Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

139 
Auch A Schulze hat während seiner achtzehnjährigen 
Praxis eine große Zahl von syphilitisch Kranken geheilt. Nur 
eine Person, die nicht die erforderliche Ausdauer in der .Kur 
hatte, verließ ungeheilt seine Anstalt. Von ihm sind syphili 
tisch Kranke, die noch keine Arzneien gebraucht hatten, in einem 
Zeitraume von 14 Tagen bis 4 Wochen hergestellt worden. 
Die Behandlung der gedachten Krankheit hat nach folgender 
allgemeinen Regel stattgefunden"). 
Zunächst wurde die entzündete Stelle möglichst rein ge 
halten; dies geschah durch tägliches Baden derselben 4 bis 5 
Mal 18 0 2 Minuten, wonach sie jedesmal mit frischem, in 
kaltes Wasser getauchten und ausgedrückten Charpie belegt 
ward. In den ersten Tagen wurde die Haut des Körpers 
durch Abreibungen mit einem in Wasser (15 °) getauchten und 
ausgerungenen Laken zur Thätigkeit und Ausdünstung anre 
gend vorbereitet. Nach drei Tagen wurde mit den feuchten 
Einpackungen begonnen. Hierzu ward ein in frisches Wasser 
getauchtes und gut ausgerungenes Laken genommen, darüber 
die wollene Decke gewickelt; und demnächst fand noch ein Be 
decken mit einem Federbett statt, das von allen Seiten unter 
den Körper gestopft wurde. Das entzündete Glied wurde 
jedesmal während dieser Einpackung außer dem Charpie noch 
mit einer in frisches Wasser getauchten und ausgedrückten 
Compresse belegt. Diese Einpackungen dauerten 1 Stunden 
und wurden täglich, des Morgens, wenn der Körper noch die 
Bettwärme hatte, ausgeführt. Eine zweite Einpackung an 
einem Tage, zwischen 5 — 6 Uhr Nachmittags, fand nur bei 
hinreichender Wärme des Körpers wöchentlich 1 bis 3 Mal 
statt. Jedesmal nach einer solchen Einpackung wurde Patient 
abgerieben, in den ersten Tagen mit verschlagenem, dann mit 
kaltem. Wasser. Hierbei wurden, um Erkältung zu verhüten, 
zunächst die Füße enthüllt und kalt abgerieben, darauf erfolgte 
die erwähnte Abreibung des Körpers, sowie das Abtrockenen 
desselben. 
Wärme oben an der Decke einströmt und an dem Fußboden ab geht, 
und wo also auch eine feuchte Reinigung fester — nicht durchbrochener 
— Fußböden möglich ist) nicht enthalten. Wir werden demnächst in 
einem Artikel über das Bad zu Rüdersdorf Gelegenheit haben, unseren 
Lesern die Einrichtung eines heißen Luftbades, sowohl nach türkischem, 
als nach verbessertem, abendländischen Systeme vorzuführen, dabei auch 
über den großen Nutzen der heißen Luftbäder uns des Näheren aus 
zusprechen und die Bedenken zu widerlegen, welche merkwürdiger Weise 
und in schwerlich zu rechtfertigender Form neulich Herr Medicinalrath 
Dr Richter, Dirigent der Wasserheilanstalt Alerisbad im Harz, gegen 
diese, nach seiner Ansicht unter die „unberechtigten" Zuthaten zu 
Naturheilanstalten zu rechnenden Badeformen expectorirt hat. D. R. 
15 ) Nach einer allgemeinen Regel einen Patienten zu be- 
haudeln, hat zwar allemal seine großen Bedenken; wenn aber Herr 
Schulze diese allgemeine Regel und resp. die Behandlung , wie sie im 
nachfolgenden Satze angegeben wird, nur auf Syphilitiker secun- 
därer An ausgedehnt hat — und man kann nach dem Referate 
dies kaum anders annehmen — so wollen wir gern glauben, daß er 
wirkliche gute Erfolge ldenn es giebt auch scheinbare, wie sie die 
allopathischen Kuren der Syphilis liefern) erreicht hat, obgleich die an 
gegebene Zeit von 2 — 4 Wochen unsere großen Zweifel erregt. In 
einem so kurzen Zeitraume kann wohl eine primäre Syphilis unter 
günstigen Umständen zur kritischen Entscheidung und Ausheilung ge 
bracht werden, aber niemals, nach unserer festesten Ueberzeugung, 
ein seeundär spphilisches Leiden. Dies ist hier unbedingt ebenso un 
möglich als eine wahre Heilung von Scropheln innerhalb 4 Wochen 
unmöglich ist. Es kann in solcher Zeit wohl eine Eiterung zum Auf 
hören, eine Wunde zum Sichschließen und überhaupt das Blut 
zur momentanen Reinigung gebracht werden, aber nun und 
nimmermehr kann in so kurzer Zeit die Disposition besonders des 
Drüsensystems im syphilitischen und scrophulösen Körper zu wie 
derholter und unter Umständen immer fortgesetzter Berderbniß des Blu 
tes gehoben, ebenso wenig die Aufhebung und Ausscheidung schon alter 
Verschleimungsstellen solcher Art so schnell erreicht werden. Die Red. 
Nach 3 bis 4 Tagen wurden Sitzbäder 15 0 5 Minuten 
eine Stunde vor dem Mittagessen gegeben. 
Neben dem Sitzbade kamen Nachmittags Fußbäder von 
150 R. und 5 Minuten Dauer zur Anwendung, wobei nach 
und nach zum kalten Wasser übergegangen wurde. 
Nach einer vierzehntägigen Behandlung wurde Patient 
an einzelnen Tagen an Stelle der feuchten Einpackung (wö 
chentlich ein bis 2 Mal) trocken eingepackt, um zu schwitzen. 
Damit dies möglichst schnell geschah, wurde die wollene Decke 
des Abends unter das Bettlaken gelegt. Am Morgen, wenn 
der Körper noch die volle Bettwürme hatte, wurde das Laken 
behutsam entfernt und der Kranke in die Abends vorher dar 
unter gelegte wollene Decke eingehüllt und, wie bei der feuch 
ten Einpackung, mit einem Federbett zugedeckt. Vor dieser 
Einhüllung wurde jedoch noch dafür gesorgt, daß die entzün 
dete Stelle, wie oben angegeben, mit einem feuchten Umschlage 
versehen sei. Während des Schwitzens, was Sch. nur bis auf 
30 Minuten auszudehnen für gut fand und welches oft schon 
nach einer Stunde eintritt, wurde etwas Wasser zum Trinken 
dargereicht. Hieran schloß sich eine kalte Abreibung, zunächst 
mit einem Laken, und wenn dies zu warm geworden, noch 
mit einem zweiten. 
Beim Eintritt von Fieber oder fieberhaften Erscheinun 
gen, wie Sausen und Ziehen in den Gliedern, werden die 
Kranken kalt abgerieben oder bei übermäßiger Wärme in 
feuchte Einwickelungen gebracht, wobei oft auch ein Wechsel 
des feuchten Lakens sich als nothwendig und zweckmäßig her 
ausstellte. 
Wenn nach 3 bis 4 Wochen die Heilung nicht eingetre 
ten war, wurden zur Förderung der Reaction nach den Ein 
packungen, an Stelle der Abreibungen, Douchen angewandt. 
Vom Beginn bis zu Ende der Kur wurde die Leibbinde 
getragen, die täglich viermal, Morgens, Mittags, Nachmit 
tags 5 Uhr und beim Schlafengehen gewechselt wurde. Wäh 
rend der ganzen Kur ward besonders durch Anwendung von 
Klystieren auf offenen Leib hingewirkt. Auch war für das 
Einathmen frischer Luft nach Möglichkeit zu sorgen, namentlich 
mußten während der Einpackungen die Fenster offen gehalten 
werden. Nach jeder Behandlung ging der Kranke so lange 
spazieren, bis er warm wurde, etwa 1 Stunde. An das 
Trinken des Wassers hatten sich die Kranken nach und nach 
zu gewöhnen; jedoch durfte dies nur schluckweise und niemals 
übermäßig stattfinden. Die Diät war dieselbe, wie sie vorher 
bei Viek angegeben , nur daß an einzelnen Tagen Fleisch in 
kleiner Quantität gewährt wurde. 
Schlußbemerkungen "). 
Die angegebenen allgemeinen Regeln liefern uns im Hin 
blick auf die erwähnten Resultate den Beweis, daß durch ihre 
i6) Wir wünschten, der Herr Verfasser hätte, entsprechend dem 
Eingänge seines Referates, diese Schlußbemerkungen mehr in Frage 
form gestellt. Denn wenn wir auch unsere eigene, in den Noten an 
gegebene Anschauung über die Behandlung von Syphilis primärer 
und secundärer Art ebenfalls noch nicht als die vollkommenste hinstel 
len können und wollen, so bieten doch die Schulze'sche, wie Viek'sche 
Behandlungsart, namentlich der primären Syphilis, so viele Bedenken 
dar, daß uns wenigstens darin noch durchaus keine Norm allgemeiner, 
aber zugleich der Jndividualisirung fähiger Art vorhanden erscheint. 
Wir bitten übrigens, uns diese, wis alle obige Bemerkungen nicht übel 
zu deuten; sie gehen ja aus demselben Wunsche hervor, der den Herrn 
Verfasser beseelt, eine so wichtige Frage, wie die der Behandlung der 
Syphilis darstellt, vorwärts und womöglich zum Abschluß zu bringen! 
Aber wir haben auch in unserer, allerdings im Allgemeinen wehr
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.