Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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es sich dabei um Anwendung innerer Mittel handelt, nicht 
zusteht, allein einzuschreiten." „So so! Ei, das wäre ja 
herrlich!''' meinte Herr Augustin — und kaum gesagt, öffnete 
der artige Herr Medio abermals die Thüre — gerade als 
der Herr Pastor mit einem: „Ich, ich — ja ich könnte wohl" 
eine Gegenrede auf die Augustin'sche Hindeutung zum Besten 
zu geben im Begriff stand —und in der That, der Herr 
Medicinalrath, gefolgt von dem Stadtschreiber Beißer, erschien 
zur nicht geringen, freudigen Aufregung der schon Anwesen 
den. — Nun fehlten eigentlich nur noch zwei von den ge 
wöhnlichen, aber namentlich Sonnabends sich in der ersten 
Kammer der Rathskellerei zu Mölsitz versammelnden Stamm 
gästen: Herr Stadtcassirer Drümer und Herr Gotthold 
Augustin, der jüngere Bruder und Compagnon des schon an 
wesenden Carl Augustin, obschon dieser Gotthold Augustin 
weder von den anderen Mitgliedern der ersten Kammer gern 
in ihrer Mitte gesehen war, noch auch selbst gern in dieser 
Mitte weilte und nur des Anstandes wegen, oder vielleicht 
auch aus Politik, nicht ganz von ihnen sich zurückzog, sondern 
ebenfalls ziemlich regelmäßig im Rathskeller, wenigstens Sonn 
abends, erschien, dann aber freilich mindestens die Hälfte der 
Zeit seines Aufenthaltes auch unter den Angehörigen der zwei 
ten Kammer zubrachte. — Wir müssen, weil es für unsere 
fernere Erzählung von Wichtigkeit ist, zuerst den Herrn Me 
dicinalrath Kazor etwas näher in's Auge fassen; vielleicht daß 
inzwischen auch Herr Gotthold Augustin sich einfindet — wie 
es eben noch Herr Stadtcassirer Drümer thut — und uns 
ebenfalls hinsichtlich seiner Gelegenheit zu Erwähnung einiger 
Specialitäten giebt. (Forts, folgt ) 
Aus dem hydro-diätetischen Verein zu Dresden. 
(Fortsetzung.) 
Unterm 25. Juli 1862 veröffentlichte dann der Verein 
folgende fernere Ansprache an die Bewohner Dresdens: 
II. 
Blick auf den geschichtlichen Gang der Heilkunst. 
In Nr. 184 der Dr. N. erklärten wir, von Zeit zu Zeit 
Beweise bringen zu wollen, daß Krankheiten mit alleiniger 
Anwendung hydro-diätetischer Mittel (Wasser, Diät, Bewegung, 
reine Lust, rc) gehoben werden können. Wir bleiben dieser 
Zusage eingedenk, wollen aber heute, um das betr, Heilver 
fahren vorerst auch geschichtlich etwas näher zu begründen, den 
Blick des geehrten Lesers — wenn auch nur flüchtig — auf 
den Gang lenken, den die Heilkunft seit ihrem Entstehen bis 
auf unsere Zeit genommen hat. Um aber gleich von vorn 
herein der Meinung zu begegnen, als beruhe unsere Darle 
gung auf der Ansicht von Laien, so bemerken wir, daß wir 
uns dabei auf die Schriften wissenschaftlich gebildeter Aerzte 
stützen 
Schon in uraltex Zeit waren kaltes Wasser, Diät 
und Bewegung in freier Luft fast ausschließlich diejenigen 
Mittel, deren man sich, freilich ohne alle Methode, zur Hei 
lung von Krankheiten bediente. Nur erst nach und nach ent 
fernte man sich von der durch die Natur vorgezeichneten Bahn 
und gerieth auf künstliche Systeme und — Irrwege. — Von 
den ältesten Völkern weiß man, daß sie ihre Kranken an öf 
fentliche Straßen oder Plätze brachten, um zu ihrer Heilung 
den Rath der Vorübergehenden zu hören. Rücksichtlich der 
einzelnen Völkerschaften stellt sich Folgell^k§ üerM?. Dre 
Indier hielten ihre Heilkunst geheim. Da dieselbe jedoch durch 
Zoroaster auf die Perser, von diesen auf die Egypter, und 
von letzteren durch Moses auf die Israeliten überging, so darf 
man glauben, daß das Heilverfahren bei allen vorgenannten 
Völkern dem der Israeliten in der Hauptsache gleich, nämlich 
naturgemäß und einfach war; denn bei dem israelitischen 
Volke finden wir ja die einfachsten und herrlichsten, und selbst 
noch für unsere Gegenden ganz brauchbaren Vorschriften in 
Bezug aus Diät und Prophylaktik (Vorbeugung gegen Krank 
heit). Wir erinnern z. B. nur an die von den Israeliten in 
gesunden und kranken Tagen so häufig angewendeten Wa 
schungen und Bäder. — Von Egypten ging die Heilkunst auf 
die Griechen und später auch auf die Römer über, bei wel 
chen Völkern sie ebenfalls, wie wir sogleich sehen werden, in 
einfacher und naturgemäßer Weise betrieben wurde. Bekannt 
lich sahen diese Völker die Quelle aller Krankheiten in der 
Gottheit, weshalb man, um dieselbe zu versöhnen, Tempel er 
baute, in denen viele Jahrhunderte hindurch die Priester — 
fern von aller Theorie — zugleich Aerzte waren, wo dann 
die Würdigkeit des Ortes, die angenehme Gegend mit gesun 
der Atmosphäre, Enthaltsamkeit (Diät), Bäder und Wa 
schungen (kaltes Wasser), Spiele und gymnastische Uebun 
gen (Bewegung in freier Lust) ihre wohlthätige Wir 
kung auf die Heilung der Kranken nicht verfehlen konnten. — 
Hippokrates (geb. 456 v. Chr.), der berühmteste grie 
chische Arzt und wissenschaftliche Begründer der Heilkunde, 
sammelte sorgfältig und treu alle diese Beobachtungen und 
hatte keine andere Methode als die Erfahrung. Sein Muster 
war die Natur und sein Führer das Streben nach Wahrheit. 
Sein System, gewiß das beste, war nichts, als eine Samm 
lung von Beobachtungen mit den daraus abgeleiteten Regeln. 
— Doch, von hier ab (besonders durch Dr Herophilus) 
gerieth die Heilkunst auf allerhand Irrwege und Extreme. 
Ihr Gang gleicht einem Schlangenwege, der bei seinen Wen 
dungen sich zwar zuweilen dem Urpfade, d. i. dem naturge 
mäßen Wege der Beobachtung, nähert, aber doch immer wie 
der mehr oder weniger davon abbiegt. Mit dem in jene Zeit 
fallenden Aufblühen der Philosophie, was allerdings im All 
gemeinen wohlthätig wirkte, ging die Heilkunst leider in die 
Hände speculativer Psilosophen über, welche auf künstliche Ab- 
stractionen und Speculationen künstliche Heilmethoden bauten, 
die nichts weniger als brauchbar waren. Erst nach vielen 
Jahrhunderten gewann das naturgemäße Heilverfahren durch 
die von Hahnemann neugeschaffene Lehre, durch die Ho 
möopathie, wieder einen festeren Halt. Dieser Doctrin, so 
paradox auch ihre Grundprincipien erscheinen mögen, haben wir es 
hauptsächlich zn danken, daß die Heilkunst jetzt im Begriffe steht, 
wieder zu jener Einfachheit und Natürlichkeit — soweit dies 
in unseren Kulturverhältnissen möglich ist — zurückzukehren, 
wie wir sie bei ihrem Ursprünge gesehen haben. Die Homöo 
pathie hat nämlich auf's Neue gelehrt, nicht zu dreist in den 
Organismus des menschlichen Körpers einzugreifen; sie hat 
gelehrt, die Heilkraft der Natur zu respectiren und wirken zu 
lassen Sie hat insbesondere auch gezeigt, was eine strenge 
Diät vermag, und daß es für den gegebenen Fall nicht nöthig 
ist, ein ganzes Dutzend Mittel dem Kranken auf einmal zu 
reichen, sondern daß in der Regel schon ein einfaches Mittel 
genügt, der Gesundheit wieder aufzuhelfen. Die Homöopathie 
bildet daher den Uebergang zwischen dem früheren künstlichen 
und dem jetzigen einfachen natürlichen Heilsystem; sie macht 
das vorletzte, und die jetzige rationelle Einfachheit das letzte
	        
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