Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

SOI 
„Die Nervenkraft nimmt zu durch dieselben Mittel, durch 
Welche sie beständig wieder erzeugt wird, nämlich durch die be 
ständige Reproduction aller Theile aus dem Ganzen und des 
Ganzen durch Assimilation. Für einen geschwächten Theil 
sind gelinde Reize daher nicht darum nützlich, weil sie die 
Reizbarkeit erhöhen, sondern weil ein gereizter Theil mehr die 
Ergänzung des Ganzen anspricht und daher vorzugsweise wie 
der ergänzt und erzeugt wird." 
Einsender dieses las einst im „Leipziger Tageblatte" 
einen Aufsatz von einem sehr gelehrten Arzte, worin unter- 
anderem die Stelle vorkam: „Wer einem Kinde Käse, Wurst 
re. (noch einige andere Consumtibilien waren angeführt, welche 
ich aber vergessen habe) giebt, verdiente in's Zuchthaus ge 
steckt zu werden. Ich theile die Ansicht dieses Arztes voll 
ständig, frage aber: was sollte dann einem Arzte geschehen, 
der einem kranken Kinde Medicin giebt? 
Vor ungefähr 2 Jahren hatte ein Verwandter von mir 
das Unglück, sich einen Fuß so stark zu vertreten, daß derselbe 
nicht gehen konnte, sondern sein Geschäft vernachlässigen und 
zu Bett liegen bleiben mußte. Derselbe sandte, da der Fuß 
angeschwollen war und viel Schmerzen" verursachte, sofort zu 
einem Aerzte, welcher nichts Eiligeres zu thun hatte, als ver 
schiedene Einreibungen aus der Apotheke zu verschreiben. 
Diese Mixturen halfen aber nicht, der Fuß schwoll noch 
mehr an und nun ließ der Herlkünstler verschiedene Blutegel 
setzen, marterte und quälte den armen Vetter so lange, bis 
endlich doch die gutmüthige Natur trotz aller ihr angethanen 
Unbilden die Heilung wenigstens so weit bewirkte, daß Pa 
tient an einem Krückstöcke die nothwendigsten Wege, aber 
mit großen Schmerzen, gehen konnte und selbst heute noch eine 
Schwäche in seinem Fuße verspürt. Wahrscheinlich aber hat 
der Bedauernswerthe Zeit seines Lebens einen Denkzettel. 
— Höre man dagegen, wie es in einem gleichen Falle meinem 
Sohne ergangen ist. Ein öfters gewechselter kalter Umschlag 
mit Vorrichtung, daß — so lange, als bei zu starker Hitze 
entwickelung nothwendig — fortwährend frisches Wasser auf 
denselben tropfte, stellte den Fuß im Verlaufe eines Ta 
ges so weit her, daß mein Sohn seinem Berufe schon des 
anderen Tages wieder nachgehen konnte. H. M. 
Ein Knabe hatte die Bräune so stark, daß e nm letzten 
Stadium nach Luft schnappend den Kopf zum Bett her 
aushing. 
Die nur anwesende Mutter schüttete ihm in der Angst 
eine Hand voll Pfeffermünzküchel in den geöffneten Mund. 
Das Kind, durch diese künstliche Lufterzeugung (?) einiger 
maßen gestärkt, zerkaute die Küchel und schluckte selbe hin 
unter. In Folge dessen lösten sich die Knoten und das Kind 
hustete braune Klümpchen in Größe einer Haselnuß aus und 
bekam, da es lange nichts genossen, als Flüssigkeiten. Appetit 
auf Schinkensemmel, die ihm die Mutter gab, und welche 
es, zwar mit großer Anstrengung, aber mit Heißhunger 
verschlang. 
Faetisch ist nun, daß dieses Kind genaß, nie wieder 
Pseffermünzküchel, gegen die es einen Widerwillen hatte, aß, 
und von den früheren häufigen Bräuneanfällen verschont blieb 
und durch dieses sonderbare Mittel für immer von seinem lä 
stigen Uebel geheilt war. 
Sollte nun hierbei das phosphorsaure Kali, das bekannt 
lich die Pfeffermünze enthalten soll, die Heilung bewirkt ha 
ben, oder der Zucker, oder beides zusammen? 
Oder hat es die im rohen Schinken enthaltene Rauch- 
säure bewirkt, daß nie ein Fall von Bräune mehr sich bei 
dem Knaben eingestellt hat*)? Jedenfalls ist diese zufällige 
Entdeckung für das Publikum sehr interessant, und könnte 
manchen Arzt von seinen barbarischen Mitteln abwenden, die 
noch so häufig und fast ohne günstigen Erfolg angewendet 
werden. Ich habe daher nicht unterlassen wollen, Ihnen die 
sen merkwürdigen Fall mitzutheilen. V. B. 
(Tr. in M.) In einer Rheinischen Zeitung (Düsseldorf 
den 6. August 1857) las man folgende Annonce: 
„Verwandten und Freunden gebe ich auf diesem Wege 
die traurige Nachricht, daß mein Sohn Heinrich geendet hat. 
Er starb im 19. Jahre seines Lebens an dem schleichenden 
Uebel, zu welchem im 3. und 8. Jahre große Calomel-Gaben 
und Blutegel in dem von der Natur günstig ausgestatteten 
Kinde den unüberwindlichen Grund legten. Ich halte still 
unter dem harten Schlage, in der Hoffnung, daß auch dies 
Opfer, welches hier — Tausenden Vorangegangener gleich — 
dem Wahne gefallen ist, helfen wird, den Sieg der Wahr 
heit näher zu rücken, — falls die Gewarnten lernen und die 
Vermessenen an ihre Brust schlagen wollen. 
Conrad Cramer, 
Oberst-Lieutenant der Artillerie." 
Des Naturarztes v. Helfer Leiden und Freuden. 
Somatisch-hydriatlsche Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Bertha. Da wäre ich doch neugierig, zu hören, wie 
Sie mich fangen würden, vorausgesetzt, daß Papa mich Ihren 
Heilversuchen und Maximen überantworten wollte. 
Herr Augustin. Das geht nun wohl so leicht und 
ohne Weiteres nicht, denn — — 
Frau Augustin. Aber es wäre doch sehr ivünschens- 
und dankenswerth, wenn der Herr Doctor uns wenigstens 
seine Ansicht, wie Bertha's Heilung gelingen möchte, mitthei 
len wollte. 
Dr. Helfer. Im Speciellen dies zu thun, würde Wohl 
jetzt zu weit führen, auch dem Sinne von Fräulein Bertha 
eine falsche Richtung geben, diesem Sinne, der — wie es 
allemal unmittelbar nach einer naturärztlichen Heilanwendung 
der Fall sein sollte— sich auf das außerhalb Befindliche, 
auf die umgebenden Gegenstände wenden und von jeder 
mehr blos nach Innen gekehrten geistigen Reflexion so lange 
absehen muß, bis die körperlichen Anforderungen ihre Aus 
gleichung gefunden haben. Indeß andeutungsweise kann ich 
Ihnen wohl angeben, wie der Naturarzt die Bleichsucht am 
geeignetsten behandelt, wenn ihm freies Walten gestattet ist. 
Ich werde Ihnen diese Andeutungen aber lieber so machen, 
daß ich Ihnen eine kleine Begebenheit aus dem Leben eines 
bleichsüchtig gewesenen Mädchens mittheile und Ihnen vor der 
Hand dann überlasse, die theoretischen Regeln daraus sich 
*) Anm der Red. Jn's Innere der Natur dringt kein erschaff« 
m Geist — übrigens einmal ist keinmal.
	        
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