Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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ganz allein, sich selbst überlassen, ohne Hülfe bei eintretendem 
Schwächezustand sein werde, daß das jüngere Kind, welches 
sie mitnehmen wolle, da sie sich mit demselben oft beschäfti 
gen werde, sie nur aufregen müsse, uud somit auf die Behand 
lung des Krankheitszustandes störend eingreifen werde, und 
endlich , aus die- Hinweisung, daß durch die Aufnahme der 
Molkenkur die naturärztliche aufgegeben würde, und der be 
reits wieder emporkommende Gesundheitszustand der Patientin 
äußerst herabgestimmt werden müsse, — auf Alles das erwi 
derte sie, daß sie wohl mit dieser Maßnahme ihres Mannes 
nicht einverstanden sei, aber sie könne sich derselben nicht wi 
dersetzen. 
P. hatte schon früher mir seinen Wunsch geoffenbart, 
seine Frau zum Genusse der Molke nach D. zu senden, und 
wenn dies nichts helfe, nach S. in's Mineralbad. Auf meine 
Vorstellung, daß, nachdem seine Frau sich schon besser fühle, 
wofür auch alle sonstige Anzeichen sprachen, es geradezu eine 
Thorheit sei, die naturärztliche Behandlung zu unterbrechen 
und eine wenn auch derselben nicht schroff gegenüberstehende, sodoch 
von ihr abweichende neue Kur zu beginnen, erwiderte er, es 
könne ja auch, während seine Frau zu D. der Molke genieße, 
das Dienstmädchen die Manipulation der Wickelungen, Um 
schläge und Klystiere fortsetzen. Hierauf fragte ich ihn, was 
wohl-ein solches Trampelthier vom Lande, das kaum unter 
deren Anleitung und der meiner Tochter die Manipulationen 
halbwegs gut ausführte, allein zu leisten vermögend sein 
werde? — wies auch darauf hin, daß eine Brustentzündung 
keineswegs zu den leicht zu heilenden Krankheiten gezählt wer 
den dürfe und, wie auch Allopathen annehmen, daß unter 
sechs derlei Krankheitsfällen kaum zwei in der Regel hiervon 
heilbar seien. 
Meine Erinnerung, daß wir noch nicht drei Wochen 
mit der Kranken manipulirten, mithin noch eine Woche zu 
zuwarten sei — worauf erst an Sie (die Redaction) berichtet 
und mitgetheilt werden sollte, in welches Stadium die Krank 
heit getreten sei; — drang endlich durch, so daß mir P. ver 
sprach, nichts bezüglich der beabsichtigten Molkenkur zu ver 
anlassen. Aber siehe da, wie bereits erwähnt, mein Freund 
war nicht sattelfest. — Der Schlüssel hierzu dürfte wohl 
nicht weit zu suchen sein — vermuthlich war er, außer noch an 
deren vielseitigen Einflüssen, in der Großmutter, in drei vor 
handenen weiblichen Geschwistern und in der Mutter der 
Frau P. wie in der Hebamme zu finden. — Ich sträubte 
mich also nicht länger — denn gegen die Dummheit streiten 
selbst Götter umsonst. — Es ging daher Samstag die Reise 
nach D. vor sich, an einem zwar schönen, aber kalten Tage. 
Was ich vorausgesagt hatte, traf richtig ein: die Moike war 
noch schlecht, denn die Schafe hatten noch keine gehörige Weide 
— dazu kam die Kälte, die aufregende Beschäftigung mit dem 
Kinde, dem die Halsdrüsen geschwollen waren, die Fahrt zu einem 
Allopathen, in einer garstigen, kalten und windigen Witterung 
— kurz, dies Alles brachte die Patientin, die überhaupt 
sammt ihrem Manne ein äußerst verwöhntes, durch Schlafen 
auf und unter Federbetten verweichlichtes Leben führten, trotz 
dem daß die Betten während meiner Behandlung zum minde 
sten bei der Frau beseitigt wurden — cm den Rand des Gra 
bes. P., davon benachrichtigt, siel in Ohnmacht und wurde 
mit harter Mühe zu sich gebracht. — Nachdem er hierauf 
nach D. abgereist war — verweilte er daselbst noch zwei Wo 
chen mit der Gattin, deren Jugendkraft zwar wieder über die 
Krankheitsanfechtungen obsiegte, deren Siechthum aber ein stets 
sehr gefährliches blieb und sich in stärkerem Husten und Ent 
zündungen, Hartleibigkeit, Kopfweh, kalten Füßen und Blut 
wallungen bis zu Ohnmachtszufätten kennzeichnete. Dies be 
stimmte die Patientin, um keinen Preis mehr in D. bleiben 
zu wollen. Bald nachdem sie mit ihrem Manne wieder in 
B. angelangt — kam sie kurz daraus zu mir und ersuchte 
mich inständigst, die Kur wieder aufzunehmen, indem seine 
Frau zu mir Vertrauen habe, und auch er an der im .,Na 
turarzt" beschriebenen Ableitungsform der Sitzbäder Geschmack 
finde, indem er glaube, daß solche für den Zustand seiner 
Frau passen würde. Ich begab mich also des folgenden 
Tages zu ihm, — allein da ich sah, daß seine Frau auf 
die Frage, ob sie sich wieder naturärztlich behandeln lassen 
wolle — keine bejahende Miene machte, geschweige denn aus 
drücklich darauf antwortete, so verließ ich trotz seiner Bitten, 
darauf nicht zu achten, das Haus. Bis jetzt hat die Patien 
tin schon mehre andere Heilmittel versucht, worunter das Trin 
ken von Mineralwasser eine Hautrolle spielt. Sogar Wun- 
der-Tincturen kamen aufs Tapet, bei denen selbst Schießpul 
ver eingemengt war, welches Gemenge aber zum Glück nicht 
an die Reihe des Gebrauches kam, sondern nur der Saft 
von Kürbiskernen. Alle diese Mittel habeü das Uebelbefinden 
natürlich nicht gebessert, sondern es verschlimmert sich von 
Tag zu Tag so sehr, daß, wie ich höre, Frau P. ihrem bal 
digen Ende entgegensieht. 
Schon längst hielt ich es für meine Schuldigkeit, Ihnen 
von dem Ausgang dieser von mir. nach Ihrer Anordnung in 
die Hand genommenen Krankheits-Behandlung zu berichten, 
denn es wäre der grasseste Undank gewesen, dies zu unter 
lassen, gegenüber Ihrem so äußerst bereitwilligen und humanen 
Anordnungsschreiben in dieser Krankheitsgeschichte. 
Seit ich Pränumerant Ihres Blattes „der Naturarzt" 
bin, trachte ich gelegentlich dahin, durch Mittheilung desselben 
allenthalben, die darin ausgesprochenen Principien bezüglich 
des naturärztlichen Heilverfahrens zu verwerthen — und dies 
findet im Allgemeinen Anklang, wenn auch darauf ein nähe 
res Eingehen nur bei Wenigen gelingt, denn die Mehrzahl 
hängt, wenn sie gleich die Gemeinnützigkeit Ihres Blattes an 
erkennt und von der Schädlichkeit der allopathischen Heilme 
thode überzeugt ist, noch zu sehr an Vorurtheilen, um einen 
baldigen Durchbruch zum Besseren, ohne Rückfall an das zur 
Gewohnheit gewordene alte allopathische Regim, hoffen zu 
lassen. Auch finde ich, wie gewiß all und überall, in der zu 
gethanen neuen Heilrichtung mir gegenüber der Gegner genug, 
und dann muß ich des Spottes oft viel ertragen, ich weise 
ihn aber tapfer zurück, aus Liebe zur Wahrheit und der 
Menschheit. L. W. in Bo... 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriatische Novelle. . 
(Fortsetzung.) 
Herr Rühle. Nun, wie ist's denn, Frau, hat Mat 
chen heute noch nicht Leibesöffnung gehabt? 
Frau Rühle. So viel ich weiß, allerdings nicht, 
vr. Helfer. Dann würde auch das Einfachste und 
Erste sein, daß Sie ihr ein volles Klystier von frischem Was-
	        
Waiting...

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