Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

Thiere nur sättigen sich mit Fleisch, doch alle mit Nichten; 
Denn Gras nähret das Roß und das wollige Vieh und die Rinder; 
Denen jedoch inwohnt unbändiges Wesen und Wildheit, 
Löwen, die zornige Brut, armenische Tiger, mit Bären 
Gieriger Wölfe Geschlecht, die freuen sich blutigen Fraßes. 
Welch' ein vermessenes Thun, im Fleische das Fleisch zu 
versenken, 
Und den begehrlichen Leib mit verschlungenem 
Leibe zu mästen 
Und mit des Lebenden Tod ein L e b e n d e r s i ch z u er 
halten! 
Bei so reichlichem Gut, das die Erde, die beste der Mütter, 
Zeuget, behagt dir nichts als traurige Stücke zu kauen 
Mit unseligem Zahn, und zu thun nach Art der Cyclopen; 
Weißt du nimmer die Gier des gefräßigen Bauches zu stillen, 
Der zum Schlemmen gewöhnt, als wenn dn vernichtest den Andren? 
Jene verwichene Zeit, die golden wir Pflegen zu nennen. 
War mit Baumesertrag und dem Boden entsprossenen Pflanzen 
Reichlich beglückt und befleckte noch nicht mit Blute die Lippen. 
Damals schlugen die Luft mit sicheren Schwingen die Vögel, 
Furchtlos irrte umher im freien Gefilde der Hase; 
Nie auch hängte den Fisch leichtgläubiger Wahn an die Angel. 
Ohn' auflauernden Trug und nichts argwöhnend von Tücke 
War voll Frieden die Welt. Als aber ein Stifter des Unheils, 
Wer auch immer es war, hinblickte mit Neid auf die Rachen, 
Und in den gierigen Bauch sich leibliche Speise versenkte, 
Bahnt' er dem Frevel den Weg. Vielleicht von des Wildes Erlegung 
Wurde am ersten gewärmt mit Blute besudeltes Eisen, 
Und das hätte genügt; denn was- uns steht nach dem Leben, 
Dürfen wir. ohne die Pflicht zu verletzen, vom Boden vertilgen 
Aber zu tödten die Brut war recht, nicht auch, f i e zu essen. 
Dann ging weiter der Greul, und zu fallen als frühestes Opfer, 
Glaubt' mam verdiente das Schwein, weil das mit gebogenem Rüssel 
Saaten im Feld umwühlt und vereitelt die heurige Hoffnung. 
Weil er die Reben benagt, wird an dem Altare des Rächers, 
Bachus, geschlachtet der Bock; Schuld brachte den beiden Verderben. 
Was für Schuld aber habt, friedfert'ge Schaf', ihr? den Menschen 
Zur Fürsorge bestimmt, die ihr im gefülleten Euter 
Neetar tragt und zum weichen Gewand uns euere Wolle 
Gebet und mehr denn im Tod uns Nutzen gewähret im Leben? 
Was that Böses der Stier, der Falsch nicht kennet und Tücke, 
So unschädlich und schlicht und geschaffen zum Dulder der Arbeit? 
Undank hegt im Gemüth und der Gaben des Feldes ist unwerth, 
Wer, da eben die Last des gebogenen Pflugs ihm benommen, 
Seinen Besteller der Flur zu schlachten vermocht und den Nacken, 
Der, von der Arbeit wund, so vielmal hartes Gefilde 
Hatte bereitet für ihn und Ernten beschafft, mit dem Beil schlug! 
Doch es geschieht nicht blos die Verruchtheit, selber den Göttern 
Bürden den Frevel sie auf und vermeinen, das 
höchste d er Wesen 
Finde G e f a l l e n a m Morde de s M ü h e n e r t r a g e n d e n 
Rinde s." — 
Das Urtheil jener Männer gründet sich auf die Ergeb 
nisse 1) anatomischer Vergleichungen, welche lehren, 
daß der Mensch seiner Organisation nach dem sich von Früch 
ten nährenden Thiere in jeder Beziehung gleicht, in keiner 
Hinsicht aber dem Fleischfresser; 2) physiologischer Un 
tersuchungen, nach welchen der Genuß des Thierfleisches für 
unmoralisch erklärt werden muß, indem sich nicht beweisen 
läßt, daß wir ein Recht haben, Thiere ohne Noth und blos 
deshalb zu morden, um ihre Leichen zu verzehren; 3) medi- 
cinischer Beobachtungen, welche auf's Evidenteste leh 
ren, daß der Fleischgenuß mit Nachtheilen für Körper und 
Geist verknüpft ist. — 
In England und Nordamerika hat sich seit Jahren eine 
Partei gebildet, welche vegetabilische Nahrung als die gesün 
deste und in jeder Hinsicht als die zuträglichste erkennt. Das 
System, dem sie huldigt, nennt man „Vegetarianismus", 
die Anhänger desselben, welche bereits in allen Classen der 
Gesellschaft zahlreich zu finden, ,,Vegetarianer". 
Auch viele Aerzte zählt diese Partei zu den ihrigen, 
und wirklich originell ist die Idee, wie einer derselben, Dr. 
Milo North in Hartford'in Nordamerika, sich genaue Kennt 
niß über die Wirkungen einer fleischlosen Diät aus 
Körper und Geist zu verschaffen suchte, indem er die 
Ueberzeugung hegte, daß statistisch, also en masse, nicht egoi 
stisch, ein Einzelner an und für sich allein, hier geprüft wer 
den müsse, um zu endschlüssigen Resultaten zu gelangen. Er 
veröffentlichte somit im Jahre 1835 im Bostoner medicinischen 
Journal einen Aufruf an seine medicinischen Brüder, worin 
er sich als starker Gegner der vegetarianischen Lebensweise 
geberdete, calculirend, so am ehesten unparteiische Berichte von 
Freund und Feind derselben zu erhalten. 
Der Aufruf, welcher auch in zahlreiche andere Blätter 
seinen Weg gesunden, lautete wie folgt: „Wir hören nicht 
selten von Individuen, die einer ärztlich vorgeschriebe 
nen Lebensweise zum Opfer fallen. Nach dem Zeugniß 
von Leuten, welche das vollste Vertrauen verdienen, haben 
dieselben jenes ihnen vorgeschriebene Beginnen so halsstarrig 
befolgt, daß, als sie durch dasselbe bereits einen gewissen re- 
ducirten Punkt erreicht hatten, sie an eine Wiedergenesung 
nicht mehr denken konnten. Wenn diese Zeugnisse wirkliche 
Thatsachen enthalten, so müssen sie gesammelt und'veröffent 
licht werden. Ich bitte daher meine medicinischen Brüder, 
daß sie, wenn sie in solchen Fällen um Rath gefragt werden, 
untenstehende Fragen an ihre Patienten richten und die be 
züglichen Antworten mir zukommen lassen mochten. Das We 
sentliche ihrer Antworten wird dann einem kleinen Buche ein 
verleibt, von dem sie ein Exemplar empfangen werden. Ueber- 
dies wird ihnen der Dank des Autors, und sie erwerben sich 
das Bewußtsein, an der Befestigung einer Frage von großem 
Interesse beigetragen zu haben. Es giebt nämlich in unserem 
Lande eine beträchtliche Anzahl Personen, welche auf ärzt 
lichen Rath hin von ihrer Lebensweise thierische 
Nahrung gänzlich ausgeschlossen haben; und es 
wäre deshalb sehr wünschens werth, wenn die Resultate solcher 
Experimente vor das Forum des ärztlichen Standes und der 
Oeffentlichkeit gezogen würden. Die Aerzte wollen dann so 
freundlich sein, das Resultat einer solchen ihnen zur Kenntniß 
gekommenen Diät, beziehungsweise des Diätwechsels, im Ein 
klänge mit folgenden Fragen — Dr. Milo North in Hart 
ford wissen zu lassen: 
1) Hat sich Ihre körperliche Kraft durch den Ausschluß 
aller thierischen Nahrung von Ihrer Diät vermehrt oder 
vermindert? 
2) Waren die mit dem Verdauungsproceß in Verbindung 
stehenden animalischen Empfindungen angenehm oder 
unangenehm gegen früher? 
3) War der Geist klarer und konnte er eine angestrengte 
Forschung länger fortsetzen, als bei einer gemischten 
Diät? 
4) Welche Krankheiten werden verschlimmert, oder gebessert, 
oder entfernt? 
5) Erlitten Sie früher oder jetzt mehr Anfälle von kalten 
oder anderen Fiebern? 
6) Wie lange geht Ihre Erfahrung über fragliche Diät? . 
7) Hatten Sie vor dem Uebergange zu einer vegetabilischen 
Diät ungewöhnlich viel thierische oder stark gewürzte 
oder reizende Nahrung genossen? 
8) War dieser Wechsel von einem Ersatz des Thee's und 
Kaffee's durch Wasser begleitet? 
9) Ist die vegetabilische Diät von besonderer Wirkung aus 
den Stuhlgang?
	        
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