Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

266 
es hatte sich auch seine Muskelkraft zur Zeit schon so verbessert, 
daß er im Stande war, eine Last von 500 Pfund zu tragen, 
was er im Alter von 30 Jahren vergebens versucht hatte. 
Bor mehreren Jahren hatte er sogar seine Stimme 
fast ganz verloren; diese war dagegen jetzt deutlich 
und stark. Um seine eigene Aeußerung zu gebrauchen, so war 
er jetzt „von einem Ungeheuer in einen Menschen von gehörigen 
Proportionen umgewandelt' — von dem Zustande eines unge 
sunden, abgelebten, alten Mannes in den der vollkommenen 
Gesundheit, der. Kraft und Thätigkeit der Jugend übergegangen. 
Sein Fleisch war jetzt fest, seine Gesichtsfarbe gesund, und 
was besonders bemerkenswert erscheint, sagt Br. Baker (der 
Berichterstatter dieses Falles) war, daß die Integumente seines 
Unterleibes (Bauchdecke), welche ich schlaff und herabhängend 
vermuthete, sich beinahe im Verhältnisse seines verminderten 
Umfanges zusammengezogen hatten. Verhindert durch 
ein abergläubisches Vorurtheil wollte Mr. Wood niemals ge 
statten, sich wiegen zu lassen, weder in dem Zustande seiner 
ungewöhnlichen Corpulenz, noch in dem seiner Redaction, doch 
nahm man an, daß er gewiß 10, vielleicht 11 Stein (d. i. 
1—l T j 0 Ctr.) an Gewicht verloren haben müsse. 
Ein sehr bemerkenswerther Umstand in der Lebensweise 
dieses entschlossenen und körperkräftigen Müllers war noch die 
Zeit, welche er für den Schlaf bestimmt hatte: Er legte sich 
Abends um 8 Uhr oder auch noch früher zu Bett, und stand 
des Morgens um 1 oder 2 Uhr auf, nicht mehr als 5 oder 
6 Stunden schlafend. 
Dr. Baker sagt, daß er dreimal Gelegenheit hatte, seinen 
Puls zu untersuchen, und zwar stets des Morgens gegen 10 
Uhr, wo der Müller schon 6 Stunden lang umher gegangen 
war. Das erste Mal zählte er 45 Schläge in der Minute, 
das zweite Mal 47 'und das dritte Mal blos 44. Dieses 
sind ohngefähr 30 Pulsschläge weniger, als der gewöhnliche 
Puls eines gesunden Mannes zählt, während bei den meisten 
Personen gewiß ein sechsstündiger, bloßer Spaziergang die 
Thätigkeit des Herzens vermehren würde. 
Die auffallendste Erscheinung bei diesem Falle ist jedoch, 
daß sich Mr. Wood alles Trinkens enthielt, in einer Weise, 
daß, wie wir glauben, kein anderes so authentisches Beispiel 
darin vorhanden ist. Die Erzählung geht bis zum 22. August 
1771, wo der Müller in seinem 52sten Jahre war, immer 
dieselbe Lebensweise befolgend, und ebenso dieselben Vortheile 
davon genießend. 
Versprochener Nachtrag, Verstopsungeu 
betreffend» 
Von A. Rikli, Naturarzt in Veldes und Triest. 
Im „Naturarzt" Nr. 16, Artikel über Klystiere (S. 129) 
versprach ich, über einzelne interessante Fälle von Verstopfungen 
zu berichten, als Gegenstellung zu dem Satze, daß Salz und 
Oel, das Trinken von Soolquellen re. zur Hebung dieses Uebels 
nöthig sei. 
1. Fall. 
Im Oetober 1861, von meiner Sommerheilanstalt Veldes 
nach Triest zurückgekehrt, wurde ein blinder Patient, Herr 
Baron O. H. aus Rheinpreußen, zu mir hereingeführt, um 
mich bezüglich seines seit 2 Jahren fast ganz verlorenen Augen 
lichtes zu consultiren. Ich ließ mir, »wie gewöhnlich, die ganze 
Geschichte seiner Leiden erzählen, wovon ich die Hauptmomente 
hier wiedergebe. „Im 18. Jahre — theilte er mir mit — fing 
ich an, schlechten Stuhl, schweren Kopf und Nebel vor den Augen 
zu bekommen; nach dem Stuhlgang ging der Nebel gewöhnlich 
weg. Hierauf wurde mir Schröpfen über Rücken und Ma 
gen, viel Flersch- und Weingenuß, Brechmittel, ölige Abführ 
mittel verordnet, welches alles nichts half, sondern noch 
Schmerzen in den Ohren und Zähnen, Zahnfleisch, wunde 
Zunge und öfters zu acht Tage Mundsperre nach sich zog. 
Hierauf wurde Molkenkur, Milch-, Mehl- und Grünspeisen- 
Diät, dann dreimonatliche Kur in Homburg, Ochsengallegenuß 
und im folgenden Jahre wieder Homburg verordnet; der 
Stuhlgang wurde etwas besser, dafür aber kam ich sonst sehr 
herunter, wurde zitternd, nervös, bekam 2 und 3 Pollutio 
nen in einer Nacht, worauf mir noch warme 'Sitzbäder ver 
ordnet wurden, und mußte in Folge hiervon Homburg nach 
drei Wochen aufgeben. 
Br. Wenzel aus Mainz sandte mich dann nach Kissin- 
gen, um in den Soolquellen zu baden und vom Ragoczybrun- 
nen zu trinken. Die nervöse Schwäche blieb, und Br. Die- 
rouf sandte mich nach Schwalbach im Taunus, zum Baden 
und Trinken der Stahlquelle. Nach leichter Besserung trat 
im folgenden Winter das alte Uebel Verstopfung wieder ver 
stärkt ein. Darauf ging ich wieder zu Br. Wenzel in Mainz, 
der durch sechs Monate alle möglichen Medicinen anwendete 
und Blutegel an den Schläfen setzen ließ, wegen beständiger 
Kopfschmerzen; am Rücken und an der niederen Bauchgegend 
ließ er mich schröpfen, und dann die Wunden mit Eisentinc- 
tur zur sogenannten Stärkung einpinseln; Stuhl wurde durch 
Ricinusöl, große Kaiserpillen, warme Klystiere mit 2 und 
3 Löffel Salz jedesmal erzwängt. Im folgenden Sommer 
wurde ich von ihm in die Seebäder nach Ostende 14 Monat 
gesandt, welches ohne alle Wirkung blieb, ja sogar stärkere 
Verstopfung, Schlaf und Appetitlosigkeit trat ein. Trotzdem 
wurde ich das folgende Jahr wieder nach Ostende gesandt, 
ohne besseren Erfolg; hierauf immer mehr oder weniger Me 
diciniren und warme Fußbäder, wegen Verstopfung und Ne 
bel vor den Augen. Endlich kam ich nach Wim, und bekam 
auch hier nacheinander Pulver, Pillen, Tränke! zum Abfüh 
ren, bis endlich die Aerzte selber davon abriethen und mich 
ausgaben, sie, die mich nur abwärts kurirten und mich zum 
elendesten aller Menschen machten, denn seither sind 15 Jahre 
verflossen, und mein Zustand ist heute folgender: 
Ich bin 33 Jahre alt, habe an einem Auge nur noch 
einen ganz unbedeutenden Lichtschimmer, so daß ich mrch, wie 
Sie sehen, jeden Schritt und Tritt führen lassen muß, ich 
leide an häufigen Kälteschauern durch Rücken und Arme, Be 
ängstigung beim Gehen, häufigen Pollutionen, gänzlicher Appe 
titlosigkeit; nach dem wenigen Essen habe ich ungeheure 
Schwere, Schläfrigkeit, Sodbrennen, saures Ausstößen, pappigen 
Mund, schlechten bitteren Geschmack, kolikartige Schmerzen, ein 
bis zwei Tage dauernd, welchen dann manchmal ein Stuhl 
folgt. Ohne Medicin kein Stuhl, und dann höchst irregu 
lär, zu wenig, zu hart und meist aufgetriebener Unterleib. 
Der Schlaf sehr beunruhigend, beängstigend, beim Erwachen 
matter, als Abends, durch geschlechtliche Erregungen .immer 
gequält, kalte Füße, kalte Hände, heißen Kopf, schlotternd in 
den Knieen, zitternd in den Händen, Urinstrahl schlaff herab 
fallend, ohne alle Kraft, mit sehr häufigem Drang, Zunge
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.