Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

14 
so wurden im Laufe der ferneren Jahre verschiedene Eisenpräparate an 
gewandt. auch Leberthran-Kuren, alle aber ohne bleibenden Erfolg, in 
dem die Disposition zu Erkältungen immer vorherrschend blieb. Von 
den gewöhnlichen Kinderkrankheiten hat er blos die Masern gehabt vor 
6 Jahren. Eine Hauptursache aber seiner schwächlichen Konstitution 
scheint mir die zu sein, daß er in seinem ersten Jahre von schlechter 
Am men milch genährt wurde. Die Amme sah im ersten halben Jahre 
blühend und gesund aus, erwies sich aber später als ungesund. Auch 
entdeckte man erst später, daß sie von Anfang des Stillens an fort 
während regelmäßig menstruirte. 
Vor einem Jahre habe ich mein Domicil verändert, ich wohnte 
früher in der preuß Rheinprovinz Ich versprach mir daher viel von 
einem Wechsel des Klimas für meinen Knaben, weil St. mild 
gelegen und vor rauhen Winden geschützt ist, während mein früherer 
Wohnort rauh war. 
Aber die Verkältlichkeit hat eher zu als abgenommen. Der Knabe 
ist nun auch sehr gewachsen, für sein Alter ziemlich groß Seine gei 
stigen Anlagen sind bedeutend, er entwickelt sich geistig rasch, lernt und 
saßt sehr leicht, ich halte ihn aber möglichst zurück. Sein Temperament 
ist ein sehr aufgeregtes, daher entstehen auch so leicht seine Erkältungen, 
indem er sich in seinen lebhaften Bewegungen gleich echauffirt. Erwacht 
auch von vorn herein auf Jeden den Eindruck bedeutender Nervosität. 
Der Bau seines Brustkastens ist übrigens normal, er hat eine breite 
und gewölbte fernst, starke Stimme, so daß er ohne Anstrengung tüch 
tig rufen kann. Seine Muskulatur ist aber zart, wenig Fleisch, dünne 
Arme, durchsichtige, weiße, dünne, schwammige Haut, woraus die Adern 
blau herausscheinen; sein Kopf ist in Verhältniß zu seinem Körper groß, 
er hat aber nie an Gehirnasfectionen, selbst nie an Kopfschmerz gelitten. 
Gegenüber seiner zarten Muskulatur ist aber seine Muskelkraft merk 
würdig, durch frühzeitige Uebung im Turnen ist seine Muskelkraft für 
sein Alter nicht unbedeutend. Auf ärztlichen Rath habe ich ihn aber 
nicht mehr turnen lassen, er hat dagegen eine heilgymnastische Uebungs 
stunde zweimal wöchentlich besucht, ohne daß ein günstiger Erfolg davon 
wahrnehmbar geworden wäre. 
Erbliche Krankheitsdisposttionen kann er von Seiten meiner Familie 
keine haben, eher mütterlicherseits. In der Familie meiner Frau waren 
Skropheln, auch einige Schwindsuchtsfälle, die aber mehr durch Ver 
nachlässigung entstanden Ich habe deshalb schon gedacht, ob er nicht 
auch skrophulös sei. Sein Aussehen deutet gerade nicht darauf hin; 
lymphatische Anschwellungen hat er nie gehabt, ich meine aber auch wol 
gehört zu haben, daß'Skropheln oft in torpider Form auftreten. Die 
neuere Medicin hat ja überdieß festgestellt, daß Skropheln nur eine 
niedere Stufe der Tuberculosis sind, weshalb ich dies bei der ferneren 
Behandlung meines Sohnes besonders im Auge behalte. Eine Leber 
thrankur hat er nun zwar noch im vorigen Jahre durchgemacht, welche 
sein sehr guter und starker Magen zwar ganz gut und ohne Beschwer 
den ertrug, einen Erfolg habe ich aber davon auch nicht wahrgenommen. 
Abhärtungsversuche habe ich nie an ihm gemacht, weil solche bei seiner 
häufigen Kränklichkeit unmöglich schienen, er wird daher bei kälterer 
Witterung wärmer bekleidet als sonst; in der warmen Jahreszeit von 
Juni bis gegen Ende September hat er aber täglich kalte Flußbäder 
von kurzer Dauer genommen, auch täglich Morgens und Abends kalte 
Abwaschungen der Brust, aber Alles ohne Erfolg. Vielmehr glaube ich 
jetzt, daß dies bei seiner reizbaren Natur eher nachtheilig gewesen ist. 
Von Ende Herbst und Anfang des Winters an ist er nun zweimal 
hinter einander von einem starken Katarrhalfieber befallen worden, das 
ziemlich nahe an die entzündliche Form anstreifte. 
Seit mehreren Jahren ein Freund der Homöopathie, habe ich ihn 
jetzt nach den Grundsätzen dieser Heilmethode behandeln lassen. Das 
heftige Fieber wich bald den betreffenden Mitteln, der Husten hält aber 
lange an und will nicht weichen. Die stethoscopische Untersuchung, die 
bei vielen früheren Vorfällen immer noch eine völlige Gesundheit der 
Lunge konstatirte, weist diesmal kleine Ausschwitzungen links an der 
Lunge, nicht weit von der Herzgegend, nach. Die Homöopath. Arzneien, 
Phosphor 2. itnb Hepar suiph. 2. haben zwar im Allgemeinen ihre Wir 
kung nicht verfehlt, es wird aber für die Folge noch Manches zu thun 
übrig bleiben, um die Gesundheit meines Knaben zu kräftigen und seine 
körperliche Entwicklung auf gesunde Basis zu leiten. Eine heilsame 
Wirkung schreibe ich dem Gebrauche des Gänsefettes zu, mit dem er 
täglich an fernst und Rippen eingerieben wird und das er auch zu 2 
Kaffeelöffeln täglich ißt. Er hatte stets eine große Liebe zu Fett, da 
gegen einen Widerwillen gegen Milch, weshalb eine Milchkur nie an 
haltend mit ihm durchzuführen war Bei feinem gesunden Appetit und 
gutem Schlaf ist es auffallend, daß seine Ernährung so schlecht von 
Statten geht; vielleicht rührt dies von einer fehlerhaften Blutmischung 
her, denn schon früher glaubten die Aerzte, daß es seinem Blute an 
den sogen. Blutkügelchen fehle. 
Es ist nun die Frage, welches Heilverfahren jetzt beim bevorstehen 
den Frühjahr oder im Sommer für den Knaben am heilsamsten sein 
möchte. Ich habe für das hydriatisch-diätetische viel Sympathien; das 
Erstere habe ich vorigen Sommer in der Kaltwasserheilanstalt T. 
kennen gelernt, wo ich' Heilung fand und mich viel darüber mit dem 
Naturarzt W. unterhielt. Ich habe aber auch an Mutterlaugen 
bäder gedacht, ob solche in irgend einem Salinenbade hier im Lande 
eine heilsame Wirkung für meinen Knaben haben möchten. Es ist mir 
nur dabei bedenklich, ob seine Haut nicht noch mehr dabei verweichlicht 
würde. Eine regelmäßige Kaltwasserkur scheint mir aber auch nicht ge 
eignet zu sein, weil sie zu gewagt ist und man mit einem reizbaren 
und schwächlichen Kinde nicht experimentiren darf. Auch habe ich ja 
die Erfolglosigkeit der kalten Bäder bei ihm erfahren. Die allgemeinen 
Erfordernisse von guter Luft, Bewegung, nahrhafter Kost werden beo 
bachtet, haben sich aber nicht als ausreichend erwiesen. In gesunden 
Tagen führe ich ihn fleißig in die Berge spazieren, jetzt ist er aber seit 
Anfangs December von der Luft entwöhnt, ich lasse ihn diesen Winter 
die Schule nicht mehr besuchen, weil sich bei dem Schulbesuch so viel 
fach Anlaß zu Erkältungen fand; er ist aber jetzt so weit in der Ge 
nesung fortgeschritten, daß ich ihn bei besserem Wetter wieder spazieren 
fahren kann. 
Eine sichere ärztliche Diagnose, ob Skropheln oder Tuberkeln vor 
handen sind, hat sich bis jetzt noch nicht feststellen lassen, weil kein 
Symptom dafür sprach; die jetzt vorhandene Lungenfell-Durchschwitzung 
ist wol vorübergehend und hat sich bereits sehr vermindert, wie denn 
auch das Athmen wieder ganz frei geworden ist Nur ist der Puls noch 
immer zu rasch, obwohl kein Fieber mehr vorhanden ist. 
Es wird aber für die Zukunft aller Vorsicht und Aufmerksamkeit 
bedürfen, um Tuberkelbildung zu verhüten. 
Ich glaube Ihnen im Vorstehenden, so viel ich es als Laie vermag, 
ein vollständiges Krankheitsbild gegeben zn haben. Ich füge noch eine 
Photographie meines Knaben bei, die im vorigen Sommer, wo er von 
Krankheit frei war, aufgenommen wurde, und erbitte mir nun Ihre 
Rathschläge. 
Antwort der Redaction. 
Obgleich die Kunst.der Photographie für den Arzt, namentlich den 
Naturarzt, — der vom Äußern des menschlichen Körpers und besonders 
von der Gestalt, Farbe und sonstigen Beschaffenheit der Haut die gül 
tigsten Schlüsse auf den innern Zustand einer Person zieht — nur 
dann von Werth ist, wenn (besonders kl einer Individualität, wie die 
Ihres Knaben) das Ganze des Körpers, wenigstens von der Vorder 
seite, besser noch im Halb-Profil, nackt vorgeführt und durch das Re- 
touchiren der Farbenton, Falten rc. der Körperhaut genau nachgebessert 
werden, so genügt doch das uns von Ihnen eingesandte Bild, um, 
von den Augenparthien desselben aus, Sie vor Allem auf etwas hin 
zuweisen, was viele Eltern theils aus eigener Unkenntniß, theils aus 
Voreingenommenheit für die Moralität, ihrer Kinder u. s. w., bei 
der Forschung nach den Gründen von dem Kränkeln derselben häufig 
ganz aus den Augen lassen Ein Kind kann seelensgut und unschul 
dig an und für sich, doch aber einem großen moralischen und noch grö 
ßerem physischen Uebel verfallen sein — der Lust an geschlechtlicher 
Selbstreizung, der sogen. Onanie oder Selbstbefleckung. Tausende von 
Kindern treiben sie und zerrütten ihren Körper und damit später auch 
ihren Geist, ohne daß sie es wissen, ohne daß die Eltern oder Angehö 
rigen eine Ahnung, einen Begriff davon und von den Folgen haben. 
Wir können und wollen natürlich nicht definitiv, von einer immer 
hin mangelhaften photographischen Darstellung des Gesichts- und be 
sonders des Augenausdruckes bei Ihrem Kinde aus, das Vorhandensein 
seiner angedeuteten Neigung behaupten, am allerwenigsten damit ihm 
oder Ihnen einen Vorwurf machen; aber gefragt um unsere Ansicht 
über die somatischen Erscheinungen bei dem Knaben und hingewiesen 
auf sein Äeußeres durch die Photographie, konnten wir nicht umhin, 
gleich zu Anfang unserer Erwiederung auf eine Möglichkeit nicht blos, 
sondern Wahrscheinlichkeit aufmerksam zu machen, ohne deren Berück 
sichtigung jeder unserer nachfolgenden Rathschläge vergeblich und ohne 
Einwirkung auf Besserung des jetzigen Körperzustandes bleiben würde. 
Möglicher Weise können auch latente Skropheln im Spiele 
sein (obgleich sie dann wahrscheinlich viel eher vom Jmpf- 
Gifte, als von der mangelhaften A m m e n - M i l ch herrühren), 
sicher aber datirt der Hautzustand des Knaben (der eben die 
Hauptsache hier bildet, während die Zustände innerer Organe nur als 
Reflexe davon erscheinen) von den leidigen Blutentziehungen, denen 
derselbe schon in früher Jugend wiederholt ausgesetzt gewesen ist. Ohne 
hier weitläufig auf wie primären und secundären Folgen der künstli 
chen Blutenziehungen überhaupt eingehen zu können und zu wollen, 
muß doch darauf hingewiesen werden, daß jede künstliche Blntentzie- 
hung als nächste nachtheilige Wirkung allemal eine Verringerung der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.