Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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; Gattin in ihrer Familie an ein, wenn auch thätiges Leben, 
doch auch (materiell) an ein „Wohlleben" gewöhnt gewesen 
sei. Kann man nun anders vermuthen, als daß dieselbe spä- 
- ter, in ihrem eigenen Familienkreise, an ihren Kindern, dasselbe 
Princip oder dieselbe Gewohnheit der „guten Ernährung" ein- 
l und durchzuführen bemüht gewesen fein und daß die Folge 
davon eine „Vollsaftigkeit" Ihrer Kinder gewesen sein wird, 
welche zusammen mit Verweichlichung der Haut derselben (durch 
Wärme in Zimmerluft, in Bekleidungs- und Schlafart) die 
schönste Disposition der jungen Körper für die sogenannten 
Kinderkrankheiten geliefert haben muß? Sie sagen zwar, 
i es werde wohl nie aufgeklärt werden, woher Ihrem Knaben, 
der zuerst vom Scharlach erfaßt und hingerafft wurde, woher 
gerade diesem das Scharlach kam; aber Merkwürdiger Weise 
führen Sie selbst, ohne zwar es zu wissen, im Vordersatz die 
ser Frage den Grund dazu deutlich genug an, denn Sie be 
merken, „daß gerade dieser Knabe bei der damali 
gen rauhen Witterung wochenlang nicht aus der 
Stube gekommen sei!" In diesen Worten liegt für den 
Naturarzt das ganze System Ihrer physischen Kindererziehung 
und der Grund zu Tage, warum gerade Ihre Kinder, mehr 
als die der Wärterin, die Disposition für das Scharlach in 
sich tragen mußten! Hätten Ihre Kinder ein Leben geführt, 
. oder führen müssen, wie die der Wärterin, sie hätten viel- 
| leicht das Scharlach gar nicht oder doch gewiß nur in 
einer Art und Weise bekommen, die das Leben keineswegs ge-> 
: fährdete. 
Ebenso würden Sie durch wirkliche Kenntniß des Natur 
heilverfahrens bei dem Fußübel Ihrer Gattin gegen dessen so 
unnöthigen Uebergang in lebensgefährliche und schmerzvolle 
Complicationen geschützt worden sein; denn Sie würden dann 
gewußt haben, daß schon die Behandlung des angeblichen 
Venenbruches eine andere, als die eingeleitete, namentlich eine 
- die Aufsaugung des exosmotisch nach dem Verband aus der 
betreffenden Vene in das Zellgewebe der Nachbarparthien sich 
absetzenden Blutes mehr begünstigende hätte sein müssen; Sie 
würden aber noch mehr den späteren sogen. Rothlauf — 
der sich als ein traumatisches Erysipel darstellt — kei 
neswegs nur local, sondern unter Inanspruchnahme aller 
Ausscheidungsorgane des Körpers und vor Allem der gan- 
: zen äußeren Haut haben behandeln lassen. 
Also Kenntnißaneignung vom Wesen des Körperle 
bens und der diesem angepaßten naturgemäßen Krankheitsbehand 
lung ist es, was dem Familienvater und der Mutter Noth 
thut! Aber freilich sollte dazu und damit schon in der Schule 
angefangen und dieser Anfang von oben herein, von den 
1 Herren decretirt werden, in deren Haüd die Fürsorge für die 
Schule liegt. Und dies setzt wieder die entsprechende Bildung 
der Lehrer und jener Beamten selbst voraus, ohne deren Vor 
handensein, wie wir leider sehen, bei keiner Universität und 
keinem öffentlichen Krankenhause, geschweige im Seminar und 
der Volksschule, an Ausfüllung dieser traurigen und gefahr 
vollen Lücke des Unterrichtswesens zu denken ist. 
Wir vermögen mit unserem Blatte, „dem Naturarzte", 
nur ein ganz kleines, bescheidenes Theil dazu beizutragen, daß 
die Erkenntniß der Wichtigkeit dieses Gesammtgegenstandes 
in den Menschen zunehme. Unsere Aufgabe ist— neben par- 
i kieller, d. h. nur allmäliger Belehrung — hauptsächlich die 
der steten Anregung und Aufrüttelung der Menschheit zum 
Nachdenken aus einem Gebiete, das ihrem Wohl und Wehe 
so nahe liegt, und das ihr doch noch fast ganz eine terra in- 
cognita ist, während es allerdings bei ernstlichem Willen 
für jeden sich öffnet und seine Segensquellen Jedem zugäng 
lich sein läßt. 
Allerdings wird der regelmäßige Leser des „Natur 
arztes" nach und nach aus diesem Blatte alle nöthige Be 
lehrungen über die Naturheilmethode schöpfen können, — wie 
wohl ebenfalls nur unter der Voraussetzung, daß man alles 
gründlich und wiederholt liest. Aber die schnelle, inner 
halb vielleicht eines Jahres, resp. in noch kürzerer Zeit ge 
wünschte Befähigung zu selbstständiger Behandlung, wenigstens 
der meisten acuten Krankheitsvorkommnisse, ist nur aus 
einem Lehrbuche zu erzielen möglich, und daher wiederho 
len wir: Schaffen Sie scheunigst ein solches an und studiren 
Sie es gründlichst! 
Wenden wir uns nun noch näher zu einer kurzen Be 
trachtung der Frage, ob und wie es möglich gewesen sein 
möchte, dem gefährlichen Ausgange des Scharlachs bei Ihren 
Kindern vorzubeugen, so bemerken wir voraus, daß diese 
Frage (pie noch ebenso, wie jeden Anderen, der für ein ihm 
theures Leben besorgt zu sein hat, interessirt, da Sie jeder 
Zeit an Ihrem überlebenden Kinde, wie auch an Ihrer Gat 
tin, die Entstehung einer neuen acuten Krankheit, z. B. eines 
Nervenfiebers, eines gastrischen Fiebers, eines Wechselfiebers 
oder dergl., in Erfahrung bringen können, und die Behand 
lung, resp. günstigere Gestaltung der betr. Krankheit gleich 
von vornherein, in der Hauptsache ganz dieselbe bei Schar 
lach, wie bei Nervensieber u. s. w. ist nur daß die In 
tensität der Formen von den jedesmaligen besonderen Körper 
verhältnissen abhängt. Sie müssen sich nämlich zuerst gewöh 
nen, in allen sogen, acuten Krankheitserscheinungen nicht etwas 
von Haus aus Feindliches und Gefährliches für den Körper zu 
erblicken, sondern darin eine Bestrebung des Körpers selbst zu 
sehen, sich von gewissen, ihn belästigenden Stoffen zu befreien. 
Die Fieber- und Entzündungs-Zustände, mit denen meist alle 
jene (acuten) Krankheiten einhergehen, sind nichts anderes, als 
Anstrengungen des Körpers, jene Stoffe zu vernichten 
(was durch beschleunigte Blutcirculation und demgemäße grö 
ßere Erhitzung, also mittels eines vermehrten Verbrennungs 
Processes, geschieht- und, nachdem dies geschehen, die Schlacken 
oder Leichen dieses glücklich überstandenen Kampfes aus dem 
Blute zu entfernen, auszustoßen aus dem Körper. Diesen 
Kampf unterdrücken, wie es durch Blutentziehungen und Me- 
dicamente fast meistentheils geschieht, heißt also, die Absicht 
unserer Körpernatur verkennen, ihr entgegentreten. Wir ha 
ben sie vielmehr zu unterstützen, d. h. dafür zu sorgen, daß 
keine Hindernisse für ihre freie Entfaltung und Durchfüh 
rung vorhanden seien. Dies ist aber allerdings bei den mei- 
sten Körpern, wenn sie acut krank werden, in ihrer jetzigen 
Beschaffenheit der Fall, einmal deshalb, weil die meisten Men 
schen der wohlhabenderen Classen und auch schon die meisten 
Kinder derselben dermalen in ihrem an und für sich zur Be 
schaffenheit der Ausscheidungsorgane unverhältnißmüßig Mas 
sen- und stickstoffreichen Blute die für Blutdyskrasien 
günstigen Bedingungen mit sich tragen, das andere Mal des 
halb, weil sie ihr größtes und wichtigstes Athmungs- und 
Ausscheidungs-Organ: die äußere Haut, in einen mehr 
oder weniger totalen Verfall haben gerathen und dadurch 
auch die inneren Ausscheidungs- und Athmungsorgane, durch 
deren zu große Inanspruchnahme, sich haben verschlechtern 
lassen. Beide Umstände müssen aber für den Körper, falls 
er sich zur Anstellung von Reinigungsversuchen -- die man 
jetzt noch acute Krankheiten nennt, veranlaßt sieht, die schlimm 
sten und gefährlichsten Hindernisse darstellen: der erstere
	        
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