Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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den, daß eine solche mehrfache Besprechung zum Segen der 
Menschheit und zum Nutzen der Herren Naturärzte und Besitzer 
von Naturheilanstalten hauptsächlich beiträgt, und daß man 
deshalb starke Ursache hat, in jener Beziehung alle Thätigkeit 
zu entfalten, wenn die Naturheillehre und jene Anstalten 
nicht als eine Modesache in Vergessenheit gerathen sollen. 
Von diesem Standpunkte aus haben wir gegen solche Bemer 
kungen nichts zu erinnern, die einen belehrenden Nutzen ge 
währen ; wir sind sogar dankbar dafür, da sie die Erreichung 
des höchsten Lebenszweckes — die gesunde und kräftige Ent 
wickelung der Seele und des Leibes — fördern. Wir glau 
ben aber der Sache zu nützen, wenn wir die in Folge der 
beregten Bedenken in ein trübes Licht gestellte Viek'sche und 
Schulze'sche Behandlungsart nochmals näher in's Auge fassen 
und dazu beitragen, daß sie in dem rechten Lichte erscheinen. 
Wenn in unserer fraglichen früheren Mittheilung von 
einer Heilung in 14 Tagen bis 4 Wochen die Rede war, so 
bezog sich dies allerdings nur auf die primäre Syphilis. 
Niemals ist es den genannten Aerzten, in ihrer längeren als 
20 jährigen Praxis, vorgekommen, daß sich die behandelte pri 
märe Syphilis in eine seeundäre oder tertiäre verwandelt 
hätte, auch ist niemals eine scheinbare, sondern immer eine 
vollständige Heilung eingetreten. Diese günstigen Resultate 
sind selbstverständlich nur eine Folge der Behandlungsart, die 
sich auf vieljährige Erfahrung ba'sirt. Wir können unter 
solchen Umständen annehmen, daß diese Aerzte, durch eine 
strenge Ueberwachung der speciellen Behandlung und genaue 
Beobachtung der desfallsigen Erfolge, solche Fehler vermieden 
haben, welche lähmend auf den Heilproceß einwirken. Dahin 
gehört nämlich, wie dies noch in einzelnen Wasserheilanstalten 
zu finden, daß die Badediener die Laken zu den Einhüllungen 
und Abreibungen nach Belieben anfeuchten, auch die Dauer 
nach ihrem Gutbefinden selbst bestimmen und überhaupt die 
specielle Behandlung ohne Aufsicht des Arztes ausführen. Die 
Herren Aerzte, welche solche Anstalten leiten, scheinen zu glau 
ben, Einpackung ist Einpackung und Abreibung ist Abrei 
bung K-, und doch wissen wir, daß es ein erheblicher Unter 
schied ist, ob der Kältereiz andauernd oder durch mehr oder 
weniger ausgerungene Laken wirkt. Die Folge davon ist, daß 
fortwährend Erkältungen eintreten und zu viel Wärme entzo 
gen wird, während man gerade darauf zu sehen hat, daß 
jede Behandlung ein möglichst schnelles Auftreten der Wärme 
zuläßt oder solche durch Bewegung herbeigeführt wird, da man 
bei syphylitisch Kranken selten ein Uebermaß von Wärme 
findet, am allerwenigsten aber bei solchen Personen, deren Or 
ganismus bereits durch Medicingift abgeschwächt worden ist. 
Aus dem früher beschriebenen Heilverfahren und dem da 
mit erzielten günstigen Resultate dürfte sich entnehmen lassen, 
daß jeder überhaupt noch heilbare Grad der Syphilis, in der 
einfachsten Weise, durch örtliche Behandlung, — mittelst Badens 
und durch Compressen, — so wie durch Behandlung des ganzen 
Körpers — mittelst feuchter und trockener Einhüllungen, Sitz- 
und Fußbäder, Lavements und entsprechender Diät, — geheilt 
werden kann, in welcher Beziehung die Schulze'sche Behand 
lungsart einen Beleg liefert. Es wird natürlich darauf an 
kommen, daß dieselben im Sinne der vorhin gemachten An 
deutungen und ganz besonders mit Rücksicht auf die in dem 
kranken Organismus vorhandene Heilkraft stattfindet. Indem 
man an diese appellirt, sie allmälig durch Anregung der har 
monischen Zusammenwirkung aller Organe kräftigt, alle na 
türlichen Schleusen des Körpers benutzend, den Stoffwechsel 
und Austausch der Säfte begünstigt, wird und kann der gute 
Erfolg nicht ausbleiben. Es liegt in der erfahrenen Hand des 
Arztes, dies Ziel durch richtige Handhabung der erwähnten 
einfachen Behandlungsformen zu erreichen. 
Zur näheren Entwickelung dieser allgemeinen Darstellung 
dürfte die Beantwortung der Fragen am Orte sein, — wie 
heilt die Natur des Körpers? und: sind die ge 
dachten einfachen Behandlungsformen geeignet, 
den Heilproceß genügend zu fördern? 
Die erstere Frage anlangend, so wissen wir, daß jeder 
Organismus Heilvermögen besitzt, daß solches aber in so viel 
verschiedenen Graden vorhanden ist, als er von einer natur 
gemäßen Pflege entfernt war. In gleichen Graden ist also 
auch der Stoffwechsel gestört, was mehr oder minder den 
Heilproceß beeinträchtigt. Es ist sonach einleuchtend, daß der 
höchste Heilgrad in dem normalen Stoffwechsel wurzelt. Wie 
wir heut zu Tage selten Personen finden, die einen solchen 
Grad von Heilkraft besitzen, so haben wir auch syphilitisch 
Kranke als solche Personen zu betrachten, deren Heilvermögen 
im geringeren oder größeren Grade abgeschwächt ist. Den 
noch zeigt die Natur des Organismus in fieberhaften Erschei 
nungen das Bestreben, den Giftstoff durch die Entzündung 
zu entfernen und die weitere Ausbreitung zu verhindern, — 
es fehlt ihr aber an Kraft, das Heilgeschäft zu vollführen. 
Hinsichtlich der zweiten Frage dürfte nun darzuthun sein, 
weshalb dem Heilvermögen die erforderliche Kraft fehlt und 
auf welchem Wege sie hergestellt werden kann. Den Schlüssel 
hierzu finden wir zunächst in der Darstellung der Wirkungen 
des Wärme- und Kälte-Reizes auf den Organismus. 
Die Wärme wirkt auf jeden Organismus ausdehnend 
und erschlaffend, die Kälte zusammenziehend und stärkend. 
Diese Gesetze haben darin ihren Grund, daß der Organismus 
das Bestreben hat, seine Eigenwärme, 29- 30 R, unter allen 
Verhältnissen zu erhalten. Wir finden daher, daß derselbe 
in großer Wärme das Blut von den äußeren Blutgefäßen 
nach den inneren zieht, wodurch der Puls schneller und die 
Athmung, insbesondere die des Hautorganes, als Vermittlerin 
der Wärme und Elektricitäts-Strömung, langsamer sich be 
wegt, um den Zudrang oder die Vermehrung der Wärme zu 
verhindern. Ganz entgegengesetzt wirkt die Kälte. Der Or 
ganismus treibt unter ihrem Einfluß das Blut von innen 
nach der Oberfläche des Körpers, die Haut röthet sich, der 
Puls bewegt sich langsamer und die Athmung, namentlich des 
Hautorganes (das durch den Zudrang des Blutes an Kraft 
gewinnt), arbeitet schneller, um die in der Kälte verlorene 
Wärme zu ergänzen. 
Hieraus läßt es sich erklären, weshalb die Menschen bei 
ihrer jetzigen Lebensweise ein abgeschwächtes Heilvermögen be 
sitzen. Ueberall deutet die Verweichlichung auf eine Störung 
des Stoffwechsels hin, hervorgerufen durch den dauernden 
Wärme reiz, dem der Organismus ausgesetzt war. Ebenso 
erscheint es aber auch einleuchtend, daß der Kältereiz (mit 
Wasser von 22 Grad abwärts bis zur Temperatur des 
Brunnenwassers ^7 — 8 Grad R.) und die dadurch erzeugte 
feuchte Wärme heilsam wirken müssen. Wir können dies 
am besten bei einer feuchten Einhüllung beobachten, — der 
Puls geht nach und nach langsamer, während der Athmungs- 
Proceß, also auch der Stoffwechsel, fast um das Fünffache sich 
verbessert. 
In der feuchten Einhüllung haben wir also das heil 
samste, durch kein anderes zu ersetzendes Mittel. Wenden 
wir solches bei Behandlung der Syphilis an und unterstützen 
die Wirkungen desselben durch trockene Einhüllungen, Sitz- und
	        
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