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so wurden im Laufe der ferneren Jahre verschiedene Eisenpräparate an
gewandt. auch Leberthran-Kuren, alle aber ohne bleibenden Erfolg, in
dem die Disposition zu Erkältungen immer vorherrschend blieb. Von
den gewöhnlichen Kinderkrankheiten hat er blos die Masern gehabt vor
6 Jahren. Eine Hauptursache aber seiner schwächlichen Konstitution
scheint mir die zu sein, daß er in seinem ersten Jahre von schlechter
Am men milch genährt wurde. Die Amme sah im ersten halben Jahre
blühend und gesund aus, erwies sich aber später als ungesund. Auch
entdeckte man erst später, daß sie von Anfang des Stillens an fort
während regelmäßig menstruirte.
Vor einem Jahre habe ich mein Domicil verändert, ich wohnte
früher in der preuß Rheinprovinz Ich versprach mir daher viel von
einem Wechsel des Klimas für meinen Knaben, weil St. mild
gelegen und vor rauhen Winden geschützt ist, während mein früherer
Wohnort rauh war.
Aber die Verkältlichkeit hat eher zu als abgenommen. Der Knabe
ist nun auch sehr gewachsen, für sein Alter ziemlich groß Seine gei
stigen Anlagen sind bedeutend, er entwickelt sich geistig rasch, lernt und
saßt sehr leicht, ich halte ihn aber möglichst zurück. Sein Temperament
ist ein sehr aufgeregtes, daher entstehen auch so leicht seine Erkältungen,
indem er sich in seinen lebhaften Bewegungen gleich echauffirt. Erwacht
auch von vorn herein auf Jeden den Eindruck bedeutender Nervosität.
Der Bau seines Brustkastens ist übrigens normal, er hat eine breite
und gewölbte fernst, starke Stimme, so daß er ohne Anstrengung tüch
tig rufen kann. Seine Muskulatur ist aber zart, wenig Fleisch, dünne
Arme, durchsichtige, weiße, dünne, schwammige Haut, woraus die Adern
blau herausscheinen; sein Kopf ist in Verhältniß zu seinem Körper groß,
er hat aber nie an Gehirnasfectionen, selbst nie an Kopfschmerz gelitten.
Gegenüber seiner zarten Muskulatur ist aber seine Muskelkraft merk
würdig, durch frühzeitige Uebung im Turnen ist seine Muskelkraft für
sein Alter nicht unbedeutend. Auf ärztlichen Rath habe ich ihn aber
nicht mehr turnen lassen, er hat dagegen eine heilgymnastische Uebungs
stunde zweimal wöchentlich besucht, ohne daß ein günstiger Erfolg davon
wahrnehmbar geworden wäre.
Erbliche Krankheitsdisposttionen kann er von Seiten meiner Familie
keine haben, eher mütterlicherseits. In der Familie meiner Frau waren
Skropheln, auch einige Schwindsuchtsfälle, die aber mehr durch Ver
nachlässigung entstanden Ich habe deshalb schon gedacht, ob er nicht
auch skrophulös sei. Sein Aussehen deutet gerade nicht darauf hin;
lymphatische Anschwellungen hat er nie gehabt, ich meine aber auch wol
gehört zu haben, daß'Skropheln oft in torpider Form auftreten. Die
neuere Medicin hat ja überdieß festgestellt, daß Skropheln nur eine
niedere Stufe der Tuberculosis sind, weshalb ich dies bei der ferneren
Behandlung meines Sohnes besonders im Auge behalte. Eine Leber
thrankur hat er nun zwar noch im vorigen Jahre durchgemacht, welche
sein sehr guter und starker Magen zwar ganz gut und ohne Beschwer
den ertrug, einen Erfolg habe ich aber davon auch nicht wahrgenommen.
Abhärtungsversuche habe ich nie an ihm gemacht, weil solche bei seiner
häufigen Kränklichkeit unmöglich schienen, er wird daher bei kälterer
Witterung wärmer bekleidet als sonst; in der warmen Jahreszeit von
Juni bis gegen Ende September hat er aber täglich kalte Flußbäder
von kurzer Dauer genommen, auch täglich Morgens und Abends kalte
Abwaschungen der Brust, aber Alles ohne Erfolg. Vielmehr glaube ich
jetzt, daß dies bei seiner reizbaren Natur eher nachtheilig gewesen ist.
Von Ende Herbst und Anfang des Winters an ist er nun zweimal
hinter einander von einem starken Katarrhalfieber befallen worden, das
ziemlich nahe an die entzündliche Form anstreifte.
Seit mehreren Jahren ein Freund der Homöopathie, habe ich ihn
jetzt nach den Grundsätzen dieser Heilmethode behandeln lassen. Das
heftige Fieber wich bald den betreffenden Mitteln, der Husten hält aber
lange an und will nicht weichen. Die stethoscopische Untersuchung, die
bei vielen früheren Vorfällen immer noch eine völlige Gesundheit der
Lunge konstatirte, weist diesmal kleine Ausschwitzungen links an der
Lunge, nicht weit von der Herzgegend, nach. Die Homöopath. Arzneien,
Phosphor 2. itnb Hepar suiph. 2. haben zwar im Allgemeinen ihre Wir
kung nicht verfehlt, es wird aber für die Folge noch Manches zu thun
übrig bleiben, um die Gesundheit meines Knaben zu kräftigen und seine
körperliche Entwicklung auf gesunde Basis zu leiten. Eine heilsame
Wirkung schreibe ich dem Gebrauche des Gänsefettes zu, mit dem er
täglich an fernst und Rippen eingerieben wird und das er auch zu 2
Kaffeelöffeln täglich ißt. Er hatte stets eine große Liebe zu Fett, da
gegen einen Widerwillen gegen Milch, weshalb eine Milchkur nie an
haltend mit ihm durchzuführen war Bei feinem gesunden Appetit und
gutem Schlaf ist es auffallend, daß seine Ernährung so schlecht von
Statten geht; vielleicht rührt dies von einer fehlerhaften Blutmischung
her, denn schon früher glaubten die Aerzte, daß es seinem Blute an
den sogen. Blutkügelchen fehle.
Es ist nun die Frage, welches Heilverfahren jetzt beim bevorstehen
den Frühjahr oder im Sommer für den Knaben am heilsamsten sein
möchte. Ich habe für das hydriatisch-diätetische viel Sympathien; das
Erstere habe ich vorigen Sommer in der Kaltwasserheilanstalt T.
kennen gelernt, wo ich' Heilung fand und mich viel darüber mit dem
Naturarzt W. unterhielt. Ich habe aber auch an Mutterlaugen
bäder gedacht, ob solche in irgend einem Salinenbade hier im Lande
eine heilsame Wirkung für meinen Knaben haben möchten. Es ist mir
nur dabei bedenklich, ob seine Haut nicht noch mehr dabei verweichlicht
würde. Eine regelmäßige Kaltwasserkur scheint mir aber auch nicht ge
eignet zu sein, weil sie zu gewagt ist und man mit einem reizbaren
und schwächlichen Kinde nicht experimentiren darf. Auch habe ich ja
die Erfolglosigkeit der kalten Bäder bei ihm erfahren. Die allgemeinen
Erfordernisse von guter Luft, Bewegung, nahrhafter Kost werden beo
bachtet, haben sich aber nicht als ausreichend erwiesen. In gesunden
Tagen führe ich ihn fleißig in die Berge spazieren, jetzt ist er aber seit
Anfangs December von der Luft entwöhnt, ich lasse ihn diesen Winter
die Schule nicht mehr besuchen, weil sich bei dem Schulbesuch so viel
fach Anlaß zu Erkältungen fand; er ist aber jetzt so weit in der Ge
nesung fortgeschritten, daß ich ihn bei besserem Wetter wieder spazieren
fahren kann.
Eine sichere ärztliche Diagnose, ob Skropheln oder Tuberkeln vor
handen sind, hat sich bis jetzt noch nicht feststellen lassen, weil kein
Symptom dafür sprach; die jetzt vorhandene Lungenfell-Durchschwitzung
ist wol vorübergehend und hat sich bereits sehr vermindert, wie denn
auch das Athmen wieder ganz frei geworden ist Nur ist der Puls noch
immer zu rasch, obwohl kein Fieber mehr vorhanden ist.
Es wird aber für die Zukunft aller Vorsicht und Aufmerksamkeit
bedürfen, um Tuberkelbildung zu verhüten.
Ich glaube Ihnen im Vorstehenden, so viel ich es als Laie vermag,
ein vollständiges Krankheitsbild gegeben zn haben. Ich füge noch eine
Photographie meines Knaben bei, die im vorigen Sommer, wo er von
Krankheit frei war, aufgenommen wurde, und erbitte mir nun Ihre
Rathschläge.
Antwort der Redaction.
Obgleich die Kunst.der Photographie für den Arzt, namentlich den
Naturarzt, — der vom Äußern des menschlichen Körpers und besonders
von der Gestalt, Farbe und sonstigen Beschaffenheit der Haut die gül
tigsten Schlüsse auf den innern Zustand einer Person zieht — nur
dann von Werth ist, wenn (besonders kl einer Individualität, wie die
Ihres Knaben) das Ganze des Körpers, wenigstens von der Vorder
seite, besser noch im Halb-Profil, nackt vorgeführt und durch das Re-
touchiren der Farbenton, Falten rc. der Körperhaut genau nachgebessert
werden, so genügt doch das uns von Ihnen eingesandte Bild, um,
von den Augenparthien desselben aus, Sie vor Allem auf etwas hin
zuweisen, was viele Eltern theils aus eigener Unkenntniß, theils aus
Voreingenommenheit für die Moralität, ihrer Kinder u. s. w., bei
der Forschung nach den Gründen von dem Kränkeln derselben häufig
ganz aus den Augen lassen Ein Kind kann seelensgut und unschul
dig an und für sich, doch aber einem großen moralischen und noch grö
ßerem physischen Uebel verfallen sein — der Lust an geschlechtlicher
Selbstreizung, der sogen. Onanie oder Selbstbefleckung. Tausende von
Kindern treiben sie und zerrütten ihren Körper und damit später auch
ihren Geist, ohne daß sie es wissen, ohne daß die Eltern oder Angehö
rigen eine Ahnung, einen Begriff davon und von den Folgen haben.
Wir können und wollen natürlich nicht definitiv, von einer immer
hin mangelhaften photographischen Darstellung des Gesichts- und be
sonders des Augenausdruckes bei Ihrem Kinde aus, das Vorhandensein
seiner angedeuteten Neigung behaupten, am allerwenigsten damit ihm
oder Ihnen einen Vorwurf machen; aber gefragt um unsere Ansicht
über die somatischen Erscheinungen bei dem Knaben und hingewiesen
auf sein Äeußeres durch die Photographie, konnten wir nicht umhin,
gleich zu Anfang unserer Erwiederung auf eine Möglichkeit nicht blos,
sondern Wahrscheinlichkeit aufmerksam zu machen, ohne deren Berück
sichtigung jeder unserer nachfolgenden Rathschläge vergeblich und ohne
Einwirkung auf Besserung des jetzigen Körperzustandes bleiben würde.
Möglicher Weise können auch latente Skropheln im Spiele
sein (obgleich sie dann wahrscheinlich viel eher vom Jmpf-
Gifte, als von der mangelhaften A m m e n - M i l ch herrühren),
sicher aber datirt der Hautzustand des Knaben (der eben die
Hauptsache hier bildet, während die Zustände innerer Organe nur als
Reflexe davon erscheinen) von den leidigen Blutentziehungen, denen
derselbe schon in früher Jugend wiederholt ausgesetzt gewesen ist. Ohne
hier weitläufig auf wie primären und secundären Folgen der künstli
chen Blutenziehungen überhaupt eingehen zu können und zu wollen,
muß doch darauf hingewiesen werden, daß jede künstliche Blntentzie-
hung als nächste nachtheilige Wirkung allemal eine Verringerung der