Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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deshalb, weil er dem dann angestellten erhöhten Verbrennungs- 
proeesse in der Regel auf einmal zu viel Verbren 
nungsmaterial zuführt, sodaß die Hitzeentwickelung eine 
zu bedeutende und dadurch das Nervenleben gefährdende 
wird; der andere aber deshalb, weil die Verbrennungsob 
jecte und Producte oder, was dasselbe heißen will, die koh- 
lenstoffigen und kohlensäurehaltigen Bestandtheile und die son 
stigen chemisch-physikalischen Zersetzungsobjeete und Producte, 
welche der Verbrennung harren und auch schon aus der Er 
höhung des Verbrennungsprocesses hervorgegangen sind, theils 
ihren erforderlichen chemisch-physikalischen Umwandlungsproceß 
nicht gehörig erfahren, theils ihren größten Ausgangsweg aus 
dem Körper versperrt sehen, d. h. eine ungeeignete, mangel 
hafte Beschaffenheit der äußeren Haut vorfinden. Mit ande 
ren und kurzen Worten heißt das soviel als: die zeither (vor 
der betr. acuten Kr.) stattgehabte zu gute Ernährung des 
Patienten auf der einen Seite und die von ihm oder seinen 
Angehörigen begünstigte Verweichlichung der Haut auf 
der anderen Seite sind nun gefährliche Hindernisse für 
die freie und glückliche Entfaltung der Heilungsthätigkeit im 
Körper selbst geworden; es kann vermöge derselben sowohl 
der Hitzezustand im Blute so wachsen, als auch der Blutlaus 
so retardirt werden, daß Nervenlähmung entweder par- 
riell (Lahmheit, Taubheit, Blindheit, Blödsinn u. s. w.), 
oder total (Tod) eintritt. 
Wie hat man also zu verfahren, um diese beiden ge 
wöhnlichsten und wichtigsten Hindernisse der Naturheil 
kraft, diese zu große Hitze-Entwickelung und diesen Mangel an 
Hautthätigkeit, nach innen wie außen, möglichst zu beseitigen 
und also gefahrlos zu gestalten? und wie erkennt man über 
haupt, daß ein Patient einen solchen Körper habe, bei dem 
solche Hindernisse der günstigen acuten Krankheitsentscheidung 
vorhanden seien? 
Fangen wir bei der letzten Frage an! Jeder Vater, 
jede Mutter möge, sobald ein Familienglied Symptome ir 
gend welcher Art von ungewöhnlichem Befinden an sich zeigt, 
unpartheiisch und rückhaltlos schnell zuerst einen Blick in die 
Vergangenheit der Lebensweise des betr. Kindes oder der sonst 
erkranktem Person werfen. Je vorurtheilsfreier und aufge 
klärter dieser Blick gethan wird, desto sicherern Aufschluß wird 
er sofort geben über den momentanen Blut- und Hautzustand 
des Erkrankten und daher über die Größe oder Unbedeutend 
heit des bevorstehenden Heilkampfes. Sollte diese Prüfung 
eben doch zu keiner Uebersicht führen —; woran dann freilich 
eben nur Mangel an Aufklärung, an entsprechender Bildung 
des Geistes auf diesem Gebiete, die Schuld trüge — so greife 
man zum Thermometer. In jeder Familie sollte ein Ther 
mometer vorhanden sein, der so construirt ist, daß er bequem 
unter die Zunge des. Patienten, der dann die Lippen zu 
schließen hat, eingeführt werden kann. Aus keine andere 
Weise, als durch die Thermometermessung an diesem Orte 
oder in einer anderen der von außen zugänglichen Höhlungen 
des Körpers, läßt sich sicher der Bluthitze-Grad erfahren; 
weiß man nun — und jeder Familienvater sollte dies durch 
bisweilige Messungen an seinen Angehörigen in Erfahrung 
gebracht haben — welches im gewöhnlichen, gesunden Zu 
stande die Blutwärme des Betreffenden ist, so zeigt bei sei 
nem Erkranken eine öftere Messung und die bei derselben 
wahrgenommene geringere oder bedeutendere Neigung des 
Thermometers > also der Bluthitze, die geringere oder größere ' 
Bedeutendheit der sich entwickelnden Krankheit. Der mittlere j 
Blutwärmegrad des menschlichen Körpers ist der von 2-91° * 
R. oder 37° Celsius; gesunde Kinder haben aber meist etwas ! 
höheren, ältere Leute dagegen etwas tieferen Grad. Wem - 
die Thermometermessung bei einem Erkrankten nicht über 1° 
Erhöhung seiner gewöhnlichen Blutwärme zeigt, so genügt nun 
eine täglich mehrmalige bloße Abwaschung des Patienten 
am ganzen Körper mit Wasser von ca. 16 —18° R. und 
die Entscheidung der Krankheit wird fast unbemerkt, wenn 
auch vielleicht erst innerhalb einiger Tage, meist aber in weit 
kürzerer Zeit, erfolgen. Alle wenig gut gen ährte, aber sonst 
kräftige, viel mit der freien Luft verkehrende Personen werden 
bei acuten Erkrankungen meistentheils nur eine Blutwärme- 
Erhöhung von ca 1 bis höchstens 1£° R. erfahren und ha 
ben dann auch in der Regel nichts zu thun, als durch flei 
ßige, milde Waschungen die Haut von den ausgedünsteten, 
vielleicht auch ausgeschwitzten Kr.-Stoffen zu reinigen und 
zu weiterer Thätigkeit kräftig zu erhalten, im Uebrigen aber 
ihrem, in solchen acuten Zuständen allemal richtigen In st in et 
zu folgen. Betreffs des Jnstinctes müssen wir hier gleich 
noch Einiges zur Berichtigung Ihrer diesfallsigen Ansichten 
einschalten: Im sogen, gesunden Zustande nämlich tritt aller 
dings der Jnstinct beim Menschen nicht so hervor, wie 
beim Thiere, und es braucht auch da dessen nicht, weil, wie ■ 
Sie sehr richtig bemerken, die Vernunft (ein viel höheres, 
den Jnstinct mitumsassendes oder besser „übertragendes" Ver 
mögen) ihm zu Theil ward. In der acuten Krankheit aber, 
wo die die Grundlage und den Quell der Vernunftäußerung 
darstellenden Nerven mehr oder weniger für andere, als rein 
geistige Zwecke in Anspruch genommen sind, muß auch mehr jj 
oder weniger das geistige Vermögen des Menschen zurückwei 
chen und seine animale Natur dafür mehr hervortreten, und 
thut es erfahrungsmäßig stets, freilich mehr oder weniger 
stark, je nachdem das betr. Leben mehr oder weniger bisher na- > 
turgemäß war, und daher auch mehr oder weniger erkennbar 
für die Umgebung, resp. den Arzt. Ihre hier einschlagende 
obige Bemerkung: „der Mensch sei schlimmer daran, als das 
Thier, da ihm der Verstand den Jnstinlt nicht ersetze" ist da 
her offenbar irrig; ebenso der Satz, „daß das kranke Thier 
stets vernünftiger (naturgemäßer) handle, als der geschickteste ] 
Arzt". Jnstinct ist das bewußtlose, animale Erkennen des- ! 
sen, was dem betr. Organismus heilsam ist; diese Selbster 
kenntniß kann natürlich außer dem betr. Organismus kein 
zweites Wesen haben, höchstens kann dieses zweite Wesen 
durch Beobachtung des Jnstinctes an einem anderen Orga 
nismus Schlüsse ziehen und auf die Nothwendigkeiten hinge- ! 
wiesen werden, welche für jenen jetzt bestehen. Dies ist aber 
eben Verstandesthätigkeit, und es ist daher klar, daß ein Arzt i 
ohne Verstand gar nicht Notiz nehmen kann vom Jnstincte, 
sei es des Thieres oder des kranken Menschen. Allerdings 
wird sich darin, wie ein Arzt den Jnstinct eines Kranken zu 
ergründen und zu benutzen weiß, stets ein Zeichen seiner eige 
nen größeren oder geringeren Verstandes-Entwickelung er- . 
kennen lassen; aber auch der verständigste, scharfsinnigste, in 
seiner Verstandeskraft am höchsten gediehene Arzt würde nur 
im Finstern tappen, ohne das Licht, das ihm der Jnstinct 
des behandelten (acut) Kranken vorhält. 
(Schluß in nächster — beiliegender — Nummer.) 
Verantw. Redakteur und Verleger: Dr, Meinert.
	        
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