Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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ihrer sowohl, als anderer NaturheilmitLel an sich selbst, als 
Apostel für die Nalurheilkunde durch Begründung einer Zeit 
schrift dafür aufzutreten. Denn abgesehen davon, daß es 
ihm nicht ganz leicht ftel, die für eine solche Absicht erforder 
lichen, ziemlich bedeutenden Mittel aus seinem neuen, kaum 
gehörig eingerichteten landwirtschaftlichen und technischen Wir 
kungskreise herauszuziehen, so mußte auch die Berücksichtigung, 
daß diese erneute geistige Anstrengung, welche die Redaction 
eines Blattes und fast noch mehr (ja -— wie erst später sich 
ergab — weit mehr) die damit verknüpfte Correspondenz 
mit sich bringt, die kaum wieder rehabilitirte Gesundheit von 
Neuem untergraben möge, ernstlichst in's Gewicht fallen. 
Indeß es läßt sich bei dem, der für die Mitmenschen 
Liebe in der Brust trägt und der Wahrheit überhaupt und 
überall zu dienen für seine Pflicht erachtet, weder die innere 
Ueberzeugung, noch das demgemäße Handeln lange zurück- 
und aufhalten; es drängt ihn, und geschähe es mit Gefahr 
seiner materiellen Schädigung, vorwärts! — So erging 
es auch dem Herausgeber. Je mehr er Anstalten besuchte 
und je öfter er bei seinem längeren Verharren daselbst mit 
deren Kurgästen in Berührung trat, desto mehr wurde er von 
der Ueberzeugung durchdrungen, daß es zu Gunsten der kran 
ken — aber auch der gesunden — Menschheit, wie zu Ehren 
der in der Naturheilkunde enthaltenen hohen und heiligen 
Wahrheit unumgänglich nöthig sei, eine wenn auch in ein 
fachster Form und im populärsten Style gehaltene fortwäh 
rende Belehrung zu schaffen, also eine periodische Zeitschrift 
von dieser Tendenz zu begründen. — Dies ist die Genesis 
der beiden bisherigen Jahrgänge „Wasserfreund" und 
„Naturarzt". 
Daß nun einem solchen Unternehmen, welches so recht 
eigens auf die Bekämpfung bestehender Vorurtheile ausgehen 
mußte, wenn es seine Aufgabe irgendwie und etwas erreichen 
wollte, sich Schwierigkeiten materieller, wie geistiger Art ge 
nug in den Weg stellen würden, war allerdings vorauszu 
sehen und wohl überlegt. Der Herausgeber mußte sich dar 
auf gefaßt machen, nicht blos anfänglicher Lauheit, ja zeit 
weisem gänzlichen Nichtverständniß für sein Unternehmen bei 
dem Publikum, für das er in erster Reihe auftrat, zu begeg 
nen, sondern auch die Mißgunst der außerhalb der Natur 
heilkunde stehenden medicinischen Welt auf sich zu ziehen. 
Aber was er nicht vorgesehen hatte, theils der erhaltenen di- 
recten entgegenkommenden Versicherungen wegen, theils im 
Vertrauen und der Voraussetzung» gleichmäßiger humaner Ge 
sinnung für die Wahrheit und Ausdehnung der physiatrischen 
Grundsätze — das war die Theilnahmlofigkeit sehr vieler, ja 
der meisten Dirigenten der bestehenden Naturheilanstalten. 
War auch die thatsächliche und überaus große und so nach 
theilige theoretische Ünkenntniß der in den Anstalten verkehrenden 
Patienten mit den Sätzen z. B. der Hhdnatrik ein Beweis 
dafür gewesen, wie wenig im Allgemeinen die Anstaltsdirec- 
toren bis dahin für Belehrung ihrer Gäste gethan hatten, am 
wenigsten direct durch Vorträge, aber auch nicht einmal durch 
Empfehlen und energisches Daraufdringen der Anschaffung 
des einen oder anderen der ja so zahlreich schon vorhandenen 
und guten Lehrbücher über Wasserheilkunde, Schroth'sche Kur rc., 
so hatte er doch von Männern in solcher Stellung nunmehr 
wenigstens auf eine Betheiligung und Unterstützung des Un 
ternehmens insofern aufsehen zu können geglaubt, als es sich 
um Mitarbeiter, um Mittheilung ihrer praktischen Erfahrun 
gen, sowie darum handelte, die die Anstalten besuchenden Pa 
tienten und sonstigen Gäste auf das Bestreben des Herausge 
bers durch Mittheilung der jeder Anstalt sogar gratis über 
lassenen und übermittelten Blattes des jungen Unternehmens 
an sie aufmerksam zu machen. In beiderlei Erwartung aber 
war es eben, daß sich der Herausgeber zum größten Theile 
getäuscht sah. Denn mit einigen wenigen Ausnahmen*) be 
theiligten sich im Allgemeinen die Anstaltsdirectoren nicht nur 
nicht mit Beiträgen für die Zeitschrift, sondern sie unterließen 
auch sogar und zwar trotz der entweder ausdrücklich oder still 
schweigend (durch Annahme der ihnen unter dieser Bedingung 
gratis zugesandten Exemplare) gegebenen diesfallsigen Zusagen, 
die Mittheilung der Blätter an ihre Kurgäste. Die Gründe zu 
diesen gerade nicht sehr collegialen und auch nicht sehr huma 
nen Unterlassungen sind wohl an verschiedenen Orten verschie 
den ; aber wir irren leider nicht mehr, wenn wir hiermit con- 
statiren, daß sie zu einem großen Theile in einer gewissen 
Furcht, in einem bösen Gewissen bestanden haben! 
Man wollte die Laien keinen Blick thun lassen in Artikel, 
welche offen aussprechen, was und wie es in vielen Anstalten 
anders sein könne und werden müsse! 
Der Herausgeber fand sich also sehr bald mit seinem 
Bestreben, die Naturheilmethode und die ihr unterliegenden 
Kenntnisse zu Gemeingütern der Menschheit zu machen, allein 
dastehend oder doch darin nicht so unterstützt, wie es hätte geschehen 
können und müssen, wenn das Blatt „der Wasserfreund" 
und noch mehr der „Raturarzt" ihre Aufgaben allseitig 
hätten lösen sollen. Diese Lösung ist einem Einzigen, selbst 
wenn er seine ganze Kraft ihr widmete, nicht möglich, ge 
schweige denn, wenn die Herausgabe und Redaction eines der 
artigen Blattes nur'einen Theil seiner Lebensthätigkeit aus 
machen kann und darf. Sie erfordert entweder bemittelte, 
ihr Mitwirken ebenfalls ohne pecuniäre Entschädigung auf den 
Altar der Wahrheit niederlegende**) oder gut honorirte 
Mitarbeiter mit den vielseitigsten Kenntnissen und Lebenser 
fahrungen. — Letztere aber standen dem Herausgeber, wegen 
der ungenügenden, die Ausgaben nur erst bis etwa zu zwei 
Drittel deckenden Einnahmeverhältnisse des Plattes zur Zeit 
nicht zu Gebote, und den ersteren, den freundlichen und nur 
aus Humanitätsrücksichten geleiteten Mitarbeitern ließ sich na 
türlich eine Vorschrift oder auch ein Wunsch wegen „Ten 
denz"***) ihrer Artikel keineswegs unterstellen. — Des 
*) Die betr Namen kennt der Leser aus den diesfallsigen Arti 
keln des „Wasserfreundes" und „Naturarztes". 
**) Zu denen zählen jetzt fast unsere sämmtlichen geehrten und lie 
ben bisherigen Mitarbeiter. 
***) Unsere eigenen Tendenzen bei dem Blatte sind also nach Obi 
gem 1) Vereinigung der Bekenner und Freunde aus den verschie 
denen, dermalen noch bestehenden Richtungen der Naturheilkunde zu 
einem, wenigstens unseren Gegnern gegenüber, stark machenden,Gau 
zen; 2) Verbreitung eines besseren Verständnisses über 
die Grundprincipien der Naturheilkunde zunächst unter Patienten, 
welche sich der physiatrischen Behandlung zuwenden, dann aber über 
haupt. Weitere „Tendenzen" haben wir allerdings vor der Hand 
nicht, glauben aber in den vorgesteckten hinreichend zu tendiren, und 
wenn- daher ein Schreiben an uns von „tendenzlosem Hin- und Her 
schwanken unseres Blattes" spricht, so verwechselt der Herr Verfasser 
wohl die Begriffe „Tendenz" und „System" (in einer Tendenz). Ein 
strenges System aber zur Erreichung unserer beiden vorgesteckten Ten 
denzen oder Ziele aufzustellen, ist nicht füglich durchführbar und haben 
wir uus davon auch gleich im-Programm zürn „Wasserfreund" (s. Nr. 
1) losgesagt. Was aber -eine gewisse Reihefolge der physiatrischen 
Lehren anlangt, so haben wir diese theils in Betracht des Vorhanden 
seins von Handbüchern, welche unsere Zeitschrift weder ganz ersetzen 
kann, noch soll, theils deswegen bisher unterlassen, weil sie bei den 
Mittheilungen aus den Vorträgen des hydro-diätetischen Vereines zu 
Dresden — wozu wir nunmehr nahezn gelangt sind — ohnedies ihre 
Berücksichtigung findet.
	        
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