Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Notizen über den BaunscheidtisnM zugehen, veranlaßt und 
verpflichtet mich gewissermaßen, Mitarbeiter Ihres „Na 
turarztes" zu werden. Ich habe freilich bereits in einem eige 
nen Schriftchen („Baunscheidt's Lebens Wecker und die 
exanthematische Heilmethode. Für Laien und Aerzte. 
Leipzig, H. Fries, 1863. Erster oder allgemeiner Theil"), 
meine Ansichten über diesen neum und wichtigen Zweig der 
Volksmedicin niedergelegt und werde in dem noch dieses Jahr 
erscheinenden zweiten oder speciellen Theile Weiler nachweisen, 
wie weit die Anwendbarkeit des Verfahrens sich erstreckt und 
welches die zweckgemäßeste Anwendung ist; ich möchte aber 
trotzdem, zumal diese Schrift nicht all' Ihren Lesern bekannt 
werden wird, zu einigen Auslassungen des Herrn Vanoni in 
Ihrem Organe mir mehre kurzgefaßte Bemerkungen erlauben, 
von denen ich hoffe, daß sie Ihnen und Ihren Lesern nicht 
unwillkommen sein werden. 
Die Angriffe des Herrn Vanoni auf die moralische 
Seite der Praxis des Herrn Baunscheidt würde ich lieber mit 
Stillschweigen übergehen. Da dieselben aber auch von den 
Herren Bock, Karsch u. A. in den Vordergrund gestellt wer 
den, so will ich meine Meinung nicht verhehlen. Auch ich 
würde aus der Bereitung des Oeles kein Geheimniß machen, 
aber ich mache Herrn Baunscheid auch keinen Vorwurf daraus, 
daß er sein Oel. einstweilen noch als Geheimmittel verkauft. 
Warum? Einmal darum, weil er bald zwölf unversorgte 
Kinder haben wird, für die Niemand sorgen wird, wenn er 
es nicht thut. Sein Vermögen hat er zugesetzt, als er die 
Erfindungen machte, jetzt muß eine vor Allem glückliche Er 
findung ihm wieder zu Vermögen, d. h. zur bürgerlichen Exi 
stenz, verhelfen. Schlage doch Jeder an seine Brust und frage 
sich, ob er in derselben Lage nicht ähnlich handeln würde. 
Sodann: Baunscheidt hatte auf die Erfindung seines Lebens 
weckers ein Patent nachgesucht, das ihm nicht verliehen wurde. 
Herr Vanoni sagt selbst, daß „das Instrument vielfältig mit 
mehr oder minderer Geschicklichkeit nachgemacht wird" —; hatte 
und hat Herr Baunscheidt, dieser offenbaren Ungerechtigkeit 
gegenüber, nicht volles Recht, sein Oel als sein Geheimniß, 
d. fy. als sein Eigenthum zu behalten und zu verwerthen. 
Herr Vanoni mag Salzwasser oder Urin in die punktirten 
Hautflächen einreiben, der größere Theil des Publikums wird 
das Baunscheidt'sche Oel dem Vanoni'schen Surrogate vorzie 
hen. — Und jedenfalls hat Herr Baunscheidt seinem Reich 
thum eine Erfindung zum Grunde gelegt, während Viele für 
Ehrenmänner gelten, die nur durch Betrug, durch Erbschlei 
cherei, durch elendes Kriechen rc. es zu dem gebracht haben, 
womit sie groß thun. Aber darüber wollte ich nicht schreiben. 
Ich wollte nur kürzlich meine Ansicht über das Wesen 
und die Wirkungsart der Baunscheidt'schen Heilmethode aus 
sprechen, von der Herr Vanoni kaum eine Ahnung zu haben 
scheint. Das Wesen ist die Reizung des peripherischen Ner 
vensystems und deren Reflex auf die nervösen Centralorgane, 
besonders das Rückenmark, sodann die Hervorrufung des künst 
lichen Exanthemes und dessen Einwirkung aus die bei jeder 
Krankheit beeinträchtigte Stoffmetamorphose. Die Beeinträch 
tigung des Stoffwechsels ist das Wesen der Krankheit. Die 
Krankheit ist die Naturselbsthülfe gegen diese Störung, und 
der künstliche Ausschlag, den wir Hervorrufen, ist das erfolg 
reichste Unterstützungsmittel für diese Naturselbsthülfe. 
Der verstorbene Lehmann und viele der besten Forscher 
geben zu; daß bei Krankheiten, abgesehen von den mechani 
schen Gebrechen an unserer Lebensmaschine, die Blutbestand 
theile ungenügend oxidirt, d. h. — erneuert werden. Ich 
selbst habe mich hinreichend von der Richtigkeit dieser Be 
hauptung überzeugt und bin außerordentlich erfreut gewesen, 
als ich in dem künstlichen Exantheme, wie BaunfchAd es her 
vorruft, ein durchaus zweckmäßiges Mittel entdeckte, um mehr 
Sauerstoff dem Blute, d. h. der Gesammtsäftemasse und dem 
Organismus überhaupt zuzuführen. Ich meine, daß man 
durch -keine der vielen modernen Kurmethoden das richtigste 
Ziel so sicher und — so ungefährlich erreicht. Das Kaltwas 
ser weiß ich zu schützen, aber ich weiß, daß es auch sehr, sehr 
gefährlich wirken kann und daß viele Patienten sich in den 
Kaltwasserheilanstalten, die schlecht geleitet waren, Tod oder 
doch unheilbares Siechthum geholt haben. Das Turnen ist 
eine herrliche und besonders in politischer Hinsicht unschätzbare 
Errungenschaft unseres Jahrhunderts. Auch das Ling'sche 
Geturntwerden ist keineswegs so zu verachten, als manche 
Principienreiter es darstellen möchten, sogar das gute Bier 
von Hoff und der gute Apfelwein von Petsch u. A. haben 
ihre löblichen Wirkungen, aber das Alles ist Nichts und nicht 
in Vergleich zu bringen mit unserem Verfahren, das un- 
schmerzhaft das Nervensystem anregt, unschmerzhaft die Epi 
dermis genügend öffnet, um einer excitirenden Substanz Ein 
tritt zu verschaffen, welche künstlich den — Heilausschlag 
hervorruft. Nach mir ist nämlich jeder Ausschlag Heilaus 
schlag, d. h. ein Bestreben der Natur, ungehörige Mischstoffe 
aus der Lebensmaschine zur Ausscheidung zu bringen ui*d da 
mit Platz für besseres Bildungsmaterial zu schaffen. Deshalb 
ist eine richtige, d. h. eine rationelle Diät, wie u. A. Mole 
schot sie lehrte, von einer noch viel zu wenig begriffenen Wich 
tigkeit. Es giebt eine Kunst zu essen und zu trinken, von der 
nur Wenige -eine Ahnung haben, und die doch ein unabweis 
bares Erforderniß zum Gesund- und Glücklichsein ist. Aber 
auch darüber wollte ich hier nicht sprechen. 
Herr Vanoni sagte, eine „mehr oder minder energische 
Application der Baunscheidt'schen Nadeln rc" bedingt den 
Heilerfolg. Allerdings, aber mehr als in dem mirakulösen 
Oleum Baunscheidt's kommt es auf die richtige Ermittelung 
und Ausführung des erforderlichen „mehr oder minder" 
an, um des Heilerfolges sicher zu sein. Direct schaden 
wird man durch Irrthümer in dieser Hinsicht nicht, aber wohl 
indirect, indem man die Krankheitsursache nicht, so unmittel 
bar und bewältigend angreift, als dies möglich ist, wenn 
man das Verfahren gründlich und, wie ich es von mir sagen 
darf, wissenschaftlich studirt hat und anwendet, wenn man 
sich, wie ich es gethan, in die Lage versetzt hat, „möglichst 
genaue und unpartheiische Aufschlüsse und Aufklärungen zu 
geben." 
Die Aufklärung, die Herr Vanoni, wahrscheinlich aber 
in bester Absicht und seiner aufrichtigsten Ueberzeugung gemäß, 
giebt, — ist nicht genau, denn sonst würde er den Wirkungs 
kreis des Verfahrens nicht auf „gewisse acute Leiden, beson 
ders Rheumatismen und beginnende Gichtleiden" beschränken^ 
sonst würde er Epilepsie, Cholera und Nervenfieber nicht so 
unbedingt ausschließen, denn gerade für diese und ähnliche 
Leiden haben wir so zahlreiche Belege, die für die Heilkraft 
unseres Verfahrens sprechen, daß Herr Vanoni sein Urtheil 
zurückzunehmen gezwungen sein wird, wenn er dieselben ge 
nauer kennen gelernt haben wird. Es ist richtig und Herr 
Baunscheidt selbst läugnet es nicht, daß sein Verfahren der 
Vervollkommnung noch fähig ist, wie „jedes Menschenwerk", 
aber nach diesem Ziele ist es auch, daß alle unbefangenen, 
ehrlichen Heilkünstler, legale und illegale, streben. Das ist 
besonders meine Ausgabe, die ich sowohl in brieflichen, als in
	        
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