Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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acuten, schnell verlaufenden Entzündungs- und Fieber-Krank 
heiten auf der einen und der chronischen oder langwierigen 
auf der anderen Seite richtig erfaßt haben werden, dann 
werden wir zweitens, in der Vergleichung der verschiedenen 
bestehenden Heilweisen unter einander und mit jener Wahrheit 
(die Natur heilt) den Weg gefunden haben, auf dem sich 
der Beweis für unsere obige, in Artikel IV. ausgesprochene 
Behauptung führen läßt, daß das Wasser in allen Krank 
heiten ein Heilmittel, und nicht blos dies, sondern daß es 
auch das beste Heilmittel, oder besser gesagt, Hülfsmittel 
für Unterstützung der Selbstheilungskraft der Natur sei. 
Drittens werden wir die Hydrotechnik oder die 
äußeren Mittel und Formen angeben, womit die Natur 
heilkunde (Wasserkur und diätetische oder Schroth'sche Kur) 
die Körpernatur bei ihren Selbst-Heilungs- Bestrebungen zu 
unterstützen, resp. vorhandene Hindernisse dabei ihr 
hinwegzuräumen vermag. 
Als solche Unterstützung oder Hinderung der Na- 
turbestrebung wird dann viertens unter Anderem auch des 
zweckmäßigen und unzweckmäßigen Genusses von Speisen und 
Getränken (Diät im engeren Sinne) und der übrigen 
Lebensweise überhaupt (Diät im weiteren Sinnen aus 
führlich gedacht werden, und werden dabei die Fehler und 
zum Theil selbst großen Verstöße hervorgehoben werden, welche 
die meisten Menschen, mehr oder weniger mit oder ohne Be 
wußtsein, gegen ihr inneres und äußeres Körperleben tagtäg 
lich begehen und den Körper dadurch zu den Anstrengungen 
veranlassen, welche sie dann „Krankheit^ nennen. 
Wir werden somit auch fünftens die prophylak 
tische, oder dieLehre von der Verhütung von Krank 
heiten, zum Gegenstände unserer Vorträge machen, die An 
sicht theilend, daß es besser und leichter sei, Krankheiten zu 
verhüten, als sich mit Heilung schon entstandener zu sorgen, 
und wir werden hierbei auch Gelegenheit haben, soweit un 
erläßlich, die Körpereinrichtungen selbst zu erwähnen. 
Aber doch wird die Belehrung über die naturgemäße Behand 
lung von Krankheiten acuter, wie chronischer Art den Haupt 
theil unserer Bestrebungen bilden, da für die Verhütung der 
Krankheiten, also für eine vernünftige Lebensweise, mancherlei 
Belehrung in Schule und Haus — durch Lehrer, Aerzte und 
gute Bücher — schon geboten ist, während es an guten lite 
rarischen Anweisungen des Publikums zur richtigen Beurthei 
lung und Leitung von Krankheiten noch sehr, aber an münd 
lichen dergleichen noch ganz fehlt und doch gerade eine münd- 
j liche Auseinandersetzung dieser Art leichter verständlich wird, 
namentlich wenn sie, wie wir beabsichtigen, mit Vorführung 
(simulirter oder wirklicher^ Leidenszustände und mit deren 
praktischer und theoretischer Behandlung und Erklärung nach 
den Grundsätzen der Naturheilkunde (hydriatischer, wie diäte 
tischer Form) Hand in Hand geht. 
Diese factische Vorführung von Krankheitsbeispielen, ihrer 
Behandlung und Erklärung, wird daher der sechste und letzte 
Theil unserer Winterthätigkeit bei unseren Versammlungen 
sein. Bloße Mittheilungen von stattgefundenen Krankheits- 
Heilungen auf Hydro-diätetischem Wege werden übrigens in 
jeder Versammlung, deren jeden Monat des Winters eine, 
und zwar jeden ersten Montag eines Monats, statthaben wird, 
Platz ergreifen. Auch haben wir die Einrichtung getroffen, 
daß in einem Fragekasten Zettel eingelegt werden können, 
welche über vorhandene Krankheitsumstände und deren hydro- 
diätetische Behandlung unsere Ansicht zu hören wünschen. Die 
Beantwortung dieser Fragen wird stets möglichst an demsel 
ben Vortragsabend noch stattfinden. 
Somit schließen wir vor der Hand diese Artikel und 
bitten, unserer Thätigkeit für die Vorträge in unseren 
Versammlungen fernere Theilnahme zu schenken; zu die 
ser hat jeder Interessent Zutritt, und besagen hinsichtlich de 
ren die öffentlichen Bekanntmachungen das Nähere. 
Extracte aus den früheren Protokollen des hydro-diütetischen 
Vereins zu Dresden. 
Extract aus dem Protocoll vom 8. August 1836. 
Durch Herrn S., der eben aus Gräfenberg zurückgekehrt, wurde 
berichtet, daß Prießnitz, dem ein scharfer Blick bei Beurtheilung der 
Patienten nicht abzusprechen sei, viel glückliche und oft bei schon ganz 
aufgegebenen Kranken bewundernswerthe Kaltwasserkuren mache. So 
sei von ihm ein durch venerisches Uebel schon gänzlich destruirter Mi- 
litair durch den bloßen Kaltwassergebrauch bis auf das, was an seinem 
sichtbaren und unsichtbaren Organismus völlig zerstört gewesen, vor 2 
Jahren bereits gänzlich wieder hergestellt worden, und dieser habe sich 
auch seitdem, sei es aus Dankgefühl und Vorliebe für Prießnitz und 
für den zu keiner Versuchung und Rückfällen des Uebels Veranlassung 
gebenden Ort, oder aus anderen Gründen, in Gräfenberg zu fortwäh 
render Benutzung des Bades, als Inventarium, ganz niedergelassen. 
Ebenderselbe erzählt: Einen vom Keuchhusten befallenen Knaben 
brachte Prießnitz sogleich in ein kaltes Bad und legte ihn hierauf noch 
mit dem nassen Hemde und wohl eingewickelt in's Bett, wo er bis 
zum vollen Ausbruche-eines starken Schweißes bleiben, dann aber so 
gleich wieder in das kalte Wasser getaucht und zu nochmaligem Schwi 
tzen wieder in's Bett gelegt werden mußte. Der unmittelbare Erfolg 
davon war die völlige Genesung des Knaben. 
Extract aus dem Proloeoss vom 7. 8ep1em6er 1836. 
Herr Seiß theilte eine vor Kurzem an sich selbst gemachte Er 
fahrung mit über die Wohlthätigkeit des zweckmäßig angewendeten 
kalten Wassers. Durch scharfes Gehen bei einem Morgenspaziergange 
hatte er sich so sehr erhitzt, daß er beim Einkehren in einem der im 
Großen Garten befindlichen Gästhäuser vom Schweiß triefend ankam. 
Hier am offenen Fenster, in scharfer Zugluft stehend, bekam er plötz 
lich nach der nicht beachteten Erkältung sehr bedeutende Brustschmerzen, 
welche in Kurzem so sehr zunahmen, daß sie ihm alles laute Sprechen 
unmöglich machten. Diese verschwanden jedoch bald, nachdem ein 
Kaltwasser-Umschlag auf die Brust gelegt und eine gute Portion Kalt 
wasser getrunken worden, war. Schon des Nachmittags völlig genesen, 
konnte der Vormittags Erkrankte ungehindert wieder seine. Spazier 
gänge machen. 
Auch Herr Kaufmann Fink erzählte, wie früher bei zu häufigem 
Genusse geistiger Getränke seine Gesundheit gar sehr gelitten, er aber 
diembei ihm aus gehemmter Ausdünstung und hartnäckiger Obstruction 
entstandenen Uebel, welche sein Arzt einer Magen-Verderbniß zuschrieb, 
blos durch öfteres und reichliches Kaltwaffertrinken völlig gehoben habe. 
Desgleichen berichtete Herr Kaufmann Methe, daß auch er dem 
Wasser die Wiederherstellung seiner Gesundheit danke. Auf einer vor 
einiger Zeit gemachten Fußreise in's Riesengebirge habe er sich nicht 
allein durch Ablegung des bisher gewohnt gewesenen Kamisols eine 
bedeutende Erkältung zugezogen, sondern das Uebel sei auch dadurch 
noch verschlimmert worden, daß er oft durch Wasser, Sumpfboden und 
schmelzenden Schnee habe gehen müssen. In Flinsberg kaum ange 
langt, sei er, bei heftigen Leibschmerzen, von Erbrechen und anhalten 
der Diarrhoe befallen, genöthigt gewesen, sich unter Kopfschmerzen und 
Fieberanfällen zu Bett zu legen. In diesem bedenklichen Zustande 
habe er gegen 4 Meßkannen frisch geholtes, reines Brunnenwasser ge 
trunken. Die Kolik und Diarrhoe habe hierauf nachgelassen; es sei 
starke Transpiration und ruhiger Sch af erfolgt, des Morgens aber 
ein starker Schweiß, nach welchem er sich wieder, bis auf einige Mat 
tigkeit, ganz wohl befunden habe.
	        
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