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Druck von L i e P s ch L Reichardt in^Dresden.
Verantw. Redakteur und Verleger: Dr. Meinert.
besseren Ernährungsfähigkeit ihres Blutes, durch ihr verhält
nismäßig rauheres Klima schon eine abgehärtetere äußere
Haut besitzen, solche aber auch, was namentlich bei den Eng
ländern nicht genug anzuerkennen ist, schon von frühester
Kindheit an durch dünne Kleidung, kühle Waschungen und die
Gewohnheit mäßiger Zimmertemperatur systematisch abhärten.
Augustin. Nun, mein Herr, wenn's Ihnen gefällig
ist, kehren wir nach dieser Abschweifung zu meinem armen
Töchterchen zurück. Es ist zwar sehr gut, daß Sie mir, der
ich zu Hause auch noch ein ganz kleines, erst 5 Jahre altes
Mädchen besitze, Andeutungen über Erziehung des Frauenkör
pers gemacht haben, welche ich in Ueberlegung ziehen und ge
wiß bei der Heranbildung jener Kleinen nicht ganz unberück
sichtigt lassen werde. Aber dieses arme, so gute und verstän
dige Mädchen hier — wie helfe ich diesem? Was ist Ihre
Ansicht der schon vorhandenen, ausgebildeten und hartnäckigst
verharrenden Bleichsucht gegenüber?
Fremder. Ich bin gern bereit, Ihnen auch in dieser
Beziehung meine Ansichten mitzutheilen — doch glaube ich,
wir werden vor der Hand unterbrochen werden; denn wenn
ich recht bemerke
Pastorin (leise). Meine Herren, eben schlug Fräulein
Bertha einmal die Augen auf.
Augustin. Wirklich? Nun Gott sei Dank!
Fremder (die Kranke genau beobachtend). Ja, ja, das
Erwachen ist nahe; (zu den Frauen gewandt) öffnen Sie
gefälligst langsam die Bettbestopfung.
Augustin (zu dem Fremden).' Unsere mir sehr inter
essante Unterhaltung setzen wir hoffentlich recht bald ein ander
mal fort, vielleicht schon diesen Nachmittag?
Hier wurde nun das Gespräch der beiden Männer voll
ends unterbrochen, denn Bertha suchte sich die Arme frei zu
machen und aufzustehen, wobei die Frauen sie unterstützten.
Der Fremde aber, nachdem er noch die Art der Auspackung
und Waschung, von den Füßen an aufwärts angeordnet, auch
hinsichtlich der Temperatur des von der Schulmeisterin zurecht
gemachten Wassers von ohngefähr 18° sich überzeugt hatte,
verließ mit Herrn Augustin die Schulwohnung auf einige
Minuten, um dem Mädchen selbst, wie den Frauen das Ge
schäft der Abwaschung zu erleichtern.
Herr Augustin warf vor der Thüre prüfend den Blick
nach den Wolken, wie nach der Richtung von Mölsitz, und
war besorgt, wie er bei der noch immer rauhen Luft und dem
Umstande, daß der Wagen noch nicht da, sein Kind nach
Hause bringen solle. Aber der Fremde theilte diese Besorg-
niß ganz und gar nicht und sprach sich im Gegentheile unbe
dingt dafür aus, daß Bertha jetzt wenigstens einen Theil
des Heimweges zu Fuß zurücklege. Denn nicht blos, meinte
er, um die bei der kühlen Waschung stets verloren gehende
Wärme der äußeren Haut sofort wieder zu ersetzen, sei die
Bewegung jetzt besser, als Fahren, sondern auch deshalb, da
mit die durch die feuchte Einpackung bezweckte und erreichte
größere Nervenbelebung in der Haut unterhalten werde, was
mittels Anregung der Muskelthätigkeit durch Bewegung sicherer
eintrete, als wenn — wie allerdings bei Kraftmangel erforderlich
— Ruhe auf die Wasseranwendung folge; dies dürfe dann
auch nur unter Wiederbedeckung und sorgfältiger Bewahrung
vor fernerem Wärmeverlust geschehen. Die Wasserkur sei
zwar sicher eine sehr rationelle Behandlungsweise, aber ohne
die Kenntniß und Uebung der von ihr erheischten nöthigen
Vorsichtsmaßregeln könne damit auch viel Uebles angerichtet
werden, und namentlich fehlten sehr viele daran und damit,
daß sie nicht unbedingt auf jede größere Wasseranwendung,
sei sie äußerlich oder innerlich erfolgt, Bewegung oder doch
Wiedererwärmung durch Bedeckung eintreten ließen."
Bei dem Worte „Wasserkur" stutzte Herr Augustin; er
sah den Fremden mit einem forschenden Blicke an und fragte:
„Wasserkur? Vertreten Sie denn die Wasserkur? und ist
das die Wasserkur, welche Sie eben bei meiner Tochter in
Anwendung gebracht haben?" „Allerdings", erwiederte der
Fremde. „Da sind Sie wohl gar? —" „Mein Name ist
Dr. Helfer! und habe ich die Ehre, jetzt in Ihrer Nähe zu do-
miciliren."
Manche Menschen bramarbasiren im Leben gar gewaltig und
der Eine duckt sich da, der Andere dort vor ihnen; da kommt ein
Gewitter mit mächtigem Donner und zerschmetternden Blitzen
heraufgezogen, und die noch vor Kurzem Uebermüthigen ziehen
sich ängstlich in's Haus, bis in's verbergende Kiffen der
Sophaecke zurück. Ist aber Sturm und Gewitter vorüber,
und fühlen sie nun die erquickende frische Luft sich anwehen,
da gehen sie eine Zeit lang ob der glücklich vorübergegangenen
Gefahr in sich und treten, wenn nicht mit besseren Entschlüs
sen, doch augenblicklich sanfter — weil das Höhere und Mäch
tigere über sich noch fühlend — wieder hinaus unter den
freien Himmel und unter die übrigen Mitmenschen.
So war es auch ziemlich bei und mit Herrn Augustin.
Derselbe war gewohnt, seine Nächsten, die scheinbar unter ihm
standen, etwas über die Schulter anzusehen und von denjeni
gen, die er als seine Ansichten nicht theilend kannte, ziemlich
verächtlich zu denken und zu sprechen. Jmponirte ihm aber
dann plötzlich einmal die Idee eines Dritten, den er bisher
noch gar nicht oder nur oberflächlich gekannt, so war er im
Stande, sich bis zur Unwürdigkeit vor ihr zu beugen, aber
ebenso schnell ihr den Rücken wieder zuzukehren, sobald ein ihm
als Autorität Dastehender die Begeisterung für die Idee nicht
theilte, sogar vielleicht ausdrücklich mißbilligte, oder eine ihm
augenblicklich noch mehr zusagende vorbrachte. Er war einer
von den wetterwendischen flachen Charakteren, welche die Rich
tung, die sie nehmen, mehr vom Augenblicke und ihrem ma
teriellen oder auch spirituellen Vortheil angeben lasten, als
von dem Gewicht der Wahrheit. (Fortsetzung folgt.)
Brieflasten.
Herrn C M. in Fr. Sie werden in nächsten Tagen besondere
Zuschrift von uns in Angelegenheit Ihrer Annonce erhalten.
Herrn Dr. Sch. in W. Ihr Artikel wird, wenn irgend noch
möglich, schon in nächster Nummer oder doch in Nr 23 erscheinen;
hinsichtlich Ihrer Berechnung der gewünschten Exemplare erlauben wir
uns übrigens einen Irrthum zu berichtigen: die einzelnen Nummern
vom vor. Iahrg. — soweit sie überhaupt noch vorräthig — kosten
30 kr., die von Heuer 20 kr, und Bilder, wenn sie mit gewünscht
werden, worüber Sie sich nicht geäußert, werden extra wie die betr.
Nummer berechnet; wir würden also noch um 3 fl. für die best. vorj.
Nrn. und im Ganzen noch um 10^2 fl., wenn Bilder dabei sein sol
len, zu bitten haben.
Herrn K. I. zu W. Normale Fußwärme ist nur dann vor
handen, wenn sie constant. Haben Sie im Gehen warme, beim
Sitzen immer oder leicht kalte Füße, so steht es mit den Fußblutge
fäßen nicht so, wie es sein soll, und Sie werden es immer, mehr oder
weniger, an Ihrem Befinden bereits spüren. Ein kalter Fuß ist ein
kranker Fuß und ein kranker Fuß ist meist schon ein kranker Körper.