Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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gen und Erfahrungen des Herrn Petsch, früher in Berlin, 
jetzt in Gotha *), derartig zur Geltung gebracht, daß es ein in 
der That gerechter Vorwurf wäre, den man uns machen 
könnte, wollten wir die mit dieser Kur erreichten Erfolge außer 
Berücksichtigung und namentlich ununtersucht lassen, inwieweit 
diese Kur, namentlich auch für die Schroth'sche, wie für eine 
rationell combinirte Prießnitz-Schroth'sche Kur in Betracht 
kommen könne und müsse. Wir erwarten aber auch in die 
sem Punkte zunächst die Initiative von dem hauptsächlichen 
bisherigen Vertreter, Herrn Petsch, und erlauben uns hiermit, 
ihn an die Ausführung seines uns persönlich ertheilten dies- 
fallsigen freundlichen Versprechens hiermit zu erinnern. 
(Fortsetzung folgt.) 
Aus dem hydro-diätetischen Verein zu Dresden. 
Vortrag des Herrn Lehrer K. W. 
Zur Begründung des vom Vereine anerkannten Heilver 
fahrens, 
in der ersten Winterversammlung des Jahres 1662 — am 
2. October — gehalten. 
Verehrte Anwesende! Liebe Vereinsgenossen! 
„Gesund und frisch sein ist besser denn Gold, und ein 
gesunder Leib ist besser denn großes Gut. Es ist kein Reich 
thum zu vergleichen einem gesunden Leibe." — 
Mit diesen Worten will Sirach gewiß nichts anderes 
sagen, als daß die Gesundheit in der Reihe der irdischen 
Güter obenan zu stellen sei. Und sicherlich verdient sie auch 
diesen Platz. Kann doch kein Mensch seines Daseins wahr 
haft froh werden, wenn erkrank ist; kann doch Niemand mit 
siechem Körper die ihm von Gott verliehenen Kräfte weder 
zu seinem eigenen, noch zum Heile seiner Nebenmenschen be 
stimmungsgemäß und nach freiem Willen gebrauchen; ja es 
kann sogar die Seele selbst in einem kranken Leibe nicht auf 
die Dauer gesund bleiben und glücklich sein. Die Gesundheit 
ist daher etwas gar außerordentlich Wichtiges und getrost 
dürfen wir sie als das kostbarste aller Erdengüter be 
zeichnen. 
Aber wozu diese Anpreisung der Gesundheit, da Niemand 
unter uns ihren hohen Werth bezweifelt? Nun, es sollte da 
mit nur angedeutet werden, daß unser Verein, dem die Sorge 
um die Gesundheit, insbesondere um die Wiederherstellung der 
selben, ernsteste Aufgabe ist, einer heiligen Pflicht zu genügen 
sucht, wenn er sich bemüht, der Lösung dieser Aufgabe näher 
und näher zu kommen. Es war die Anerkennung dieser 
Pflicht gewiß auch die hauptsächlichste Veranlassung zu seiner 
einstigen Entstehung und ebenso dazu, daß sich dem bereits 
bestehenden Vereine später mehr und mehr Mitglieder an 
schlossen. Indeß unser Beitritt, nämlich unser Beitritt zu 
dem hydro-diätetischen Vereine, hatte unstreitig auch 
noch einen anderen Grund. Und worin könnte dieser Grund 
wohl anders gesucht werden, als in dem Umstande, „daß 
wir mit seinen Ansichten und Grundsätzen über- 
*) Amn. d Red. Herr Petsch wurde in Berlin von der Medi- 
cinalpolizei nicht mehr geduldet; die herzogl. Gothaische Behörde ge 
währte ihm aber mit erwähnungs- und dankenswerther bekannter Li 
beralität eine Freistatt. 
einstimmen", oder mit anderen Worten: „daß wir das 
von ihm anerkannte Heilverfahren gleichfalls 
billigen"? — 
Es kann nun zwar angenommen werden, daß sich die 
einzelnen Mitglieder unseres Vereines dieser Ansichten und 
Grundsätze schon ausreichend bewußt sind; die von Ihnen 
gewählte Vorbereitungs-Deputation hielt es aber dennoch für 
eine Sache von Wichtigkeit, wenn jene Ansichten und Grund 
sätze einmal im Zusammenhange näher beleuchtet würden, und 
ertheilte mir den Auftrag, dies in der heutigen ersten Win 
terversammlung zur Ausführung zu bringen. Und ich folge 
dieser Aufforderung im Interesse der guten Sache gern. 
Zuvörderst erscheint es nothwendig, das von uns aner 
kannte Heilverfahren etwas näher zu kennzeichnen. Ich thue 
das folgendermaßen: „Dasselbe erkennt zum Zwecke eines Ein 
greifens in Krankheitsfällen keine anderen Mittel als heilsam 
an, als solche, die zur Erhaltung des Lebens und zur Stär 
kung der Kräfte auch in gesunden Tagen dienen. Dahin ge 
hören zweckmäßige Diät, geeignete Wasseranwendung, reine 
Luft, Bewegung, Wärme, Ruhe und Schlaf. Weil wir aber 
nicht alle diese Mittel in der Gewalt haben, und von den 
zur freieren Verfügung übrigbleibenden keine eine so mannig 
faltige Anwendung zulassen und folglich keine einen so ver 
schiedenen Einfluß hervorzubringen geeignet sind, als Wasser 
und Diät — im weitesten Sinne und wie solche in der 
hydriatischen (Prießnitz'schen) und diätetischen (Schroth- 
schen) Kur dermalen zur Anwendung kommen , so nennen 
wir das betreffende Heilverfahren das „hydro-diätetische". 
Dies zur Charakterisirung des besagten Heilverfahrens und 
zugleich zur Rechtfertigung des Namens, den wir ihm beige 
legt haben. Meine weiteren Bemerkungen gelten nun der 
Darlegung derjenigen Ansichten und Grundsätze, auf welchen 
das von uns gut geheißene Heilverfahren wesentlich basirt. 
Unser Leben ist abhängig von einer in uns befindlichen 
Kraftthätigkeit. Der Zweck derselben ist die Instandhaltung 
des ^ uns von unserem Schöpfer verliehenen Leibes, welcher 
der Seele als Werkzeug und irdische Wohnung dient. Die 
Instandhaltung des Leibes wird aber, — soweit dies der 
Augenschein lehrt — f dadurch bewerkstelligt, daß jene Kraft, 
die wir Lebenskraft*) nennen wollen, aus gewissen, von 
außen in den Körper gelangten Stoffen (Nahrungsmittel) 
theils neue Gebilde schafft und zu Organen gestaltet, theils 
unbrauchbar gewordene Gebilde auflöst und ausstößt. Diese 
innere Kraftthätigkeit kann jedoch, wie es gleichfalls der Augen 
schein lehrt, gestört oder gehindert werden, in welchem 
Falle wir den Zustand unseres Körpers mit dem Namen 
„Krankheit" bezeichnen. Halten wir diese wenigen Sätze 
für richtig, so läßt sich ohne Schwierigkeit auf die Frage, 
wodurch eine Krankheit im Allgemeinen entsteht, d. h. welche 
Ursache eine Störung oder Hemmung der entsprechenden 
Kraftthätigkeit herbeiführen können? Folgendes antworten: 
Die Lebenskraft kann in ihrer für die Instandhaltung des 
Leibes erforderlichen Thätigkeit gestört oder gehemmt wer 
den: einerseits dadurch, daß die von außen in den Körper 
gelangten Stoffe an und für sich den nothwendigen Bedin 
gungen des Ersatzes nicht genügen, andererseits dadurch, 
daß der Auflösung und Ausstoßung unbrauchbarer Ge 
bilde Hindernisse im Wege stehen. Auf diese beiden Dinge 
also (Bedingungen und Hindernisse), sowie auf die Lebens 
kraft selbst, würde demnach bei einem Heilverfahren das Augen- 
*) In welchem Sinne das Wort „Lebenskraft" zu nehmen ist, 
geht hoffentlich aus späteren Bemerkungen hervor.
	        
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