Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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eigenen Leibe gegen das Naßwerden zu schützen. Gedacht, 
gethan! Ein Marmor in weißem Gewände, mit aufgelösten 
Haaren, einem aus der Nacht verbliebenen luftigen Gespenste 
vergleichbar, das näher und näher kommende Gewitter erwartend, 
saß Amelie, mit dem Rücken gegen die Esse gelehnt und vor sich 
die nach dem Flusse abfallende Seite des Daches, so daß sie 
und die Decken, auf deren Rolle sie ffaß, gegen das vom 
Dache selbst ablaufende Wasser, aber auch vor dem etwaigen 
Sturme geschützt waren. Sie wunderte sich selbst über sich 
und ihren Muth; denn wenn auch die bisherige, dem Gewit 
ter vorangehende Schwüle der Nacht ihr gutes Theil, beitra 
gen mochte, den Muth für das unvermeidliche Bad leichter 
kommen zu machen, so war ein kühles Bad doch an und für 
sich, der bisherigen Lebensweise Amelie's gegenüber, welche 
wohl warme Bäder, aber niemals kalte hatte nehmen dürfen 
oder nehmen mögen, und nun dazu in solcher Situation, 
allein, ohne Bedienung, ohne nachfolgende Pflege, etwas zu 
Extraordinäres, als daß sie sich nicht schier hätte verwundern 
sollen, wie sie solcher Außerordentlichkeit nicht mit inehr Angst 
entgegensehend sich fand. — Zum ersten Male also in seinem 
Leben benetzte jetzt ein Regenschauer das Mädchen, zum ersten 
Male ward, wie der ganze Körper, so auch der Kopf in 
wenn auch mildem, aber doch gänzlich ungewohnt kühlem 
Wasser gebadet. Der erste Eindruck, den Amelie dabei em 
pfand, war allerdings der, als ob das Herz aufhören wollte 
zu schlagen und als ob die Brust sich zusammenschnüre .und 
das Athmen unmöglich mache; die Kopfhaut aber, welche unter 
dem leichten Nachthäubchen dem ersten Anprall des Regens 
preisgegeben war, gab ein stechendes, prickelndes Gefühl kund, 
welches die Besitzerin unwillkürlich zu dem Versuche reizte, es 
durch Reiben mit den Händen zu beseitigen; und als mit der 
allmäligen Nachfolge der ganzen übrigen Bekleidung im' Zu 
stande des Durchtränktseins jenes Gefühl des Kribbelns, des 
Fröstelns und Brennens sich der gesammten Körperfläche mit 
theilte, da hatte das Fräulein unablässig zu thun, um dem 
Bedürfnisse des Reibens bald da, bald dort zu genügen. 
Indeß diese Bewegung, welche sich Amelie auf unfreiwillige, 
aber unwiderstehliche Weise zu machen Veranlassung fand, 
schützte sie wohlthätig vor der sonst bei dem Schwächezustande 
ihrer Haut und Nerven wohl unausbleiblichen Erkältung, und 
dürfte — betonte der Doctor — auch Fräulein Bertha die 
erste Anweisung geben, wie man Wasser und zwar mildes, 
lausk Wasser, zunächst und beim Anfang seiner Anwendung 
an einem Körper mit geschwächter Haut und dergl. Nerven 
überhaupt zu appliciren hat, nämlich unter gliedweisen, nach 
und nach den ganzen Körper umfassenden angemessenen Rei 
bungen und zwar Reibungen mit den bloßen Händen. 
Bertha. Aber die Comtesse war, trotz alles ihres Un 
glücks, doch so glücklich, nicht ganz entblößt mit dem kalten 
oder lauen Wasser die erste Bekanntschaft machen zu müssen — 
I)r. Helfer. — ein Umstand, welcher mehr oder weni 
ger stets und überall nachgeahmt werden kann und muß, 
nur daß, wo sich der Himmel nicht selbst so, wie dort, in's 
Mittel legt, die ersten partiellen lauen Waschungen besser an 
und bei den Füßen erfolgen, während der übrige ganze Kör 
per bekleidet oder noch besser im Bett bedeckt liegen bleibt. 
Von denl Zeitpunkte aber an (welchen man auch möglichst 
rasch — d. h. wenigstens doch nach einigen Tagen — zu 
erreichen suchen muß), wo der ganze Körper an die kühlen 
Waschungen, ausgeführt mit den bloßen Händen, gewöhnt 
ist, wird es allerdings stets gut sein, die Natur auch hier 
nachzuahmen, welche uns immer zuerst am Kopfe und zu 
letzt'an den Füßen zu nässen beginnt; und wo es daher 
irgend ausführbar, ist gewiß die sanfte, regenähnliche Ueber- 
brausung mit mildem (lauem) Wasser, — bei der die Kopf 
haut und mithin überhaupt der Kopf mit dem obersten Ner- 
vencentraltheile, dem Gehirn, einen mäßigen direkten Eindruck 
der Wasserkühlung mit erfährt — die naturgemäßeste und 
uns überhaupt, Personen aber mit geschwächtem Nervenshsteme 
im Besonderen, zuträglichste Art des Bades. (Forts, folgt.) 
Ankündigungen. 
St. Radegund bei Graz, Frisch - und Warmrvasser-Heilanstalt. 
Wegen Ableben des bisherigen Besitzers wird diese nicht unrühmlich bekannte, in Steiermark einzige derartige Anstalt, 
3 Stunden nordöstlich von Graz (mit 70,000 Einw.), ausgezeichnet durch ihre (2500 Fuß über d. M.) hohe Lage am Fuße 
des quellenreichen „Schöckels" (4500 Fuß), ihre heilkräftige Gebirgsluft, ihre reizenden Promenaden nah und fern, mit herr 
lichen Fernsichten, — endlich bemcrkenswerth durch ihre wachsende Frequenz, verkauft. 
Die Anstalt besteht aus Kur- und Wirthschaftsgebäuden, besitzt einen Grundcomplex von 17 Joch Wiesen und Fel 
dern mit zahlreichen Obstbäumen, 24 Joch Hochwald, einer kleinen Obstbaumschule, einem Fischteich und einer Kegelbahn. 
Seit 1855 eröffnet, ist sie genau nachweisbar von 360 Kurgästen, letztere Jahre durchschnittlich stärker, be 
sucht worden. 
Der Kaufschilling beträgt (den fundus instructus, die gesammte Badeeinrichtung und die heurige Fechsung inbegriffen) 
20,000 sl. österr. Währung. Schließlich sei noch erwähnt, daß der Verkauf keineswegs durch drängende Nothtvendigkeit 
geboten, sondern aus Familienverhältnissen wünschenswerth ist. Anträge gefälligst franco unter obiger Adresse. 
Zur gefälligen Beachtung! 
Nach Ausgabe der Nr. 30 — welche ungefähr den 9. September erfolgt und womit unser drittes Quartal schließt — 
tritt programmgemäß eine Pause von mehreren Wochen in der Verausgabung des Blattes ein und erscheint Nr. 31 
erst gegen"Mitte October. Die geehrten Interessenten der „Krankencorrespondeqz" sind daher, soweit sie noch vor dem Fe 
rieneintritt und der Abreise des Herausgebers Berathung wünschen, ersucht, ihre resp. Zuschriften bis spätestens den 2. Sep 
tember anher gelangen zu lassen. 
Zugleich ersuchen wir die geehrten Quartals-Abonnenten, ihre Bestellung, auf das 4te Quartal gefälligst recht bald 
bei ihren Bestellungsorten machen zu wollen. Are ^Spedition des „Aaturarztes*-. 
Verantw. Redakteur und Verleger: Dr. Meinert. Druck von Liepsch & Reichardt in Dresden.
	        
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