Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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geistigen Arbeit nichts weiter that, als sich jede Woche zwei 
Mal mit kaltem Wasser zu waschen und alle Tage eine 
Stunde spazieren zu gehen, fiel mir zwar wohl bisweilen 
ein; allein da mir versichert wurde, daß das Wa 
schen und Baden für mich nicht wäre, und ich noch 
weit üblere Zufälle davon zu befürchten hätte*): 
so wurde ich am Ende ganz wasserscheu, wie Viele, die die 
Kraft des Wassers nicht kennen. 
Endlich aber siegte doch die Erinnerung an die guten 
Lehren, deren Befolgung mir früher so wohl gethan hatte, 
und nach langen Ueberlegungen benutzte ich den Zeitraum 
eines mäßigen Wohlbefindens und fing das Waschen des Kör 
pers wieder an, weil ich zum Baden keine Gelegenheit hatte. 
Vor allem Anderen wusch ich mir alle Morgen den Kopf mit 
kaltem (?) Wasser und machte es mir zum bündigsten Gesetze, 
unter allen Umständen jede Woche ein Mal meine Haut mit 
lauwarmem Wasser zu reinigen und wo möglich zu stärken. 
Das Letztere, nämlich die Stärkung, stellte sich freilich An 
fangs nicht ein, denn ich nahm zu sehr erwärmtes Wasser. 
Weil ich aber die Kopfwäsche mit kaltem Wasser ausführte, 
nach und nach nur lauwarmes zum Waschen nahm, das bei 
der Anwendung sehr bald erkaltete und nun schon den großen 
Nutzen'verspürte, den ich überhaupt von der Hautwäsche hatte 
so ging ich immer weiter und übergoß mich wenigstens nach 
dem lauwarmen Waschen mit einigen Gläsern kalten Wassers. 
Jetzt lernte ich den Gebrauch der Stielbürste**) kennen und 
wendete sie beim Baden an, die mir denn auch vortreffliche 
Dienste geleistet hat. Bei jeder Badewäsche rieb ich die Haut 
bis zur durchscheinenden Nöthe; das brachte sie zu ihrer Pflicht 
nun vollends zurück und ich wurde immer mehr gewahr, daß 
die unmerkliche Ausdünstung die innreren Theile von-Flüssig 
keiten und Unreinigkeiten befreite, die sonst so hart auf sie 
drückten. Das lauwarme Waschen ward mit den kalten end 
lich ganz vertauscht, starke Uebergießungen damit verbunden, 
das Wassertrinken noch hinzugefügt, und das Wohlbefinden 
kam nunmehr an die tägliche Ordnung. 
Von Kopfschmerzen habe ich nun, dem Himmel sei 
Dank, seit vielen Jahren nicht das Geringste mehr verspürt 
und ich bin fest überzeugt, daß dies eine Wirkung der alle 
Morgen vorgenommenen Kopfwäsche und Uebergießungen ist. 
Meine ehemals häufig und vorzüglich im rechten Nasenloche 
verstopfte Nase hat immer Luft; der Katarrh, der etwa im 
Herbste und Frühjahre noch kleine Angriffe macht, zieht sich 
nach wenig Stunden, höchstens nach ein paar Tagen zurück, 
oder wird durch kalte Uebergießungen in die Flucht geschla 
gen; die ehemals stark belegte Zunge ist immer rein; das 
wollene Unterjäckchen wird im Sommer zur Seite gelegt, und 
der Schleim, meine sonstige Plage, sondert sich jetzt so leicht 
und bequem ab, daß ich ihn fast ohne allen Speichel aus 
werfe, — kurz, ich kann der anhaltenden Badewäsche nach 
rühmen, daß sie mich nicht nur von allen Krankheiten befreit 
gehalten, sondern alle meine alten Maladien und Kränklich 
*) Solchen Behauptungen begegnet man, wie wir in unseren Ein 
gangsworten bemerkt haben, heutigen Tages noch öfters. 
**) Anm. der Red. Es ist dies eine an einem längeren Stiele 
befestigte Art Scheuerbürste, welche, eingetaucht in das Waschwasser, 
es leicht macht, auch die Theile des Rückens zu nässen und zu reiben, 
zu welchen die bloße Hand nicht gut hinreicht. Sie ist aber jedenfalls 
nur bedingungsweise als eine nützliche Form der Wasseranwendung zu 
betrachten und bei leicht reizbarem Nervenzustande nicht zu empfehlen, 
am wenigsten aber für den Anfang naturgemäßer solcher Körperbehand 
lung. Immer steht da die bloße Hand (resp. der Schwamm) in erster 
Reihe, das Leintuch in zweiter und die Bürste erst in dritter. 
keiten bis in die Wurzel geheilt hat. Niemals werde ich da 
her von diesem Gesundheitsmittel ablassen, denn ihm schreibe 
ich es zu, daß ich es bei gleichem Wohlbefinden ebenso gut 
vertrage, wenn mich meine Geschäfte acht Tage lang nicht 
vom Schreibtische kommen lassen, als wenn ich ebenso viele 
Tage den Körper auf der Jagd anstrenge oder sonstige storke 
Strapazen ihm zumuthe, und vor allem Anderen, daß keine 
Temperatur der Luft einen anderen, als nur vorübergehenden 
Eindruck auf mich zu äußern vermag." 
Möchte dieser Bericht auf recht Viele, die in gleicher oder 
ähnlicher Lage mit dem Prediger Röver sind, denselben Ein 
fluß hervorbringen, den auf diesen die Erinnerung an die 
guten Lehren des Magister Rhalwes ausübte! Und — wer 
noch Bedeüken trägt, ob er seiner Natur auch wirklich so Et 
was zumuthen dürfe, der mache es wie der junge Prediger 
Lucke aus Reinstorf im Herzogthum Köthen, welcher — mit 
verschiedenen kleinen Hautschwächen behaftet auf Röver's 
Anrathen die kalten Waschungen zwar ebenfalls in Anwen 
dung bringt, aber dabei nur allmälig zu dem ganzen Kör 
per übergeht. Doch, hören wir das lieber von ihm selbst er 
zählen. „Um vorsichtig zu Werke zu gehen", so schreibt er 
in einem Briefe an seinen Rathgeber, „gewöhnte ich zuerst 
einige Glieder und Theile des Körpers an das kalte Brun 
nenwasser. Mit den Armen fing ich an, dann wusch ich die 
Brust und den Hals; in der zweiten Woche kamen Unterleib, 
Schultern und Rücken an die Reihe, und in der dritten konn 
ten schon die Füße und Schenkel nicht verschont bleiben, ich 
wusch und bürstete auch diese tüchtig ab*V Seitdem wasche 
und bürste ich regelmäßig einen Tag um den andern den 
ganzen Körper. So große Furcht ich sonst vor dem kalten 
Wasser hatte, denn ich war an das lauwarme gewöhnt, so 
große Liebe habe ich jetzt zu dem kalten Waschen. Welche 
angenehme Wärme verbreitet sich gleich darauf über den gan 
zen Körper; wie munter und aufgelegt zur Arbeit jeglicher 
Art fühle ich mich; wie spüre ich die sich allmälig vermin 
dernde Verschleimung meiner Brust oder vielmehr des Ma 
gens und das Verschwinden der kleinen übrigen Widerwärtig 
keiten, die mir unangenehm waren. Der Appetit ist jetzt weit 
reiner und gereizter, und ich trage mich, im Verhältniß zu 
jetziger Jahreszeit**), weit leichter angezogen, als ich es m 
dem verflossenen Jahre zu thun im Stande war. Eine Un 
terjacke konnte ich fast uur in den warmen Sommermonaten 
entbehren, wollene Strümpfe wurden schon zu Michaelis an 
gezogen, aber Beides kann ich jetzt noch entbehren und werde 
mich, so lange ich irgend kann, dessen enthalten, denn ich 
fühle, welche wohlthätige Erwärmung durch das Waschen und 
Frottiren mit der Bürste bewirkt wird, und gewiß hält diese 
von einem Tage zum andern so vor, daß ich vielleicht jene 
wärmere Kleidung gar nicht brauchen werde. -— Sehen Sie, 
verehrter Freund, ich konnte es nicht unterlassen, Ihnen diese 
Resultate von Ihrer so gütigen, überaus werthen Belehrung 
mitzutheilen, und habe bisher mit Vorsatz nichts von mir 
hören lassen, um Ihnen nun um so lauter zu danken für 
einen Unterricht, der nicht nur sehr wohlthätig auf mich schon 
*) Anm. der Red. In der Regel und namentlich da, wo Con- 
gestionszustände zu berücksichtigen sind, wird der Ansang in umgekehr 
ter Ordnung, also bei den Füßen, Beinen und Armen, der vorzuziehende 
sein, nur mit der Vorsorge gegenüber den vorhandenen Congestions- 
leiden, die Fußwaschungen von einer zweiten Person lieber machen zu 
lassen, als selbst vorzunehmen und dabei allenfalls eine Compreffe auf 
den Kopf zu legen. 
Der Brief datirt vom 31. October.
	        
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