Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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der Anstalt — sich eingelassen haben, der besser gethan hätte, blos 
Gastwirth zu bleiben, als sich mit der Naturheilkunst zu befassen! Ich 
würde mich an Ihrer Stelle sobald als möglich von ihm trennen, weil 
auch Ihr hydriatrischer Ruf darunter leiden muß. Es ist doch mehr 
wie lächerlich, wenn Herr F. eine Klage über schlechte Beköstigung da 
mit zurückweisen will, daß er sagt, es ließe sich für so wenig Gäste 
nichts Ordentliches kochen. Freilich kann er sich aus einem Kessel mit 20 
Pfund Fleisch leichter eine Portion Bouillon zum Frühstück Mr sich 
geben lassen, ohne daß es an der Table d’höte gemerkt wird, leichter 
als aus einem solchen, in dem sich für 4 Gäste 1 Pfund findet. Ich 
kenne das genau: ich lebe jetzt mit einer Magd und 2 Kindertt hier; 
zur Suppe wird 1 Pfund Fleisch verwendet, und sie ist excellent; 
außerdem giebt es etwa 3 /4 Pfund Braten pro Kopf, da das ausge 
kochte Fleisch nicht gegessen wird, und sonst Nichts! aber ich versichere 
Sie, daß ich excellent lebe. Das Pfund Fleisch kostet hier 18 Kr-, in 
München 14 Kr. Ausgekochtes Rindfleisch kann mein Magen nicht 
mehr bewältigen, deswegen lasse ich es liegen; verzehre ich es, so ist 
Magendrücken, Blähungen, Schleimauswurf die Folge. Was das 
feine Weizenbrod betrifft, das Sie Heinrich geben lassen, so halte ich 
das für kraftloser, wie ein gröberes, welches stickstoffhaltig ist, während 
jenes nur Stärkemehl enthält, wie die Kartoffel. Ich lasse wir zu 
meinem Hausgebrauch Brod aus Weizenmehl backen, aus dem nur die 
groben Kleien ausgesiebt sind, und wir befinden uns alle ganz vor 
trefflich dabei. Wir genießen dieses Brod mit Aepfelkraut, wie Hein 
rich es hat, zur Milch, ohne uns den Magen zu verderben. Ich habe 
die Bemerkung gemacht, daß die Schleimerzeugung viel geringer ist 
bei diesem Kraut, als bei Butter, welche Husten erzeugt, weil durch 
diesen der vor dem Kehlkopfe sich ansetzende Schleim entfernt werden 
soll. Doch genug der physiologisch-gastronomischen Bemerkungen. 
Das vierte Blättchen fährt fort mit: 
„Meine Vermuthung, daß es ein Fr eß sieb er sei, was hier in 
D., bevor ich Heinrichs Diät änderte, ebenso leicht eintreten konnte, 
wie es naturnothwendig in Brunnthal eintreten muß, möchte nicht so 
ganz ohne Grund sein. Es käme auf eine Probe an. Der Hunger 
erzeugt auch Fieber. Doch brechen wir ab! Ich habe das Vorstehende 
geschrieben, um keine Pflicht zu versäumen, da ich selbst nicht Hand an 
legen bars i?) an den Jungen. Hätte er seine Beine unter meinen ein 
fachen Tisch stecken können, es stände besser mit ihm. Sie meinten: 
ich sei ein Mann des Augenblickes! wenn ich's wäre, dann wäre ich 
ein Verehrer der Allopathie, als der Heilkunst, deren Clienten früh 
oder spät der augenblicklichen Erfolge wegen in's Gras 
beißen. Die augenblicklichen Erfolge hole der Teufel! Wenn Sie 
noch lange auf Ihrem Consequenz-Schimmel reiten, dann geht Hein 
rich zu Grunde. Der Schimmel ist ein Blender, etwas für den Lieb 
haber, aber nicht für den Kenner. Der Junge muß freilich jetzt nach 
dem er 10 Wochen gleichsam ausgehungert ist, sehr vorsichtig aufge- 
peppelt werden, aber nicht mit Wassersuppen und Arrowrout oder an 
derem nichtssagenden Zeuge. — Nun, machen Sie in Ihrer Weisheit, 
was Sie für gut halten; ich hoffe nicht mehr auf Menschenhülfe, weil 
die Menschen nicht mehr auf die Stimme Gottes, d. h. auf die der 
Natur hören. Möge Gott dem Jungen gnädig sein! 
Leben Sie recht wohl! In 14 Tagen hoffe ich Sie wiederzu 
sehen. C." 
(Fortsetzung folgt.) 
Versprochener Nachtrag, Verstopsungeu 
betreffend. 
Von A. Ri Ni, Naturarzt in Veldes und Triest. 
(Schluß.) 
2. Fall. 
Gerichtsactuar A. H. aus W. kam vor 6 Jahren sehr 
abgemagert, schwach, im höchsten Grade hypochondrisch nach 
Veldes in die Kur. Sein Hauptleiden war chronische Ver 
stopfung, so daß er nur alle 5 bis 6 Tage eine kärgliche Oeff- 
nung zu Stande brachte. Dabei geringe Eßlust, und aß er 1 
Loth über das genaue Maß, so traten gewaltige Verdauungs 
und Kopfbeschwerden ein. Seine Freunde hielten ihn für ver 
loren, und Niemand glaubte, daß er wieder zurückkehren würde. 
Natürlich waren bei diesem Leiden noch mehrere andere Krank 
heitssymptome vorhanden, die hier Nebensache sind. 
Eine annähernd ähnliche Kur, wie die oben gegebene letz 
tere, mit einigen individuellen Abweichungen, als: häufigere 
Klystiere (3 bis 4 am Tage), keine Trockendiät, kürzere Dampf 
bäder re. stellten den Mann in 3 Monaten sv her, daß er 
ganz normalen Stuhl, prächtigen Appetit und sehr gute Verdau 
ung hatte, wornach natürlich sein Gemüthszustand wie aus 
gewechselt wurde; als Krisen gingen Massen von Schleim ab, 
einzelne Male ganze kleine Strünke von purem, dichten Schleim, 
besonders nach Ausstügen auf holperigen Leiterwagen, wes 
halb dann auch die Kurgesellschaft diese Wagen Krisenwagen 
taufte. Zwei Jahre später kam er dick und gefärbt zurück 
und litt nun in Folge zu guten Lebens an einem entgegenge 
setzten Leiden, nämlich etwas an Kopfcongestionen. Die Stuhl 
function war immer normal geblieben. 
3. Fall. 
In der Familie des Schulrathes M. zu L. war es je 
desmal eine Art Familienfest, wenn das kleine, vierjährige 
Töchterchen zu Stuhle kam. Nachdem, wie fast immer, früher 
mit Medicinen viel vergeblich versucht worden, wurde endlich 
der Hydropath geholt. Eine sechswöchentliche Kur von ein 
saugenden kleinen Klystieren, Leibbinde, erregenden, langdau 
ernden, nassen Einpackungen und Sonnenbädern, mit nachfol 
genden, abgeschreckten Halbbädern und einem täglichen, abend 
lichen Sitzbade von Anfangs 18 Grad, allmälig 14 Grad 
und 10 Minuten Dauer, brachten die Kleine auf vollkommen 
normalen täglichen Stuhl, ohne weiteren Klhstiergebrauch. 
Ueberhaupt habe ich bei individuell richtigem und ver 
steht sich nicht alleinigem Gebrauch derselben gegen Verstopf 
ung nie Angewöhnung gesehen, und beziehe mich deshalb aus 
meinen früheren Aufsatz über Klystiere im „Naturarzt" Nr. 
16 Seite 128. 
Der 4. Fall 
giebt die Behandlung eines Typhusfalles, welcher im „Natur 
arzt" Nr. 28 erwähnt ist. Die Mutter schrieb sie auf mei 
nen Wunsch hier selbst nieder, wie folgt: 
„Im Octvber des Jahres 1856 erkrankte mein 6 jähriges 
Töchterchen, ein lebhaftes, erregbares Kind von zarter Con 
stitution, doch sonst ganz gesunden Säften, am sogenannten 
Abdominal-Typhus. Die Kraukheit begann mit stechendem 
Kopfschmerz auf der rechten Seite und Schmerzen über der 
linken Hüfte, bis gegen den Magen hin; dies dauerte beiläufig 
3 Wochen, wobei das Kind gelbliches Aussehen und keinen 
Appetit hatte, auch seine Munterkeit fast ganz verlor. Ich 
hatte einen kleinen Begriff von und etwas Vertrauen zur 
Hydropathie, aber mein Mann und unsere Verwandten (wor 
unter auch zwei allopathische Doctoren) lachten mich nur ent 
weder ungalant ganz offen aus, oder, artiger, hinter meinem 
Rücken, wenn ich der Kleinen einen erregenden Umschlag oder 
eine halbe Einpackung gab; leider konnten meine furchtsamen 
Dilettanten-Versüche die Krankheit nicht aufhalten, welche jetzt 
ernstlich mit heftigem Fieber, abwechselnd mit Hitze und Kälte, 
und öfterem Erbrechen von Galle, auftrat. I)ie ersten
	        
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