18
Blut-Circulation in der gesammten Peripherie (Außenseite) des
Körpers nach sich zieht; in allen dortigen Capillargefäßnetzen verengen
sich die feinen, Haarröhrchen gleichenven und in ihren letzten Enden
noch unendlich viel feineren Arterienausläufe und Venen - Anfänge
durch die Blutentziehung zuerst mechanisch. Dieser nun nicht blos
momentanen, sondern meist (unter Berücksichtigung der Umstände, unter
denen Aderlässe oder ähnliche Blutentziehungen vorgenommen werden)
mehrere Tage anhaltenden Verringerung der Blutmasse in der Peri
pherie folgt aber dann leicht eine bleibende Verengung der dor
tigen zarten Blutgefäße, die um so eher Platz ergreift und sich erklären läßt,
je jugendlicher der betr. Körper ist und je mangelhafter überhaupt sein
Hautsystem, besonders aber unmittelbar in den Tagen nach stattgefun
dener Blutentziehung, behandelt wird. Die Zurückstauung des Blutes
nach dem Innern des Körpers und der Mangel der Circnlation in
der äußeren Haut und natürlich der dieser zunächst liegenden Muskel-
parthieen wird immer constanter, habituell, und das chronische künf
tige Elend ist fertig. Die Erscheinungen an Ihrem Knaben lassen sich
damit in besten Einklang bringen Die Magerkeit, das Durchscheinen des
stockenden Venenblutes, Schwammigkeit des Fleisches, Blässe der
Fleischfarbe, hohe Erregtheit' und noch höhere Erregbarkeit der Nerven
in Folge der inneren Blutüberfüllung, mit der Fähigkeit momen
taner Kraftentwickelung (die aber durchaus nicht lange aushaltend sein
wird), geistiges Excelliren (in Folge erhöhter Blutcirculation auch im
Gehirn und also stärkerer Ernährung desselben), Disposition zu Erkäl
tungen (wegen mangelnder Widerstandsfähigkeit des ganzen Hautsystems
in Folge verringerter Blutcirculation darin und schlechter Ernährung
desselben) Wirkungslosigkeit zeitweiliger kalter Bäder im 'Sommer
(welche natürlich nicht im Stande sind, die verlorene Dehnbarkeit der
Bluthaargefäße der Haut wieder herzustellen), Reizbarkeit der Lungen
und Lungenäste (Bronchien) ebenfalls als Folge der verhältnißmäßigen
Ueberfüllung der Lungen mit Blut, welche wahrscheinlich noch durch
die hier ganz nachtheilige Gewohnheit der einseitigen täglichen kalten
Brustwaschungen gesteigert worden ist. Sie sehen, es erklären sich alle
Erscheinungen an Ihrem Kinde ganz natürlich ans dem Darniederlie
gen der Blutcirculation in der Peripherie und der dadurch herbeige
führten höheren Inanspruchnahme der inneren Körperorgane — Zustände,
zu denen und namentlich zu der Nerven erhöhter' Reizung freilich die
vermuthete geschlechtliche Verirrung des Knaben viel beitragen kann und
schon beigetragen haben wird.
Fassen wir nun die Mittel zur Abhülfe in's Auge, so bestehen
sie in Dreierlei, nämlich A. in der Entwöhnung des Knaben von der
fraglichen gefährlichen Selbstreizung, B in entsprechender Behandlung
der äußeren Haut und 0. in einem unterstützenden diätetischen Ver
halten bezüglich der Nahrungsmittel, Kleidungs- und Schlafgewohn
heit, wie ganzen Lebensweise.
Zu A.
Wie man Kindern, wenn sie der traurigen Angewöhnung der
Selbstbefleckung bewußtlos — wie fast meist der Fall — sich hingegeben,
diese wieder abgewöhnen könne, ist immer eine große pädagogische so
matisch-psychische Streitfrage gewesen und sie ist auch für den Natur
arzt keine leicht zu lösende. Als Erstnöthiges dabei betrachtet aber der
selbe die Belehrung des betr. Kindes über seinen Fehler und über
dessen unausbleibliche erst physische, dann auch geistige Folgen. Wür
den Sie also durch genaue Beobachtung des Knaben (es kommt aber
dergleichen ebenso oft bei Mädchen vor), namentlich zu Zeiten und
unter Verhältnissen, wo er sich nicht beohachtet glaubt, gefunden ha
ben, daß unsere jetzt, nur als Vermuthung hingestellte Annahme in
der That begründet sei, so unterlassen Sie nicht, in mild-ernster Weise
Ihr Kind über die geschlechtlichen Körper-Einrichtungen zu belehren/
auf die weisen und erhabenen Zwecke des Schöpfers dabei und auf
die Leiden hinzuweisen, welche dem Menschen aus hier geschehen
der Verletzung der göttlichen Ordnung unvermeidlich erwachsen,
und also vom physiologisch-moral-religiösen Standpunkte aus auf
Verstand und Gemüth des Knaben einzuwirken. Daß dieser Weg der
praktischere ist, können wir Ihnen aus mehrfacher Erfahrung versichern,
und empfehlen wir Ihnen Behufs der Art und Weise, wie solche Be
lehrung passend eingeleitet werden kann, die Lectüre der Novelle, welche
der erste Jahrgang unserer Zeitschrift (1862) unter dem Titel: „der
Wasserfreund" brachte und welche besonders in den Nrn. 2 bis mit 8
diesen Gegenstand ausführlich in einem der Wirklichkeit angehörigen
Beispiele (der Erfahrung des Di*. Helfer in seinen Jugendjahren) be
rührt und abhandelt. Da wir auch noch in anderen Beziehungen zu
Ihrem und Ihres Kindes Nutzen auf Lehren des vorjährigen „Wasser
freundes" hinzuweisen haben, so stehen wir nicht an, Ihnen gleichzeitig
mit gegenwärtiger Nr. des „Naturarztes" ein vollständiges Exemplar
des 1. Jahrganges zu übersenden, in der Ueberzeugung, daß Ihnen
die Ausgabe dafür (2 Thlr. oder 4 Fl. W. W.) eine wohlangebrachte
sich erweisen wird. — Der intellectuellen Behandlung des Knaben, zur
geistigen Kräftigung in dem nun bei ihm beginnenden, aber unver
meidlichen Kampfe zwischen Phantasie und Vernunft (oder Körperlich
keit auf der einen und Göttlichkeit auf der anderen Seite) müssen nun
aber materielle, d. h. hier physische Hülfstruppen an die Seite gestellt
werden. Diese sind in erster Reihe unsere sub B. und C vorzufüh
renden hydro-diätetischen Bundesgenossen, in zweiter die Mitanwen-
dnng aller äußeren Momente, welche die Phantasie des Knaben in
anderer, als in geschlechtlicher Richtung in Anspruch zu nehmen, zu
beschäftigen und nach und nach völlig umzuwandeln geeignet sind. Da
hin gehören besonders im Sommer Gartenarbeiten und nach und nach
sich'weiter ausdehnende Fußreisen, welche zugleich unter Beobachtung
der physiatrischen Principien ausgeführt werden, im Winter besonders
Hinlenknng des Verstandes und Gemüthes auf Kunst, Musik und tech
nische Beschäftigungen (Zeichnen, Malen — Violin-Unterricht, Papeterie-
Arbeiten rc.)
. Zn B.
Um die zum chronischen Uebel gewordene Unthätigkeit der Haut
function zu heben, welche bei Ihrem Knaben in so mannigfacher Be
ziehung Benachteiligung anderer Functionirungen des Körpers be
gründet hat, bedarf es einer Einwirkung auf die Gesammtperipherie des
Körpers, wodurch die Capillar-Blut- und Lymphgefäße derselben nach
und nach wieder in den Stand gesetzt werden, mehr Blut und Säfte,
als bisher, aufzunehmen, und also ihre normale Aufgabe wieder zu
erfüllen. Ist dies mit der Zeit erreicht, so werden alle übrigen Be
schwerden und Mängel des ^Körpers von selbst weichen, vorausgesetzt,
daß die sub A angegebene Mitbenachtheiligung des' Körperlebens,
wenn sie wirklich vorhanden, ebenfalls aufhört und die sub C. zu
erwähnenden diätetischen Maßregeln noch lange nach hauptsächlicher
Hebung des mangelhaften Hautzustandes fortgesetzt oder besser zur Le
bensgewohnheit gemacht werden.
Jene Einwirkung nun auf die Capillargefäße der Haut ist zuerst
eine rein mechanische, nämlich die der Anwendung feuchter Wärme.
Nur durch diese kann allmälig, in gleichzeitiger Verbindung mit
Einwirkung von Kühle und später von Kälte, eine solche Ausdeh
nung jener verschrumpften oder abgestorben zu nennenden Haargefäße
erzielt werden, wie sie für den Zweck der normalen Hautfunction er
forderlich ist. Es stehen Ihnen aber dazu zwei Wege offen, welche
Sie je nach Umständen beide zugleich oder gesondert anwenden können.
Der eine ist der Gebrauch von Dampfbädern, also der Gebrauch
einer warmen feuchte n Atmosphäre mit öfterer Benutzung ' oder An
wendung kü h l e n Wassers während des Aufenthaltes darin; der andere
bietet sich in den feuchten Einpackungen. Ueber beide wichtige Anwen
dungsformen, sowohl hinsichtlich ihrer naturwissenschaftlichen Begrün
dung als erfahrungsmäßigen Wirksamkeit in der fragl. Beziehung giebt
Ihnen der vorige Jahrgang unseres Blattes mancherlei Ausweise, na
mentlich über die Dampfbäder der vortreffliche Artikel des Ihnen ja
schon persönlich bekannten Herrn Assistenzartes Wölb old in den Nrn.
28 bis mit 31 und über die feuchten Ganzeinpacknngen S. 41. 53.
120. 121. 122, ferner S 127. 128. S. 142 ff. S. 289 uns 294ff. —.
Lesen, ja stndiren Sie jedenfalls düse Blätter. Aber wir bemerken
Ihnen noch Folgendes. Der Hautzustand Ihres Sohnes ist jetzt, wie
es scheint, ein solcher, daß man seine Behandlung vorerst mit den mil
desten Formen anzufangen hat, und deshalb wird anfänglich we
der das russische Dampfbad oder irgend eine andere Form des Dampf
bades (das Rikli'sche Bettdampfbad S 85. 178 u. 238 des „Wasser-
freundes", oder die Erfurth'sche Art S. 178, oder die Kastendampf
bäder), noch auch die lang dauernde und intensive Form der Schroth-
schen feuchten Einpackung für Ihr Kind sich eignen, sondern Sie wür
den mit kurz, d. h. bloß bis zur völligen Erwärmun g , dauern
den feuchten Einschlägen vor der Hand den Anfang zu machen und erst
nach und nach die Dauer der Einpackung länger auszudehnen haben.
Auch werden Sie gut thun, anfänglich das betr., der Größe des
Knaben angepaßte Betttuch nicht von zu dickem Leinen zu nehmen und
es erst nur in etwa I4grädigem (frisch geholten, aber durch Zuthat
von warmem bis so weit temperirten) Wasser zu tränken, nach und
nach aber gröberes Leinen und immer frischeres Wasser zum Eintau
chen zu wählen; und haben Sie einige Wochen so, d.h von mildester
Form ausgehend ltttb nur allmälig die Procedur in der angegebenen
dreifachen Hinsicht steigernd, resp. herabgehend, manipulirt, so werden
Sie dann allerdings mit großem Nutzen zu stärkeren Proceduren, wie
die Dampfbäder sind, und zu den die Nacht über dauernden feuchten,
dicken Einpackungen Schroth'scher Form übergehen, nur daß Sie dann,
um auch die Schultern, Hals und Arme mit zu berücksichtigen, am
besten gleich einige doppelte leinene Jäckchen zum Anziehen für den
Knaben machen zu lassen hätten, statt der besonderen Einpackung jedes
Armes, des Halses rc. mit besonderen Tüchern und resp. Ueberdeckungen.