Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Auf dem Boden des alten Heilverfahrens wird das Vor- 
urtheil gepflegt, nach welchem die Menschheit nur dazu da 
wäre, um hier aus Erden in Krankheit und Elend zu vegeti- 
ren. Diese, fast allgemein verbreitete Ansicht stempelt die 
neuere Wissenschaft, Hydriatik, offenbar zu heidnischem Aber 
glauben. unter dessen Einfluß die Saat alles menschlichen Un 
heils wuchert. Sowohl in den Palästen der Reichen als in 
den Hütten der Armen herrscht Elend, in Folge von Krank 
heit. Hat man nicht oft Gelegenheit, Eltern.zu bedauern, 
deren Herz vom tiefsten Schmerz ergriffen, wenn sie ihre kräf 
tigsten Kinder frühzeitig zur letzten Ruhestätte begleiten und 
damit ihre letzten Hoffnungen auf Freude bringende Nachkom- 
men in das Grab versenkt sehen? Sieht sich der denkende 
Mensch bei vorkommenden Krankheiten nicht oft in Angst und 
Verzweiflung versetzt, wenn er in Bezug auf die Wahl des 
Arztes oder des Heilmittels sich dadurch auf Irrwegen glaubt, 
daß neben den Aerzten alte Frauen, Schäfer und Laien Ku 
ren ausführen, die an das Wunderbare grenzen? Welche 
Hoffnung auf Hülfe kann man haben, wenn der wissenschaft 
lich gebildete Arzt selbst im krankhaften, siechen Zustande an 
das Krankenbett tritt? Was soll man ferner dazu sagen, 
wenn die Durchschnittslebensdauer der Menschen, nach stati 
stischen Mittheilungen, aus einige 30 Jahre herabgesunken sich er 
weist und so, während der productiven Lebensdauer, die materiellen 
Lebensgüter nicht ersetzt werden können, die in dem inproduc 
tiven Lebensabschnitt verbraucht worden find? Wie steht es 
endlich mit der göttlichen Bestimmung des Menschen, der doch 
die höchste Stufe des Lebens emnimmt, wenn wir die in 
der freien Natur lebenden wilden Thiere betrachten und bei 
ihnen nicht allein eine vollkommene Gesundheit, sondern auch 
eine fast regelmäßige Lebensdauer finden, während man 
in menschlichen Kreisen — Krankheit, Gebrechen und frühen 
Tod in wahrhaft erschreckender Zahl und Ausdehnung, sowie 
eine Lebensdauer bemerkt, die sich in den Erscheinungen des 
Thierreichs als äußerst abnorm darstellt? Hören wir auf, 
unser Erdenleben als einen Sumpf voller Unken darzustellen, 
in welchem der Mensch physisch und geistig zu Grunde gehen 
müßte! Nimmermehr soll es so sein! Denn der Mensch 
kann, wenn er die Gesetze der Natur beachtet, sich wahre Le 
bensfreuden selbst bereiten. 
In dem ganzen Schöpfungswerke offenbart sich überall 
Weisheit, und in jedem Leben erkennt man die Urkraft, mit 
dem göttlichen Bestreben, sich bis zur möglichsten Vollkommen 
heit zu entwickeln. Deshalb kann es auch keinem Zweifel 
unterliegen, daß das Leben des Menschen, bei naturgemäßer 
harmonischer Entwickelung der Körper- und Seelenkräfte, zur 
gesunden Blüthe und reifen Frucht gedeihen soll und wir das 
Seelenleben als das reale, das Körperleben als Mittet zum 
Zweck zu betrachten haben. Jedenfalls hat der Schöpfer in 
seiner weisen Fürsorge die Mutter Natur mit Kräften ausge 
stattet, deren richtige Benutzung ausdauernde Gesundheit sichert, 
wir haben sogar die Macht, die Natur zu zwingen, zu unse 
rem Vortheil ihre Thätigkeit zu entfalten. Die ersten Men 
schen, deren Fortpflanzung unbezweifelt auf Schönheit, Kraft, 
Gesundheit und. Lebensdauer gegründet war, fanden diese 
zur menschlichen Glückseligkeit gehörenden Eigenschaften darin, 
baß sie kein anderes, als ein naturgemäßes Leben kannten, 
wogegen den späteren Generationen, welche in Folge der Ci 
vilisation diese Lebensweise aufgaben, das Erkennungs-Ver 
mögen blieb, das in seiner unbegrenzten Erweiterung gleich 
sam den Sporn für das Streben des Individuums bildet, 
sich die Glückseligkeit in einer natürlichen Pflege des Körpers 
und der Seele selbst zu gründen. 
Was nun die Seelenpflege anbetrifft, so kann es nicht 
auf ihre Darstellung vom philosophischen Standpunkte aus, 
sondern nur darauf ankommen, daß wir ihre Beziehung zu 
der Körperpflege in's Auge fassen. Hierbei läßt sich zwar 
nicht experimentiren, man kommt aber mit offenen Sinnen und 
unbefangenen Gedanken zu folgenden Fundamentalerscheinun 
gen : Alles Leben in seiner Blüthe beruht auf Harmonie der 
Elemente, folglich ist auch das Körper- und Seelenleben als 
ein harmonisches denkbar. Die Seele für sich hat das Be 
streben, sich durch Anziehung geistiger Kräfte zu stärken, wo 
bei man als anregende Factoren die Bildung des Verstandes 
und die wahre Verehrung eines Gottes erkennt. Indem auf 
diesem Wege das Erkennungsvermögen sich erweitert, wird 
in Verbindung mit der Körperpflege das Gefühlsvermögen 
dergestalt geklärt und gestählt, daß man am Gutesthun Wohl 
gefallen und am Bösesthun Abscheu empfindet und so zur 
eigentlichen Würde des Menschen gelangt. 
In Bezug auf die Körperpflege spiegeln sich die Vor 
schriften in den Gesetzen der Natur ab; jemehr wir diese be 
achten, destomehr klären und kräftigen sich die flüssigen und 
die daraus hervorgehenden festen Theile unseres Körpers. 
Wenn wir für diese, wie ein Kunstgärtner für das Gedeihen 
seiner Gewächse im Treibhause, besorgt sind, und namentlich 
auf seine Gesammtkraft mit feuchter Wärme, die wir durch 
Kälte und Wasser erzeugen, einwirken, dann werden die, in 
Folge naturwidrigen, verweichlichten Lebens, erschlafften Aus 
scheidungsorgane in normale Thätigkeit gesetzt; die Haut ver 
mittelt die Wärme- und Elektricitäts-Strömungen, wodurch 
das Blut regelmäßig nach allen Theilen des Körpers geführt 
wird, um diesen zu ernähren und das Nervensystem rc. zu 
stärken; die verbrauchten Körperstoffe lösen sich in Atome und 
Moleküle auf und werden ausgeschieden; die rcgulatorischen 
Einrichtungen in dem Organismus stellen das Gleichgewicht 
zwischen den flüssigen und festen Theilen her: so wird der 
Stoffwechsel ein natürlicher und die Gesundheit eine dauernde. 
In diesen Gesetzen, beziehungsweise Fundamentalerscheinungen, 
stellt sich das Naturheilverfahren in seiner Einfachheit dar, 
die wir als eine Wahrheit und als die einzige Quelle des Heils 
und des Segens für alle Zeiten festzuhalten haben. Was 
sollte auch aus der Menschheit werden, wenn sie nicht selbst 
dahin kommen sollte, sich auf jene einfache Weise, ohne alle 
Beihülfe der Kunst, die Gesundheit zu erhalten? 
Wir kommen jetzt zu dem zweiten Gegenstände unserer 
Betrachtung, zu den Resultaten bei Behandlung verschiedener 
Kinderkrankheiten, die die vorangegangene Darstellung in das 
günstigste Licht setzen Erst kürzlich war mir die Gelegenheit 
geboten, ein an Erbrechen und Diarrhoe erkranktes und, 
wie ich später erfuhr, vom Arzte und den Eltern aufgegebenes 
Kind zu behandeln. Eines Morgens, als eben die Morgen 
röthe am fernen Horizont den Anbruch des Tages verkündete, 
wurde ich zu ein^r mir bekannten Familie, dem Kaufmann 
Sch.... gerufen. Dabei erfuhr ich, daß das kleinste Kind, ein 
Knabe von drei Monaten alt, seit 8 Tagen erkrankt war, der 
Hausarzt, ein Allopath, seine ganze Kunst vergeblich erschöpft, 
dennoch die Krankheit von Tag zu Tag zugenommen hatte, das 
Kind jetzt sehr krank sei und man sich deshalb zur Wasser- 
Kur entschlossen habe, um das bisherr kräftige Kind, wenn ir 
gend möglich, vom Tode zu retten. Bei dem ersten Anblick 
des Patienten verlor ich fast die Hoffnung auf Herstellung. 
Das Kind, sonst wohl genährt, war total abgemagert, dw
	        
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