründete Organ mit um so größerer Freude, als es meines 
Wissens das erste ist, das die bezeichnete Bahn eingeschlagen, und weil 
ich längst gefühlt, daß nur in der Vereinigung aller Anhänger 
und Vertreter der Natnrheilweise ein rascher Fort 
schritt und ein baldiger Sieg über veraltete und irrige 
Systeme zu erwarten steht. Die Zersplitterung und gegenseitige 
Befehdung so verwandter Elemente war stets den Gegnern' der neuen 
Heilweise ein erwünschter Umstand; denn 'wer hätte nicht Gelegenheit 
gehabt aus dem Munde eines echten Mediciners den giftigen Spott 
zu hören, der bald die alten Semmeln, bald den Wein, bald wieder 
die nassen Packungen als ein Universalmittel bezeichnete! Und waren 
diese Herren nicht gewissermaßen zu entschuldigen, weil eben die ein 
zelnen Fractionen sich in blindem Zelotismus den Boden streitig zu 
machen suchten, auf welchem sie naturgemäß doch hätten vereinigt 
stehen und kämpfen sollen? 
Ich hoffe, daß mit der Begründung Ihres Blattes ein Wesent 
liches wird gethan sein, denn es haben darin ja alle verschiedenartige 
Bekenner derselben Grundlehre eine Vereinigungsstätte gefunden, auf 
der sie sich brüderlich die Hand reichen können, und von wo aus sie 
gemeinsam an dem großen Werke schaffen dürfen, ohne gleichzeitig die 
Eigenthümlichkeit ihres specifischen Standpunktes aufgeben zu müssen. 
Eine glückliche Verschmelzung und Vereinigung Aller, muß, dünkt 
mich, einst die nothwendige Folge sein! 
^Daß mir persönlich mehr als den meisten Lesern Ihres Blattes 
die Vertretung des bezeichneten Standpunktes am Herzen liegt, ist eben 
Folge nicht nur meiner festbegründeten Ueberzeugung, sondern auch 
meiner gesellschaftlichen Stellung; denn ich bin der Gründer einer- 
diätetischen Heilanstalt, und der Standpunkt, den Sie in Ihrem Blatte 
vertreten, ist derselbe, auf welchem die Anstalt schon fast zwei Jahre steht 
und mit Erfolg fortarbeitet. Eine innige Verbindung aller naturge 
mäßen Heilfactoren und ihre Verwerthung, nicht in schematischer, son 
dern vernunftmäßiger Weise, ist der leitende Gedanke. Es ist dies 
eine feste Basis, die aber die ausgedehnteste Fortentwickelung zuläßt. 
Ich war so glücklich beim Beginne meines Unternehmens mich 
mit einem Arzt vereinigen zu können, der nicht nur durchdrungen 
von der Wahrheit des diätetischen Principes, sondern der auch bereit 
war, für den neuen Standpunkt seine bisherige gesellschaftliche Stellung 
und seine bedeutenden ärztlichen Erfolge in die Schanze zu schlagen 
Ich selbst habe Stellung und Vermögen der Sache bereitwillig ge 
opfert, indem ich mich meinem neuen Berufe mit ganzer Seele hin 
gegeben. Herr Dr. D., Physikus im hiesigen Amte, ist der Arzt mei- 
ner Anstalt, und sicher der Mann, der für die Erfolge der Diätetik 
in Norddeutschland einst von der größten Bedeirtung werden muß. 
Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, Ihnen beifolgend 
.eine Ansicht meines Institutes nebst Prospekt zu überreichen, indem ich 
Sie bitte, erstere als einen Beweis meiner Hochachtung freundlich auf 
nehmen zu wollen. 
Die Herrichtung der Anstalt hat nicht nur bedeutende Opfer 
gefordert, sondern sie hat einen förmlichen Kampf mit den örtlichen 
Verhältnissen nöthig gemacht. Verspottet und verleumdet, von den 
Aerzten verfolgt und angefeindet, von den Behörden mit Mißtrauen 
und Unwillen betrachtet, gehörte eine wahre Ueberzeugungstreue dazu, 
um nicht schon im Beginne der Arbeit wankend zu werden. In sol 
chen Augenblicken lernt man, wie willensstark und duldungsfreudig 
die Vertretung einer erkannten Wahrheit macht. Sehe ich jetzt mein 
Werk so dastehen, und denke mir, wie vielen sonst verlorenen Menschen 
wir schon Gesundheit und Leben wiedergegeben, wie die Spötter ver 
stummen, die Aerzte durch die bedeutenden Erfolge des Hrn. Dr. D., 
auch in der Privatpraxis, gründlich geschlagen sind; wie auch die Be 
hörden ihre Haltung der Anstalt gegenüber ändern mußten, besonders 
aber', wenn ich sehe, wie hier aller Orten das Vertrauen und das Ver 
ständniß^ der Sache wächst, und wie man davon, wie von einem letz 
ten Nothanker redet, der nicht im Stiche läßt, da freue ich mich doch
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.