Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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gehabt, hat aber niemals ein Zeichen von Rohheit, Schlem 
merei und Trunkenheit an ihm gesehen, sondern in ihm den 
geistreichen Mann mit ehrenwerthem Charakter kennen gelernt. 
Er war ein heiterer Gesellschafter und liebte ein Glas Wein, 
wie man das so oft bei geistreichen Männern findet, ohne 
deshalb Trunkenbold zu sein. Selbst Luther verachtete den 
Wein nicht, und hat oft in fröhlicher Gesellschaft mit Me- 
lanchthon zum Schwarzen Bären in Wittenberg den Nachmit 
tag scherzend und lustig zugebracht, ohne daß es seinem Rufe 
als Reformator Abbruch gethan hätte. 
Was den zweiten Punkt betrifft, so verdient Schroth 
wohl mit Recht als Begründer einer neuen Heilmethode ge 
nannt zu werden, denn er stellt als heilendes Princip die 
feuchte Wärme mit einer eigenthümlichen Diät auf, wodurch 
Krankheiten geheilt werden, die bis dahin jeder anderen Me 
thode getrotzt haben. Schroth's Ansicht über die lrsten Ur 
sachen der Krankheiten war im Allgemeinen etwa folgende: 
Er nimmt an, daß die Ursache der meisten, vorzüglich 
der chronischen Krankheiten eine schlechte Beschaffenheit, eine 
Verderbmß der Körpersäste sei. Diese Verderbniß der Säfte 
aber könne auf verschiedene Weise entstehen, und zwar: 
1) in den meisten Fällen durch eine darniederliegende 
Verdauung, bedingt durch eine verkehrte Lebensweise, schlechte 
Diät, häufigen Genuß von Medicamenten; denn die auf wa6 
immer für eine Art geschwächten, verschleimten und verdorbe 
nen Verdauungsorgane müssen jedesmal einen schlechten Milch 
saft, ein krankhaftes Blut und unreine, zur Ernährung un 
taugliche Säfte erzeugen, die sich bei längerer Dauer dieses 
Zustandes immer wehr anhäufen und durch Fehler der Ernäh 
rung, durch gestörte Functionen der verschiedenen Organe und 
durch andere sichtbare oder fühlbare Zeichen kundgeben. Alle 
Arten von Entzündungen, ferner Skropheln, Rhachitis, Gicht, 
Rheumatismus, Ausschläge, Flechten, Taubheit, Blindheit, 
Hämorrhoiden, Bleichsucht, Blutflüsse, Verhärtungen, Hypo 
chondrie, Gliedschwamm, Knochenfraß, Geschwüre, Fisteln, 
Lähmungen, Tiefsinn, Wahnsinn, Epilepsie, Wassersucht, 
Wurmkrankheit, Impotenz, Unfruchtbarkeit, Hysterie, Auszeh 
rung und andere Uebel sind das Product der Anhäufung, 
Ablagerung und Festsetzung dieser krankhaften Stoffe; 
2) können auch manche Arten Säfteverderbniß von den 
Eltern auf die Kinder als Erbschaft übergehen, und diese 
vererbte Anlage komme, wenn sie nicht durch ein zweckmäßi 
ges Verhalten bei Zeiten aufgehoben wird, früher oder später 
zum Ausbruche, z. B. als Gicht, Hämorrhöiden, Lungensucht, 
Skröpheln, Syphilis rc.; 
3) können die Körpersäfte verdorben werden durch An 
steckung und zwar entweder durch eine schlechte Beschaffenheit 
der Lust oder durch unmittelbare Berührung eines unreinen, 
mit dem Ansteckungsvermögen behafteten Gegenstandes. Aus. 
der ersten Art der Verunreinigung entstehen verschiedene Haut 
krankheiten, als: Friesel, Scharlach, Masern rc.; zu der zwei 
ten rechnet er Syphilis, Krätze, Pocken, Pest; 
4) endlich ist die Hemmung oder Unterdrückung der, 
Function eines absondernden oder ausscheidenden Organes Ur 
sache von Krankheiten, indem dadurch die regelmäßige Aus 
scheidung der unbrauchbaren Stoffe gehindert und ihre Anhäu 
fung und Ablagerung im Körper begünstigt wird. Die Na 
turheilkraft sucht diese Stoffe zu entfernen, es entstehen fieber 
hafte Zustände, Entzündungen verschiedener Organe. So be 
dingt die zeitweilige Unterdrückung 'der Hautthätigkeit durch 
Verkühlung — Rheumatismen, Entzündung der Lunge, des 
Lungenfelles, der Leber, des Bauchfelles, der Gedärme rc. 
und in Folge dieser entstehen Wassersüchten, Gelbsucht, Roth- 
lauf rc. Wird diese aus welche Weise immer entstandene 
Verderbniß der Säfte nicht bei Zeiten und gründlich gehoben, 
so erfolgt ein kürzeres oder längeres Siechthum und elendes 
Dasein, nach und nach eine allgemeine Entartung aller Kör 
persäfte, fehlerhafte Erscheinungen in den häutigen, fleischigen, 
knochigen und sehnigen Theilen des Körpers, Störung und 
gänzlicher Stillstand eines oder mehrerer zum Leben unum 
gänglich nöthiger Körperverrichtungen und dadurch der Tod. 
Nach dieser Vorstellungsweise von dem Entstehen der 
Krankheiten hat Schroth seine Kurmethode nach und nach zu 
großer Vollkommenheit ausgebildet und leistete damit oft Er 
staunliches. 
Das Ziel der Schroth'schen Kurmethode ist daher eine 
vollständige Reinigung der Blut- und Säftemasse des Kör 
pers und die Entfernung der krankhaften Stoffe derselben auf 
den natürlichen Wegen, mit vorzüglicher Berücksichtigung der 
Heilkraft der Natur; daher er auch dieser letzteren, wie er 
sich ausdrückt, die Oberhand über die Krankheit zu verschaffen, 
alles, was sie in ihrem Heilgeschäfte stören könnte, zu ent 
fernen , und was sie darin zu unterstützen im Stande wäre, 
anzuwenden bemüht ist. Die natürlichste Entfernung der 
krankhaften Stoffe geschieht nach Schroth's Meinung durch 
Auswurf, Urin, Stuhlgang und Hautausdünstung. 
Dr. Gleich sagt in seiner „Reform" von den Wirkungen 
dieser Methode S. 36: „Ist kein edles Organ zerstört und 
besitzt der Kranke noch einige Lebenskraft, so muß zuletzt jedes 
Uebel verschwinden, es habe.einen Namen, welchen es wolle. 
Es ist dies kein Zufall, sondern eine natürliche Nothwendig 
keit, die in bestimmten, in jedem Organismus liegenden Ge 
setzen, also im physiologischen Lebensprocesse, ihren Erklärungs 
grund findet." S. 37 sagt er: „Schroth ist der originellste 
Mensch, den je die Erde getragen hat. Ein Schroth war 
nie da, ein Schroth wird in Tausenden von Jahren nicht 
wiederkommen. Er ist gleich ausgezeichnet als Menschenarzt, 
als Thierarzt und als Oeconom. Bei seiner Methode ge 
schieht die Anwendung des Natursystems auf Menschen und 
Vieh in einer ganz eigenthümlichen, bisher nie gekannten 
Weise. In dieser Form war sie nie da und ist demnach in 
ihrer Gesammtheit keine Nachahmung irgend einer anderen 
schon bekannten Heilweise; kein Mensch hat sie ihm mitge 
theilt, auch ist sie in keinem Buche irgend eines Gelehrten 
verzeichnet, man findet von ihr keine Spur in des gelehrten 
Herrn v. Ringseisens famoser Schrift, sondern sie ist lediglich 
das Product seines natürlichen, gesunden Verstandes, seines 
Scharfblickes und seiner tiefen Beobachtungsgabe. Das, was 
er weiß, das hat der Schöpfer ihm allein geoffenbaret. 
Zwanzig Jahre ward er ihretwegen verfolgt, bald da, bald 
dort ausgewiesen, bald als Hexenmeister transportirt und 
bald als ärztlicher Pfuscher vor Gericht gestellt und einge- 
sperrt *)." 
Dr. Kadner sagt in der Einleitung seiner Diätetik: „Hätte 
übrigens das in Rede stehende Heilverfahren seinen Ursprung 
in England oder Frankreich oder in dem Kopfe irgend eines 
hochberühmten oder hochgestellten Arztes gehabt, statt daß es 
nur aus Deutschland und zunächst nur von einen: Landmanne 
*) Ein Mönch hat nach Cybulka dem Schroth die Grundidee zu 
seiner Kurmethode gegeben. Wahrscheinlich kannte der Mönch die so 
genannte Trockenkur der Araber, und Schroth wußte in genialer 
Weise die darin gegebene Wahrheit in eine richtige Form zu bringen. 
, Die Red.
	        
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