Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

34 
lich vollständiger Art, von der Literatur, welche hier ein 
schlägt, erhalten haben. Aber in der Kürze wollen wir doch, 
namentlich für diejenigen geehrten Leser, welche unseren vori« 
gen Jahrgang lucht kennen und überhaupt dem Begriffe „Na 
turheilkunde" zum ersten Male näher treten, ganz allge 
mein bemerken, daß die „Naturheilanstalten" (unter 
welchem Collectivbegriffe namentlich die Anstalten sowohl des 
P r i eß n i tz schen, wie S ch r o t h schen Systems, aber auch heilgym- 
nastischeundelektromagnetischeJnstitute, Pensionen mit irisch-römi 
schen Bädern und überhaupt alle Bade- und Kuranstalten verstan 
den werden, welche keine Arzneien oder ihnen ähnlich wir 
kende äußere und innere Mittel anwenden) zur Hebung der 
chronischen (oder langwierigen, meist fieberlosen) Krankhei 
ten den Stoffwechsel des menschlichen Körper-Or 
ganismus zu heben, und dies dadurch zu bewerkstelligen 
suchen, einmal in direct, daß sie die gewöhnlich die betref 
fenden Krankheiten hervorrufenden, im Körper vorhandenen, 
materiellen Stoffe auslösen und zur Ausscheidung bringen — 
was theils durch Erzeugung und Anwendung feuchter Wärme, 
theils (im höheren nöthigen Grade) durch Schaffung von 
Fieber- und Entzündungszuständen, sei es mittelst des 
Kälte- oder Hitzereizes oder mittelst Trocken-Diät, geschieht, 
— das andere Mal direct — so, daß sie durch Vervoll 
ständigung der Blutcirculation in allen Organen des Körpers, 
namentlich aber in denen, welche der äußeren Haut des Kör 
pers zunächst liegen (mittelst sowohl Wärme-Entziehungen, als 
vermehrter Muskel-Bewegung und Lufteinathmung durch Lun 
gen und Haut, auch entsprechender Diät), den Wechsel in 
der Auslösung und Ernährung aller Körpertheile überhaupt 
befördern. Wenn nämlich ein Körpertheil oder der ganze 
Körper von ihn beschwerenden fremdartigen (krankhaften, 
krankmachenden) Stoffen durch deren Auflösung und Verbren 
nung einmal befreit ist, so ist es dann, aber nur dann, na 
türlich auch möglich, seine Disposition überhaupt zur 
Aufnahme, resp. Ablagerung oder Erzeugung, solcher schäd 
lichen Stoffe durch seine schnelle, energische Selbstumwandlung 
mittelst des Stoffwechsels aufzuheben. Andere einfache, un 
schädliche Mittel, welche zur Bewirkung der Auflösung 
(Schmelzung), Verbrennung und Ausführung ebenso oder noch 
geeigneter wären, als die feuchte Wärme und Fieber-Erzeugung 
mittelst Kälte-, Hitze- und Trocken-Reize, giebt es nicht, folglich 
kann nur in Naturheilanstalten, welche sich lediglich dieser 
Naturheilmittel bedienen, chronische Krankheit wirklich ge 
heilt werden, nicht aber durch und in Kuren mittelst Arzneien, 
mögen sie Mineral-Trink-, oder Bade-Kuren heißen. Was 
in und bei letzteren an wirklich heilsamen Einflüssen und 
Wirkungen gefunden wird, ist lediglich die vernünftigere diä 
tetische Lebensweise, welche der Patient auch hier (sowohl hin 
sichtlich Essens und Trinkens, als hinsichtlich der Bewegung 
und überhaupt des ganzen Verhaltens) beobachten muß, und 
welche ihm, neben der nützlichen Nervenbelebung oder Nerven- 
Berühigung, du die Entfernung von häuslichen Sorgen und 
geschäftlicher Anstrengung mit sich bringt, noch viel mehr und 
viel öfter zu Theil werden würde, wenn er am fragl Mine 
ral-Kurorte weder innerlich, noch äußerlich von den dem 
Körper fremdartigen Mineralen etwas anwendete. Diese Mi 
nerale bringen zwar auch einen erhöhten Reiz auf die Nerven 
der inneren Schleimhäute oder die der äußeren Haut hervor, 
und zwar einen um so stärkeren, je höhere Hitzegrade dabei 
in's Spiel kommen; aber Reize, durch fremdartige-Stoffe 
beim Körper erzeugt, erhöhen nicht in naturgemäßer, son 
dern in künstlicher und daher später abstumpfender 
Weise den Stoffwechsel. Meist aber ist auch diese Erhöhung 
selbst noch ein bloßer Schein, indem die erhöhte Thätigkeit 
der Darm-Schleim- oder Schweiß-Drüsen u. s. w. der 
Entfernung des fremdartigen ein- oder angebrachten Mine 
ral-Stoffes selbst gilt. Dann wird natürlich die erhöhte 
Thätigkeit des Körpers nicht auch die Beseitigung der ur 
sprünglich vorhandenen, die chronisch-krankhaften Erscheinungen 
hervorrufenden materiellen Ursachen erzielen können, oder we 
nigstens wird diese unmöglich so gelingen, wie es vielleicht 
~~ wenigstens in vielen Fällen — durch die bloße veränderte 
Lebensweise, namentlich bessere Diät und mehr Bewegung, 
geschehen sein würde. 
In gut geleiteten Naturheilanstalten findet sich also 
der doppelte Vortheil — gegenüber den Mineralbade - Anstal 
ten — vor, einmal, daß die ganze Lebensweise daselbst ebenso 
und noch mehr, als dort, einer vernünftigen Diät und zweck 
mäßigen Bewegung huldigt, das andere Mal aber, daß auch 
durchaus die Reizung des Körpers,, innerlich wie äußerlich, 
mittelst ihm fremdartiger Substanzen (Minerale oder narko 
tische Pflanzensäfte) vermieden, seine Kraft also lediglich gegen 
die schon in ihm vorhandenen, krankmachenden Stoffe, zu de 
ren Beseitigung (mittelst natürlich erhöhter Wärme re.), ver 
wendet werden kann. Wir empfehlen also Allen, welche we 
gen chronischer Uebel in der Lage find, zum Frühjahre eine 
Kur auswärts gebrauchen zu wollen, dringend, erstens, vor 
definitiver Fassung ihres Entschlusses zur Reise da oder dort 
hin, sich womöglich mit Hülfe eines guten Buches über Wasser 
kuren,. Schrothsche Kuren, über Heilgymnastik, irisch-römische 
Bäder oder dergl., erst zu belehren, worauf es bei Be 
handlung ihres Uebels in der Hauptsache ankommt. Wenn 
sie dabei nun gefunden haben werden, daß es meistens und 
nur einige wenige Nervenübel und Lungenkrankheiten ausge 
nommen, gilt, den Körper von materiellen Krankheitsstoffen 
zu reinigen und durch Anregung des Stoffwechsels die Struk 
tur der Organe — seien es alle, mehrere oder nur einzelne — 
zu normaleren, resp. zu erneuern, dann mögen sie zweitens, 
mittels der aus jenen Büchern ebenfalls erlangten Fähigkeit 
der Beurtheilung ihrer Körperbeschaffenheit, daran gehen, zu 
untersuchen, ob in ihrem Falle mehr eine Wasserkur, oder 
mehr eine Schroth'sche Kur, oder ein Heilghmnastischer Cursus, 
eine Anwendung des thierischen Magnetismus oder des Elec- 
tro-Magnetismus u. s. w. für sie das Geeignetste fei. Es 
giebt schon einige Anstalten, welche alle diese naturgemäßen 
Kur-Formen in sich zu vereinen und ihren Besuchern darzu 
bieten suchen; andere find dagegen nur entweder rein Hhdria- 
tische, oder rein Schroth'sche, andere setzen aus beiden dieser 
letzteren Naturheilsysteme ein combinirtes Verfahren zusam 
men u. s. w. 
Unsere Aufgabe ist es nun zwar im gegenwärtigen Ar 
tikel keineswegs, einen speciellen Gesammtüberblick über 
das Wesen und Einzeln-Vorzügliche jeder der verschiedenen 
Naturheilmethoden und der ihnen specifisch dienenden Anstal 
ten zu geben; aber sowie wir nicht umhin konnten, oben im 
Allgemeinen darauf aufmerksam zu machen, worauf eZ über 
haupt bei Heilung chronischer Krankheiten ankommt, und wie 
man sich, wieder im Allgemeinen, den Vorgang in der natur 
gemäßen Heilung derselben und die Anwendungsformen der 
Naturheilanstalten dabei zu denken hat, so können wir auch 
nicht unterlassen, hier. gelegentlich, über und bei der Wahl 
Einer dieser'verschiedenen Anstalten, wenigstens soviel anzu 
deuten, daß, wenn auch unbestritten ein chronisch Leidender in 
jeder Naturheilanstalt, mag sie rein hydriatisch oder rein
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.