Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Bertha. Ohne Arznei — heilen? Das verstehe 
ich nicht! 
Dr. Helfer. Ich kann Ihnen freilich hier nicht den 
ganzen sogen, physiologischen Vorgang und die naturgesetzliche 
Nothwendigkeit des Heileffectes, welchen die feuchte Wärme 
hat, auseinandersetzen — wenn Sie dies wünschen, wird sich 
wohl im kommenden Winter bisweilen Gelegenheit hierzu 
darbieten. 
Herr und Frau Augustin Gewiß — wird uns 
sehr schätzbar sein. 
Dr. Helfer. Aber Sie können mir wenigstens einst 
weilen auf Versicherung glauben, daß feuchte Wärme das Me 
dium ist, in und durch welches allein alle Lebensvorgänge im 
Körper möglich sind, geregelt und, falls sie in's Stocken ge 
rathen, wiederhergestellt werden. Zustände nun, wie der der 
Comtesse Amelie war, und der Ihre, Fräulein, ist, haben — 
wie ich schon früher bemerkte, in mangelhaften, gestörten Le 
bensvorgängen der äußeren Haut gewiß ihren vornehmsten 
Grund und kann man also das Leben in dieser äußeren Haut 
wieder normal machen, so hebt man damit meistens allein 
die Bleichsucht. 
Bertha. Also wurde Comtesse Amelie auf dem Dache 
und in der warmen Feuchtigkeit, die sich nach ihrer Durch- 
nässung und Einhüllung mit den nassen Nachtkleidern in die 
trockenen Decken bei ihr einstellen mußte, von der Bleichsucht 
geheilt? 
Dr. Helfer. Nun freilich so plötzlich und auf einmal 
nicht. Störungen in den Functionen unserer äußeren Haut, 
welche seit längerer Zeit eingebürgert sind und gewöhnlich 
Reizungen der inneren Organe , namentlich Blutüberfüllun 
gen der großen Gefäße des Herzens und der Lungen zur 
Folge gehabt haben, gehen nicht viel schneller im wirklichen 
Gesundheitszustand wieder über, als sie sich begründet haben. 
Aber der Anfang zur Gesundung Amelie's wurde allerdings 
damals auf dem Dache, in der aus die unfreiwillige Durch- 
nässung folgenden nassen Einhüllung innerhalb der trockenen 
Decken gelegt. Indeß mußten auch andere Umstände diäteti 
scher Art und der sonstigen Lebensweise noch hinzutreten , um 
das Werk allmälig zu vollenden. 
Bertha. Und woher wissen Sie denn diese Geschichte, 
welche hoffentlich noch nicht aus ist? 
Dr. Helfer. Von einem Sohne der sich später glücklich 
verheirathenden Comtesse, in dessen Hause ich, als ich in W. 
studirte, die Ehre hatte, eingeführt zu werden. Derselbe, ein 
eifriger Wasserfreund, erzählte sie mir wiederholt, wenn wir 
auf medicinische Dinge zu sprechen und resp. zu streiten ka 
men, zum Beweise, daß eine langwierige, schwere Krankheit, 
gegen die schon so viel angewendet worden war, schließlich 
ohne alle Kunstmittel gehoben wurde. Leider habe ich erst 
später, als^ich W. schon verlassen, eingesehen, welcher Dienst 
mir durch diese Erzählung geleistet worden ist. 
Bertha. Also kam die Comtesse damals in der fran 
zösischen Revolution glücklich vom Dache und überhaupt mit 
dem Leben davon? 
Dr. Helfer. Gewiß! Sie mochte in der Einhüllung 
in den Decken, deren Trockenheit sie sich so tapfer errungen 
hatte, wohl mehrere Stunden und im Schlafe, dem sie bald 
verfallen, gelegen haben, als sie durch heftige Donnerschläge 
erwachte und zu ihrer nicht geringen Bestürzung wahrnahm, 
daß ein neues Gewitter herangezogen und im Begriff war, 
ihre kostbaren Decken mit einer Regenfluth zu überschwemmen. 
Ohne sich also weiter zu besinnen, lüftete sie die um sich und 
unter den Füßen möglichst eingeschoben gewesenen Decken und 
kroch mit dem Kopse aus der Höhle, die sie mit einer ande 
ren Decke über ihn, zum Schutze gegen die Sonnenstrahlen, 
gebildet hatte, hervor. Jetzt bemerkte und fühlte sie erst, daß 
sie sich wie aus einem Schweißbade erhob, über dessen Ur 
sprung, ob es nämlich von den nassen Nachtkleidern und ihrer 
Körperwärme oder von den Sonnenstrahlen oder von beiden 
zugleich herrühre, sie sich freilich im Unklaren blieb. Sie 
hatte aber auch nicht Zeit, darüber lange nachzudenken; denn 
schon begann der Regen in großen Tropfen sein heftiges Na 
hen ^zu verkünden, und Amelie mußte eilen, wollte sie die 
Decken abermals, in einer Rolle zusammengefügt, gegen den 
neuen Angriff des Gott Pluvius verwahren. (Forts, folgt) 
Briefkasten. 
Herrn F. Th. in K. Die angeregte Adresse soll, wenn irgend 
noch zu ermöglichen, vom Stapel laufen und wird dann am einfachsten, 
durch Aufnahme derselben in unser Blatt, der betr. Gegenstand auch 
öffentlich. 
Bei Ihrer Patientin würden wir Ihnen doch sehr empfehlen, 
auf die Möglichkeit des Schwitzend, sei es in trockener Packung 
oder im Sonnenbade, und, da nöthig, unter Anwendung feuchter 
Compressen auf Kopf und Brust, noch mehr hinzuarbeiten. 
Herrn R. St. in Kl Schreiten Sie nur sehr allmälig vor; 
besser, eine Ueberzeugung greift langsam Platz, als daß sie durch un 
angemessen schnelle und starke Anwendungsformen ganz zurückgedrängt 
wird. Namentlich wollen Sie es mit dem kalken Wasser vorsichtig 
nehmen und die in der fragt. Corresp. allenthalben empfohlenen Grade 
genau beobachten, Die Bäder und Übergießungen des kr Fußes müs 
sen übrigens regelmäßig von möglichst starken, trockenen Frottationen, 
besser aber noch später feuchten Einpackungen, und von Bewegung 
oder bedecktem Liegen gefolgt sein. Die Erscheinung stärkeren Übeln 
Athem's nach dem Anfang mit den kalten Waschungen ist physiologisch 
sehr erklärbar und wird sich nach einiger Zeit, namentlich nach Beginn 
stärkerer Thätigkeit der äußeren Haut, allmälig verlieren. — Zur Be 
sorgung des betr. nöthigen Geräthes (Klspr.) sind wir sehr gern aus 
Ihre diesfallge weitere Erklärung bereit, ebenso bei etwaigem Bücher 
bedarf; wenn Sie aber die 2 zuerst erwähnten Werke besitzen, ist's 
vor der Hand völlig genügend. Das richtige Urtheil über das, was 
im speciellen Falle zu thun, kommt freilich nicht so schnell, aber bei 
Ernst im Studium kommt es! Die für Sie Passenden specielleren 
Vorschriften setzen deutlichere Angaben über Vergangenes, wie Gegen 
wärtiges in Ihrem Körperleben voraus. 
Lesen Sie gefälligst nur die ausführliche, Ihre Familie betr. 
Corresp. wiederholt und Sie können weder hinsichtlich der Gattin, 
noch der Tochter in Zweifel sein; sehr richtig; es ist S. 152 mit den 
Maßregeln bei acuten Erscheinungen und gegen Complicationen der 
selben gemeint 
Ueber die von Ihnen bezweifelte Nachhaltigkeit der physia- 
trischen Kur werden Sie, wenn Sie dieselbe bänger practizirt und 
besonders längere Zeit (Jahre) hintereinander bei jedem etwa wieder 
kehrenden Unwohlsein irgendwelcher Form die passende Behandlung 
wiederholt haben, anders denken lernen. Das Ausführlichere über 
diesen Punkt, wie über die Nothwendigkeit, bei vorhandenen Congestio- 
nen nach Brust oder Kopf die Ableitung der Ausscheidung vor 
angehen zulassen ein ander Mal 
Für Ihre uns zugewandte freundliche Vertheidigung sind wir 
Ihnen übrigens dankbarst verbunden 
Herrn O v. W. in Z. Die ausführlichere Berathung wird 
Ihnen nun bald zugehen; da die in Nr. 26 Ihnen augerathenen For 
men vorausgehen müssen, kommt unser Brief Zeit genug. 
Herrn W. B. in Berlin und Herrn Fr. Fr. in H. Die Ant-r 
wort diese Woche noch! 
Herrn M. in L. Die Zuschrift mit Manuscript erhalten; vor 
2 Wochen aber mcht rm Stande, die Prüfung vorzunehmen; besten Gruß! 
Druck von Lckepsch & Reichardt in Dresden. 
Verautw. Redakteur und Verleger: Dr. Mein e xC
	        
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