Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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rechtfertigt erschienen fein: — Mit der Behandlung des 3ten, mehr 
torpiden Falles sind wir dagegen wieder um so mehr einverstanden, 
als dabei der Weingenuß ausgeschlossen gewesen zn sein scheint, 
der offenbar nur dann in acuten wenn auch torpiden — Fällen zur 
Anwendung kommen darf, wenn er vom Instinkt stark und unzweideu 
tig begehrt wird; auch in chronischen Zuständen, bei denen sich Kopf- 
oder Brust- und ähnliche Congestionszustände im Halse als zu bekäm 
pfen darstellen, dürfen wir wohl den Herrn Verfasser auf unserer Seite 
stehend annehmen, wenn wir behaupten, daß dort und dann die Com 
bination, also die Weglassung des Weines, durchaus angezeigt ist. 
Wie heilt man Scropheln und Tuberkulose 
am richtigsten? 
(Zugleich als Beitrag zu dem Capitel von der Schwierigkeit 
der Einbürgerung des Vegetarianismus in Deutschland.) 
Mitgetheilt von Herrn Naturarzt G. Wölb old in Stuttgart. 
(Fortsetzung.) 
Dr. Richter fährt dann in seimm „Wasserbuche" folgen 
dermaßen fort: 
, Drei bis vier Stunden nach dem Mittagstisch werden dem Kran 
ken Arm- und Beinwaschungen gegeben, jedes Glied etwa 3 — 4 Mi 
nuten lang, mit 12 o R warmem Wasser, darauf die Leibbinde ge 
wechselt, Bewegung im Freien, Trinken von 2 Gläser Wasser. Das 
Abendbrod sei wie das Frühstück. Vor dem Schlafengehen 
erhält das Kind noch eine nasse Abreibung und die Leibbinde. Kom 
men bei dieser Kur die geschwollenen Drüsen zur Eite 
rung, dann werden sie mit einem einfachen erwärmenden Wasser- 
umschlage versehen, wobei sie meistens ohne entstellende Narben heilen. 
Kommt Fieber und kritische A u s s ch l ä g e , so ist die Kur zu 
mäßigen und blos auf eine 2malige nasse Einpackung mit nachfolgen 
dem abgeschreckten Bade zu beschränken. In der neueren Zeit lasse ich 
nach der Abendabreibung (und also vor Anlegung der Leibbinde?) 
Hals, Brust und Unterleib des Kindes sobald es im 
Bette warm geworden ist, mit Schweineschmalz ein 
reiben, und ich finde, daß dabei sich die Constitution rascher und 
entschiedener kräftig 1." 
Richter hätte hier wohl die Gründe angeben können 
für das Verfahren, seine- derartigen Kranken Schweine 
schmalz einreiben zu lassen. Neu ist die Sache nicht; in 
seinem Kopfe die Idee ursprünglich auch nicht gewachsen, 
denn ihm, als Mediciner, mußte ja bekannt sein, daß ein ge 
wisser Dr. Schneemann im Scharlachfieber Speckeinreibun 
gen (siehe Cannstatts Pathologie I. Band S. 3 \ 3) empfiehlt. 
Angeblich sollen dieselben Erkältungen vorbeugen und die 
Desquamation (Abschuppung der Haut) verhüten, womit dann 
auch alle in der Abschuppungszeit zu fürchtenden Zufälle weg 
fallen würden. Vor Schneemann kannte man Oeleinreibungen 
und nach ihm empfahl ein Dr. Wolfs — geschmolzenes 
Schweinefett, ohne daß übrigens — wie ©anstatt selbst ge 
steht — die an diese Fetteinreibungen geknüpften sanguini 
schen Hoffnungen der medicinischen Welt in Erfüllung gegan 
gen wären. 
Was ist nun aber die physiologische Wirkung 
einer, indifferenten Fetteinreibung auf die mensch 
liche Haut überhaupt? 
Ich will meine Ansicht darüber hiermit zum Besten geben. 
Im vorigen Jahrgange, im „Wasserfreund" Nr. 31, in 
meinem Artikel: „Die neuen Römerbäder" habe ich die Func- 
tion der Haut, unserer äußeren Körperbekleidung, näher be 
sprochen und bitte, das dort Gesagte nochmals nachzulesen. 
Hier nur so viel: Die Haut ist nicht allein Aus sch ei - 
dungs-, sondern auch Aufsaugungsorgan, wenn auch 
im beschränkteren Grade. Durch physiologisch-chemische Ver 
suche ist unbestreitbar festgestellt worden, daß die thierische 
Haut durchdringbar für Flüssigkeiten, wie für Gase, ist. 
Weniger dürfte dies der Fall sein mit der Hornschicht 
der Oberhaut, als mit den Oeffnungen der Schweiß- und 
Talgdrüsen und der Haarbälge, und wieder wird es auf die 
Beschaffenheit der Flüssigkeit und der Gase ankommen, ob 
eine Affinität da ist, nach dem Gesetze der Endosmose und 
Exosmose. 
Wird nun die äußere, warm sich fühlende Haut 
tüchtig mit Schweineschmalz eingerieben, so ist die nächste 
Folge die, daß Fetttheilchen in die in der Oberhaut ausmün 
denden Schweiß- und Talgdrüsenöffnungen (Poren) mechanisch 
förmlich eingepreßt werden und daß hierdurch wie durch die 
fettige Beschmierung der ganzen Oberhaut die Aufnahmefähig 
keit der darunter befindlichen gefäßreichen Lederhaut für Gase, 
wie für Flüssigkeiten, 'sehr vermindert, wo nicht gera 
dezu eine Zeitlang unmöglich gemacht wird, daß aber 
auch andererseits der permanente, für die Gesundheit so wich 
tige Vorgang der unsichtbaren dunstförmigen, wie der 
sichtbaren, tropfbar flüssigen Hautverdunstung 
wesentlich beeinträchtigt werden muß. Ob eine weitere 
Folge die ist, daß das in die unverletzte Oberhaut einge 
schmierte Fett*) in seine Bestandtheile, Kohlenstoff und Was 
serstoff, zersetzt oder wie im Darmkanal durch die Galle und 
den Darmsaft verdaut und dann in die Blutgefäße aufge 
saugt und in's Blut übergeführt wird, das weiß natürlich 
Dr. Richter so wenig als irgend ein anderer Sterblicher; ich 
für meine Person glaube nach Allem, was ich in meinen phy 
siologischen Büchern darüber angezeigt finde, daß dem nicht 
so ist! Das Fett wird also nicht zersetzt und nicht in's 
Blut aufgesaugt; was geschieht dann damit? Es trocknet ein 
und vermischt sich wohl mit den von Innen später abgesondert 
werdenden Feuchtigkeiten, wird mit denselben der Wäsche mit 
getheilt oder im Bade wieder entfernt. 
Richter sagt: „er finde, daß die Constitution der 
mit Fett Eingeriebenen sich rascher und entschie 
dener kräftige" —; wenn dies wahr ist, wenn keine 
Selbsttäuschung hier mit unterläuft, wenn wirklich nur in 
Folge dieser Schweineschmälzung eine solche Verän 
derung im Befinden seiner Patienten eingetreten, so müssen 
wir aber weiter forschen, wodurch wohl dieselbe hervorgerufen 
wird. Wie wir aus den Beschreibungen der „Bäder" wis 
sen, war es bei den Römern Sitte, nach ihren Dampf- und 
heißen Luftbädern den Badenden noch gehörig einzusalben; 
sie hatten dazu ihre unctoria, Salb- und Oelungszimmer; es 
geschah dies wohl in der Absicht, dadurch der in dem wär 
meren Clima, bei der durch die heißen Bäder so sehr gerei 
nigten und verdünnten und auch erschlafften Oberhaut, noth 
wendig gesteigert werden müssenden Verdunstung rc. vorzubeu- 
*) Anmerkung. Etwas Anderes ist es beim „Baunscheidti- 
siren "; da wird die Oberhaut porher mit 25 Nadeln verletzt, 
durch stochen, damit das scharfe Oel in diese kleinen Oeffnungen, 
welche die Lederhaut getroffen, eindringen kann; sonst würde dasselbe 
wohl kaum Pusteln erzeugen, und wenn man es auch Jahre lang 
einschmierte!
	        
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