Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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wo alle Erfahrungen für das Gegentheil sprechen, indem ge 
rade diese Lebensweise mit den mannichfaltigsten Nachtheilen 
für dieselbe verknüpft ist? Was ist denn die Gicht, die sei 
nen eigenen Körper plagt, anderes, als die Strafe für seine 
cadaverösen Genüsse, oder, nach Bock, der abgelagerte Stick 
stoffüberschuß des genossenen Fleisches? Doch genug und 
übergenug! Herr C. hat eben auch die Bock'sche Fleisch- 
manie in sich aufgenommen: da ist's nicht zum Verwundern, 
wenn er für denselben seine Lanze einlegt. 
Balder, als ich, seinem Schreiben nach, ihn erwarten 
durfte, kam nun der Herr C nach München und am 16. Fe 
bruar, Morgens 8 Uhr, nach Brunnthal. Nachdem er seinen 
Sohn gesehen und gesprochen, kam er auch zu mir, und um 
gleich von vornherein allen nochmaligen, unlieben, jetzt münd 
lichen und darum gefährlicheren Debatten von seiner Seite 
zuvorzukommen und selbigen vorzubeugen, erinnerte ich ihn 
blos daran, daß er seinen Sohn, den er mir im November 
zum Sterben hergebracht, nunmehr doch noch lebend 
und keineswegs ganz hoffnungslos angetoffen habe! Die 
ärztlichen Anschauungen in Bezug auf Behandlung von Kran 
ken seien einmal verschieden und würden es bleiben in alle 
Zukunft, sagte ich ihm ferner; könne er nun den von mir 
bei seinem Heinrich eingeschlagenen Behandlungsweg nicht 
billigen, so möge er denselben in Gottes Namen lieber mit 
fort nehmen, dahin, wo er glaube, daß derselbe am besten 
aufgehoben sei, da ich, wenn ich auch wollte, der F.'schen 
Indolenz wegen, seinen Wünschen bezüglich exquisiter anima 
lischer Ernährung Heinrichs nicht Rechnung tragen könne. Er 
mäßigte sich nnn, machte mir keine weiteren Vorwürfe mehr 
ä la Dr. Sassafras, bedankte sich gegentheils für die viele 
Mühe, Sorgfalt und Opfer, die ich sonst wegen seines Soh 
nes an den Tag gelegt, honorirte mich noch extra auf nicht 
ungeneröse Weise und reiste am anderen Morgen, den 18. 
Februar, mit Heinrich von Brunnthal ab. Wohin? das er 
fuhr ich nicht, das wußte Herr C. wohl selbst nicht recht, da 
er den Tag zuvor in München mehrere Besuche machte und 
Erkundigungen einzog und sich gegen die anderen Kurgäste 
dahin aussprach: er habe im Sinne, nach Meran, Venedig, 
Cairo zu gehen. Wahrscheinlich ist er mit seinem Sohne ge 
raden Weges nach Hause gegangen! Und was hat er nun 
erzielt, nachdem er seinen Heinrich noch fünf volle Monate 
und darüber die Füße wieder unter seinen excellenten Bock- 
schen Carnivorentisch stellen lassen konnte? — ein Leichen 
tuch! 
Wenn ich mir irgend den leisesten Vorwurf machen 
könnte, dieses Leichentuch meinerseits durch die nicht reichlich 
gereichte animalische Kost früher herbeigeführt zu haben, als 
sonst geschehen wäre, dann müßte ich mich Zeit meines Le 
bens unglücklich fühlen. Damit aber auch die Leser dieser 
Blätter aus der vorstehenden Krankengeschichte Etwas lernen, 
damit sie ferner in den Stand gesetzt sind, nach Maßgabe ihres 
gesunden Menschenverstandes sich ihre Gedanken darüber zu 
machen, wie schwierig es ist, hier überhaupt ein sicheres Ur 
theil zu fällen, wo die Meinungen und Ansichten von soge 
nannten Autoritäten und anderen gescheidten Leuten ebenso 
wie die Erfahrungen von Tausenden so ganz verschieden sind, 
so gebe ich in Nachstehendem in Form von Citaten zu Nutz 
und Frommen derselben eine Zusammenstellung derjenigen Heil 
methoden und Behandlungsweisen, welche nur allein dem 
praktischen Naturarzte (der in seinem Fache nicht stillsteht, 
sondern vorwärts strebt) bei Behandlung jcrophulöser und 
tuberkulöser Krankheitszustände heutigen Tages zur 
Beachtung und Prüfung sich bemerklich machen. 
Dr. Steinbacher, der bekannte Prießnitz-Schroth'sche 
Combinator, Dampfbäder - Perfectionator und Cultivator, der 
mit besonderer rühmenswerter Energie, wenn auch nicht ohne 
mancherlei von den unseren abweichende Ansichten die Re 
generation des kranken Menschengeschlechtes mit allen Mit 
teln und „außerhalb der Apotheke" anstrebt, sagt 
Seite 154 seiner Schrift: „Handbuch des Naturheil 
verfahrens" über die scrophulöse Säftemischung 
und deren naturärztliche Behandlung Folgendes: 
„Es ist eine und dieselbe Ursache der Blutabnormität, 
welche verschiedene Drüsenentzündungen und Anschwellungen, 
Geschwüre und Knochenfraß. Augenentzündungen und Na 
chengeschwüre. zerstörende Blutgeschwüre, Knochenbrand und 
schiefe Knochen erzeugt. Es ist nicht zu leugnen. daß die 
Seropbulose seit der unglückseligen Einführung der Jmpf- 
vergistung durch Jenner in einem fortschreitenden Maße zu 
genommen hat" 
„Hauptgrundsatz zur Umwandlung der Scrophelanlage nach unse 
rer Erfahrung bleibt vor Allem — strenge Vermeidung der 
Milchkost, trockene Fleischnahrung mit wenig Brod, vor 
züglich kalte Speisen, wenig Getränke, Wasser mit ve 
getabilischen Säuren, wie Obstsäure, vor Allem Aepfel- 
wein, Limonade, säuerliche Obstarten, langer Gebrauch des 
Leibumschlages während der Nacht, wo eine vollkommene Kur nicht ein 
geleitet werden kann, gymnastische Uebungen. 
Durch die vollkommene Kur aber mittelst Einwirkung auf das ge- 
sammte Hautorgan durch Einhüllungen, Umschläge, verschiedene Arten 
von Bädern (Dampfbäder) werden die in und von dem Körper gelösten 
Krankheitsstoffe nach Außen abgegeben, während durch die Entziehungs 
kur namentlich die in der Säftemasse kreisenden und darin überwie 
genden krankmachenden Stoffe aufgelöst werden und zwar dadurch, daß 
dem Organismus das zum Umsätze taugliche Neue, was 
dem Krankheitsbestande nur ein üppig es Wuch ern sicherte, 
entzogen wird. „Dadurch allein" — sagt Dr. Steinbacher — „sah 
ich schon die hartnäckigsten Sero pH ein, die Allem getrotzt hat 
ten, weichen und aus hinsiechenden Geschöpfen wieder gesunde, lebens 
frische Kinder werden." 
Dr. Kadner, der „wissenschaftliche Begründer 
(wie er selbst von sich sagt) und fanatische Vertreter 
des ursprünglich „Schroth'schen Heilverfahrens", 
das er aber nie an Ort und Stelle selbst, d. h. bei 
Vater Schroth in Lindewiese kennen gelernt hat, sagt in 
seiner jüngst erschienenen Schrift: „die diätetische Heil 
lehre in ihrer praktischen Anwendung" Seite 195ff. 
über Scrophelkrankheit Folgendes: 
,Die Serophelsucht ist hauptsächlich Kinderkrankheit; 
erstreckt sie sich aber über die Periode der Geschlechtsentwik- 
kelung hinaus, so wird sie bedenklicher, zerstört die Nasen- 
scherdewand erregt chronischen Husten. Tripper und weißen 
Fluß; endlich kann sie später als Lungentuberkulose, 
als Krebs der Brüste und des Gesichts auftreten und den Tod 
herbeiführen." 
Es läßt sich nicht läugnen, daß diese Krankheit von den Eltern 
auf die Kinder sich forterbt, oder daß andere Uebel derselben die 
Scrophelanlage bei den Kindern erzeugen. 
Bei der scrophulösen Anlage ist zunächst auf eine gesunde, 
leichtverdauliche Nahrung zu sehen; sie muß bestehen in guter, ge 
sunder Milch, jedoch muß die Milch solcher Kühe vermieden wer 
den, welche mit sogenannter Branntwein-Schlempe gefüttert werden. 
Ferner ist die thierische Kost nur sehr mäßig anzuwenden; mehr 
noch wie das gefürchtete Brod und die wässerigen Kar 
toffeln wird das Fleisch, sei es roh oder gekocht, den Kin 
dern, seiner Schnellverdaulichkeit wegen, nachtheilig 
sein. Bäder oder Abreibungen mit ausgerungenen, feuchten Tüchern, 
kurz vor dem Schlafengehen, werden die mehr mild auszuführende Kur 
wesentlich unterstützen. 
Was die Radicalbehandlung der ausgebildeten Krank 
heit betrifft, so strebt die gewöhnliche Heilkunst nach Verbesserung der 
Verdauung, Belebung des lymphatischen Systems und Beschränkung
	        
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