Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Druck von L i e P s ch L Reichardt in^Dresden. 
Verantw. Redakteur und Verleger: Dr. Meinert. 
besseren Ernährungsfähigkeit ihres Blutes, durch ihr verhält 
nismäßig rauheres Klima schon eine abgehärtetere äußere 
Haut besitzen, solche aber auch, was namentlich bei den Eng 
ländern nicht genug anzuerkennen ist, schon von frühester 
Kindheit an durch dünne Kleidung, kühle Waschungen und die 
Gewohnheit mäßiger Zimmertemperatur systematisch abhärten. 
Augustin. Nun, mein Herr, wenn's Ihnen gefällig 
ist, kehren wir nach dieser Abschweifung zu meinem armen 
Töchterchen zurück. Es ist zwar sehr gut, daß Sie mir, der 
ich zu Hause auch noch ein ganz kleines, erst 5 Jahre altes 
Mädchen besitze, Andeutungen über Erziehung des Frauenkör 
pers gemacht haben, welche ich in Ueberlegung ziehen und ge 
wiß bei der Heranbildung jener Kleinen nicht ganz unberück 
sichtigt lassen werde. Aber dieses arme, so gute und verstän 
dige Mädchen hier — wie helfe ich diesem? Was ist Ihre 
Ansicht der schon vorhandenen, ausgebildeten und hartnäckigst 
verharrenden Bleichsucht gegenüber? 
Fremder. Ich bin gern bereit, Ihnen auch in dieser 
Beziehung meine Ansichten mitzutheilen — doch glaube ich, 
wir werden vor der Hand unterbrochen werden; denn wenn 
ich recht bemerke 
Pastorin (leise). Meine Herren, eben schlug Fräulein 
Bertha einmal die Augen auf. 
Augustin. Wirklich? Nun Gott sei Dank! 
Fremder (die Kranke genau beobachtend). Ja, ja, das 
Erwachen ist nahe; (zu den Frauen gewandt) öffnen Sie 
gefälligst langsam die Bettbestopfung. 
Augustin (zu dem Fremden).' Unsere mir sehr inter 
essante Unterhaltung setzen wir hoffentlich recht bald ein ander 
mal fort, vielleicht schon diesen Nachmittag? 
Hier wurde nun das Gespräch der beiden Männer voll 
ends unterbrochen, denn Bertha suchte sich die Arme frei zu 
machen und aufzustehen, wobei die Frauen sie unterstützten. 
Der Fremde aber, nachdem er noch die Art der Auspackung 
und Waschung, von den Füßen an aufwärts angeordnet, auch 
hinsichtlich der Temperatur des von der Schulmeisterin zurecht 
gemachten Wassers von ohngefähr 18° sich überzeugt hatte, 
verließ mit Herrn Augustin die Schulwohnung auf einige 
Minuten, um dem Mädchen selbst, wie den Frauen das Ge 
schäft der Abwaschung zu erleichtern. 
Herr Augustin warf vor der Thüre prüfend den Blick 
nach den Wolken, wie nach der Richtung von Mölsitz, und 
war besorgt, wie er bei der noch immer rauhen Luft und dem 
Umstande, daß der Wagen noch nicht da, sein Kind nach 
Hause bringen solle. Aber der Fremde theilte diese Besorg- 
niß ganz und gar nicht und sprach sich im Gegentheile unbe 
dingt dafür aus, daß Bertha jetzt wenigstens einen Theil 
des Heimweges zu Fuß zurücklege. Denn nicht blos, meinte 
er, um die bei der kühlen Waschung stets verloren gehende 
Wärme der äußeren Haut sofort wieder zu ersetzen, sei die 
Bewegung jetzt besser, als Fahren, sondern auch deshalb, da 
mit die durch die feuchte Einpackung bezweckte und erreichte 
größere Nervenbelebung in der Haut unterhalten werde, was 
mittels Anregung der Muskelthätigkeit durch Bewegung sicherer 
eintrete, als wenn — wie allerdings bei Kraftmangel erforderlich 
— Ruhe auf die Wasseranwendung folge; dies dürfe dann 
auch nur unter Wiederbedeckung und sorgfältiger Bewahrung 
vor fernerem Wärmeverlust geschehen. Die Wasserkur sei 
zwar sicher eine sehr rationelle Behandlungsweise, aber ohne 
die Kenntniß und Uebung der von ihr erheischten nöthigen 
Vorsichtsmaßregeln könne damit auch viel Uebles angerichtet 
werden, und namentlich fehlten sehr viele daran und damit, 
daß sie nicht unbedingt auf jede größere Wasseranwendung, 
sei sie äußerlich oder innerlich erfolgt, Bewegung oder doch 
Wiedererwärmung durch Bedeckung eintreten ließen." 
Bei dem Worte „Wasserkur" stutzte Herr Augustin; er 
sah den Fremden mit einem forschenden Blicke an und fragte: 
„Wasserkur? Vertreten Sie denn die Wasserkur? und ist 
das die Wasserkur, welche Sie eben bei meiner Tochter in 
Anwendung gebracht haben?" „Allerdings", erwiederte der 
Fremde. „Da sind Sie wohl gar? —" „Mein Name ist 
Dr. Helfer! und habe ich die Ehre, jetzt in Ihrer Nähe zu do- 
miciliren." 
Manche Menschen bramarbasiren im Leben gar gewaltig und 
der Eine duckt sich da, der Andere dort vor ihnen; da kommt ein 
Gewitter mit mächtigem Donner und zerschmetternden Blitzen 
heraufgezogen, und die noch vor Kurzem Uebermüthigen ziehen 
sich ängstlich in's Haus, bis in's verbergende Kiffen der 
Sophaecke zurück. Ist aber Sturm und Gewitter vorüber, 
und fühlen sie nun die erquickende frische Luft sich anwehen, 
da gehen sie eine Zeit lang ob der glücklich vorübergegangenen 
Gefahr in sich und treten, wenn nicht mit besseren Entschlüs 
sen, doch augenblicklich sanfter — weil das Höhere und Mäch 
tigere über sich noch fühlend — wieder hinaus unter den 
freien Himmel und unter die übrigen Mitmenschen. 
So war es auch ziemlich bei und mit Herrn Augustin. 
Derselbe war gewohnt, seine Nächsten, die scheinbar unter ihm 
standen, etwas über die Schulter anzusehen und von denjeni 
gen, die er als seine Ansichten nicht theilend kannte, ziemlich 
verächtlich zu denken und zu sprechen. Jmponirte ihm aber 
dann plötzlich einmal die Idee eines Dritten, den er bisher 
noch gar nicht oder nur oberflächlich gekannt, so war er im 
Stande, sich bis zur Unwürdigkeit vor ihr zu beugen, aber 
ebenso schnell ihr den Rücken wieder zuzukehren, sobald ein ihm 
als Autorität Dastehender die Begeisterung für die Idee nicht 
theilte, sogar vielleicht ausdrücklich mißbilligte, oder eine ihm 
augenblicklich noch mehr zusagende vorbrachte. Er war einer 
von den wetterwendischen flachen Charakteren, welche die Rich 
tung, die sie nehmen, mehr vom Augenblicke und ihrem ma 
teriellen oder auch spirituellen Vortheil angeben lasten, als 
von dem Gewicht der Wahrheit. (Fortsetzung folgt.) 
Brieflasten. 
Herrn C M. in Fr. Sie werden in nächsten Tagen besondere 
Zuschrift von uns in Angelegenheit Ihrer Annonce erhalten. 
Herrn Dr. Sch. in W. Ihr Artikel wird, wenn irgend noch 
möglich, schon in nächster Nummer oder doch in Nr 23 erscheinen; 
hinsichtlich Ihrer Berechnung der gewünschten Exemplare erlauben wir 
uns übrigens einen Irrthum zu berichtigen: die einzelnen Nummern 
vom vor. Iahrg. — soweit sie überhaupt noch vorräthig — kosten 
30 kr., die von Heuer 20 kr, und Bilder, wenn sie mit gewünscht 
werden, worüber Sie sich nicht geäußert, werden extra wie die betr. 
Nummer berechnet; wir würden also noch um 3 fl. für die best. vorj. 
Nrn. und im Ganzen noch um 10^2 fl., wenn Bilder dabei sein sol 
len, zu bitten haben. 
Herrn K. I. zu W. Normale Fußwärme ist nur dann vor 
handen, wenn sie constant. Haben Sie im Gehen warme, beim 
Sitzen immer oder leicht kalte Füße, so steht es mit den Fußblutge 
fäßen nicht so, wie es sein soll, und Sie werden es immer, mehr oder 
weniger, an Ihrem Befinden bereits spüren. Ein kalter Fuß ist ein 
kranker Fuß und ein kranker Fuß ist meist schon ein kranker Körper.
	        
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