Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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10) Glauben Sie nach Ihrer Erfahrung, daß die Gesund 
heit der Arbeiter oder Studirenden durch Ausschluß 
animalischer Nahrung von ihrer Lebensweise gefördert 
werde? 
11) Haben Sie nach Ihrer eigenen Beobachtung irgend welche 
Nahrung aus dem Pflanzenreiche als besonders gesund 
oder sonst Vortheilhaft erwählt? 
Dr. Milo North konnte seinem Versprechen, die eingelau 
fenen Antworten einem kleinen Buche einzuverleiben und so 
das Resultat seiner Forschungen der Oeffentlichkeit zu über 
geben, Krankheitshalber nicht selbst nachkommen und sah sich 
somit veranlaßt, zwei Jahre nach Erlaß seines Aufrufes die 
Fortführung dieser Arbeiten einem Collegen, Namens Alcott, 
zu übergeben, welcher die Veröffentlichung der gewonnenen 
Resultate in einem eigenen Werke 14 Jahre später zum Ab 
schluß brachte. 
In Anbetracht der großen Mühe, die man sich gegeben, 
um die Wahrheit in den Thatsachen zu erlangen, in Anbe 
tracht des langen Zeitraumes, welchen die Forschungen ge 
währt, erstickt jeder Vorwurf der Parteilichkeit oder Ober 
flächlichkeit, den man etwa machen wollte, schon im Keime 
und es erübrigt somit nur, hiernach das Ergebniß der einge 
laufenen Antworten summarisch mitzutheilen: 
1) Nicht ein einziger Todesfall ist verzeichnet als Folge 
des Ueberganges zur vegetarianischen Lebensweise, ja 
nicht einmal ein erheblicher Nachtheil für die Gesund 
heit durch die plötzliche oder allmälige und anhaltende 
Vermeidung von Fleischspeisen. 
2) Die ersten drei Fragen Dr North's als zusammenge 
hörig betrachtet, lauten überwiegend die meisten Berichte: 
daß körperliche und geistige Kräfte länger ausdauerten, 
als vorher, und daß eine vermehrte Thätigkeit des 
Geistes und des Körpers mit vermehrter Fröhlichkeit 
begleitet war. 
3) Die beiden nächsten Fragen, die vierte und fünfte (für 
die Sache von besonderem Werthe!) werden 
ebenfalls fast durchgehends günstig beantwortet. Ver 
dauungsschwäche mit der sie gewöhnlich begleitenden 
Verstopfung, allgemeine Schwäche, Rheuma 
tismen, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Reizbar 
keit der Nerven, Hautausschläge, Seorbut, 
Lungenschwäche, Auszehrung, Scropheln, 
Epilepsie, Gicht, kaltes Fieber - werden am 
häufigsten als diejenigen Krankheiten bezeichnet, welche 
durch die neue Diät entfernt oder gemildert wurden. 
4) Auf die neunte Frage lauten die meisten Berichte da 
hin, daß die vegetabilische Diät eine mehr abfüh 
rende ist. 
5) Die zehnte Frage wird von denjenigen Aerzten, welche 
an sich selbst das Experiment einer vegetabilischen Diät 
gemacht haben, entschieden günstig beantwortet, nament 
lich auch für die an eine sitzende Lebensweise Gebun 
denen. 
6) Die elfte und letzte Frage beantworten fast alle Be 
richterstatter dahin, daß die mehlhaltigen Vegetabilien 
den Vorzug verdienten. 
Dieses summarische Ergebniß der Forschungen amerikani 
scher Aerzte über das vegetarianische System stimmt übrigens 
vollkommen mit dem Urtheil über Fleisch- und Pflanzenkost 
überein, welches einer unserer renommirtesten deutschen Aerzte, 
der verstorbene Hufeland, in seinem weitverbreiteten Buche 
„Makrobiotik" zu einer Zeit schon niedergelegt hat, wo 
jene amerikanischen Untersuchungen noch nicht begonnen hatten. 
Es lautet: 
„Man halte sich bei der Wahl der Speisen immer mehr 
an die Vegetabilien. Fleischspeisen haben immer mehr Neigung zur 
Fäulniß, die Vegetabilien hingegen zur Verbesserung der Fäulniß, die 
unser beständiger nächster Feind ist. Ferner haben animalische Spei 
sen immer mehr Reizendes und Erhitzendes, hingegen Vegetabilien ge 
ben ein kühles, mildes Blut, vermindern die inneren Bewegungen, die 
Leibes- und Seelenreizbarkeit und r e t a r d i r e n also wirklich 
die Lebenseonsumtion. Am meisten vermeide man Fleisch 
im Sommer und wenn Faulfieber herrschen. Auch finden wir, daß 
nicht di eFleischesser, sondern die, die von Vege 
tabilien (Gemüse, Obst, Körner und Milch) leben, das 
h ö ch st e Alter erreiche n." 
Professor Dr. Bock, der von ein Paar Mal 100,000 
gelesene Matador der „Gartenlaube", mit seiner täglichen, zum 
Gedeihen nothwendigen Fleischration für den wachsenden wie 
erwachsenen Menschen, hat, wie wir sehen, gewichtige Wider 
sacher unter seinen eigenen Collegen, die ihm in fast allen 
seinen Behauptungen über Fleisch- und Pflanzenkost schnur 
stracks widersprechen. — Es ist demnach mit vollem Bedacht 
von mir „das vegetarianische System" hier eingereiht 
worden unter die naturärztlichen Heil- und Hülfs 
mittel zur Bekämpfung der Scropheln und Lnn- 
gentuberculose. Ich bin durch das Mitgetheilte zugleich 
einigermaßen gerechtfertigt wegen meiner mehr vegetarianischen 
Verköstigung des Heinrich C., und ich glaube annehmen zu 
dürfen, daß nur wenige unserer Leser auch jetzt noch steif und 
fest die Ansicht des Vaters theilen werden: daß, wenn 
sein Sohn besser mit Fleisch und Fleischbrühe ge 
füttert worden wäre, der Heilproceß eine andere, 
eine günstigere Wendung genommen hätte. Allem 
nach muß ich vielmehr annehmen, daß der Zerstörungs 
proceß (von einem Heilproceß konnte im November, als 
Heinrich mir zum zweiten Male gebracht wurde, wohl fast 
keine Rede mehr sein!) bei tüchtiger Fleischfütterung 
blos ein noch rapideres Ende genommen haben 
würde! 
Ich wollte es nun Niemand verdenken, der meine Kranken 
geschichte mit Aufmerksamkeit bis hierher gelesen, wenn er ein 
Mir wird bei alledem so dumm, so dumm j 
Als ging' mir ein Mühlrad im Kopfe herum! 
zwischen den Zähnen murmelte, denn ich-habe ja absichtlich 
unsere zur Zeit sich Concurrenz machenden naturärztlich oder 
nicht medieinischen Behandlungsarten (mit Ausschluß vom Le 
benswecker und den Lampe'schen Kräuterkuren) hier Revue 
passiren lassen, wobei Jedem schon von selbst aufgefallen sein 
wird, daß die Contraste oft nicht stärker hätten sein können. 
Behauptet doch der Eine, daß er die hartnäckigsten Scro 
pheln nur bei strengster Vermeidung von Milchkost durch Ver 
abreichung von trockener Fleischnahrung mit wenig Brod und 
Aepfelwein habe weichen gesehen, während ein Zweiter bei 
der serophulösen Anlage gerade gute Milchkost mit Brod und 
wenig Fleisch verordnet haben will und bei der ausgebildeten 
Krankheit zeitweise vegetabilische, zeitweise Fleischkost — aber 
immer ohne Milch und ohne Wasser und mit Wein! Ein 
gelehrter Dritter hält viel auf gute animalische Fütterung von 
Milch und Fleisch, giebt auch Wasser zu trinken; ein Vierter 
giebt ebenfalls Milch und Fleischkost und läßt sorgfältigst alle 
stärkemehlhaltigen Substanzen (Weizenbutterbrod!) vermeiden 
und außerdem noch den drüsigen Leib mit Schweinefett täto- 
wiren; pures Wasser als Getränk ist nebstdem die Losung; 
der Vater Schroth kennt gar keine Milch und kein Wasser, 
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