Dresden,
den 22. Juli.
Der Naturarzt.
Korrespondenzblatt für Freunde naturgemäßer Keilmethoden.
Herausgegeben von vr. W. Meinert.
(Dresden, Kaiher Str. Nr. 3.)
Der „Naturarzt" erscheint jedes Quartal mit 10 Nummern L i Bogen; Preis jährlich 2 Thlr. oder 4 Fl. W. W.; ALonnewent pränume-
«st v* °^ cr ganzjährig. Er ist eine erweiterte Fortsetzung des vorjährigen „Wasserfreundes", von dem Exemplare L 2 Thlr. oder
4 Ft. W. W. noch drrect von dem Herausgeber bezogen werden können. Alle Briefe und Sendungen an die Redaction werden franco erbeten
oder auf Buchhändlerweg an die Buchhandlung von H. I. Zeh.
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Einige Rechtsertigungssätze der Redaction,
gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen,
Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen.
(Fortsetzung.)
4.
Es ist uns, namentlich Seiten mehrerer Dirigenten von
Wasserheilanstalten, die Frage vorgelegt worden, warum wir
den jetzigen Jahrgang unserer Zeitschrift „Naturarzt" ge
nannt haben? Ja, es ist uns diese Benennung nicht blos
verdacht, sondern zum Vorwurf gemacht worden, weil darin
angeblich eine Opposition gegen die wissenschaftliche Heilkunde
und ihre Vertreter, die allopathischen Aerzte, erblickt werden
müsse. Wer aber unser Blatt aufmerksam zu lesen geneigt
war, wird stets gesunden haben, daß wir erstlich damit kei
nen Arzt irgendwelcher Richtung absichtlich v erletzen, vielmehr
allgemein für die wahre, fortschreitende Naturheilmethode zu
gewinnen, resp. wenigstens vor der Hand dafür zu interes-
sir en suchen. Dann werden aber auch die Leser', falls sie zu
den wahren Freunden des wissenschaftlichen Fortschrittes ge
hören, eine Opposition unseres Blattes gegen allopathische
und sonst welche irrige (auch gegen nach unserer Ansicht falsche
hhdriatische und Schroth'sche) Grundsätze, als dem gemeinschaft
lichen Ziele der Vervollkommnung entsprechend haben finden
müssen, falls nur die Art der Opposition eine der Sache
würdige war. Und auch dies ist, hoffen wir, anerkannt.
Wir stehen also allerdings oppositionell da gegen die Allo
pathie, zum Theil auch gegen die Homöopathie, sowie gegen
gewisse, ohne Unterscheidung der Individualitäten in den Natur
heilanstalten vorkommende schablonenmäßige Gebrauchswei-
' sen hydriatischer und diätetischer Mittel, und natürlich auch
gegen die Charlatanerie und Quacksalberei, wie sie sich mit
specifischen Heilartikeln und Kurweisen jetzt so enorm in den
' öffentlichen Blättern breit macht. Aber wir sind auch bereit,
jede gegen uns wieder vorgebrachte Belehrung eines Besseren
und Entgegnung, wenn sie der Sache gilt, wenn sie das
humane Bestreben der Aufklärung auf Grund rationaler
Schlußfolgerungen oder uns entgegenstehender Thatsachen zeigt,
gern hinzunehmen und als Unterlage für weitere Erörterung
zu benutzen. Wir haben dies wohl am besten durch Aufnahme
der Dr. Schlechtesten Entgegnung in der vor. Nummer unse
res Blattes selbst gezeigt. Dagegen bedauern wir, aus so
leidenschaftliche, persönlich gehaltene und die Furcht materieller,
wie Autoritäts-Schmälerung ebenso sehr, wie die Selbst-Ueber-
schätzung und eine gewisse Blindheit im Sehen des Balkens
im eigenen Auge verrathende Expectorationen nicht eingehen
zu können, wie solche die Richter'sche Zeitschrift für naturge
mäße Gesundheitspflege re. im heurigen 2ten Hefte gegen uns
geschleudert hat. Wir werden leider ohnepies nächstens in
der Lage sein, bei Beschreibung des Kurortes Alexisbad im
Harze, wo jetzt der fragliche . (bernburgische) Medicinalrath
Herrn Dr. Richter domicilirt und dirigirt, mehr als uns lieb
ist, die Doctrinen, Formen und Einrichtungen, welche, resp.
zur Zeit, in Alexisbad angetroffen werden, in's Auge fassen
zu müssen. Aber weiter, als diese unsere Pflicht erheischt,
uns mit dem nach seinem streitfertigen Charakter in Danzig
(Pelonken), Berlin und Bernburg (Alexisbad) wohlbekannten
Verfasser der fragl. Zeitschrift einzulassen, wird uns Niemand
zumuthen, der jene Bekanntschaft theilt*). Wir schweigen
nur ungern die „Überschätzung" und die daraus hervorge
gangene Nichtcapacität für Fortschritt auf dem Gebiete der
*) Was mich, den Unterzeichneten, persönlich betrifft, so verzichte
ich, nach dieser neueren Bekanntschaft mit dem mir ebenfalls schon
von früher her Bekannten, gänzlich auf die Ehre, „persönlich von ihm
hochgeschätzt zu werden" Der Herr Medicinalrath kommt mir vor
wie ein Mixtum-Compositum aus Carl Augustin und vr. Kawr in
der Novelle des Naturarztes, und wahrhaft spaßhaft ist mir die „Laien-
haftigkeit", die er mir auf jedem Blatte seines Pamphlets mehrmals
an den Hals wirft. Freilich auf den schwindelnden Höhen der physika
lischen Diagnostik, aus denen der Herr Medicinalrath jetzt wohlgefällig
wandelt, tanze ich nicht mit ihm; ich bleibe auch bei dem soliden, in
sicherer Ebene liegenden Grundsätze aller rationellen Therapie, „daß
bei den meisten Körperleiden der ganze Organismus — sei es in
Blut oder Nerven — betheiligt ist", stehen und verlaufe mich nicht gern
mit in das tiefer und immer tiefer sich aufthuende Labyrinth local
pathologisch-chirurgischer Anschauung und Behandlung von Krankheiten.
Die so häufigen traurigen Folgen jetziger beliebter Brust-Erstirpationen,
Gebärmutterbehandlung mit dem Höllenstein, Messer oder scharfen Ein
spritzungen und ähnlicher Therapie gegenüber den Kehlkopfleiden und
denen der Rachenhöhle rc. können mich in der That nicht bestimmen,
statt der Anstrebung immer vollkommenerer „Naturheilkunde" zum „diag
nostischen Operateur" zu werden und die Wasserkur nur noch als
eine Magd dieser Wissenschaftsfortschritte, wie es Herr
Richter thut, zu betrachten. Auch steht man durchaus nicht so allein,
wenn man sich der Physikalisch-diagnostischen Sturmcolonne nicht an
schließt. Der größte Theil der gewissenhaften und human denkenden
Aerzte hegt, wie ich, kein Vertrauen zu dieser Localtherapie, aber wahrlich
Glicht, weil es nicht möglich wäre, auf Letham's Diagnostik, Virchow'S
Cellular-Pathologie und ähnlichen Hülfsmitteln zum modernen Olymp
des Aesculap sich zu erheben, sondern einfach, weil sie dem Prakti
schen Werthe dieser Wissenschaft zu mißtrauen allen Grund haben.
vr. Meinert.