Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Solcher verfangender kleiner Klystiere nun kann man in 
dringenden Fällen alle 2 bis 3 Stunden reichen, und bringt 
dann in 1 bis 2 mal 24 Stunden ein hübsches Quantum 
in den Leib. So fährt man fort, bis endlich eine gewisse 
Sättigung erreicht ist, und dann — bricht endlich das Ha 
gelwetter los, öfters, daß es eine wahre Freude ist! 
In chronischen Fällen genügen täglich 2 bis 3 solcher 
Klystiere, Morgens, Mittags und spät Abends, womit man 
manchmal bis zu vielen Monaten fortfahren muß. 
Wie das Quantum, so ist auch die Temperatur ein 
wichtiger' Factor hierbei. Selbst Klystiere von 2 Loth ver 
tragen Manche nicht gleich von frischem (bis 8") Wasser, son 
dern es muß mit einer höheren Temperatur begonnen werden, 
die mitunter bis zur Blutwärme (28 - 30 ") reicht. Zu die 
sem Zwecke lasse ich gewöhnlich das erste Klystier mit 4 Loth 
und 16 0 N. reichen, um damit die Reizbarkeit zu sondiren. 
Empfand Patient wenig davon und behielt er es leicht bei 
sich, so lasse ich die Temperatur rasch abnehmen (etwa täglich 
1 o) das Quantum dagegen 
sich steigern, bis man an die 
Grenze gelangt, wo er solches 
schwer behält, was ausnahms 
weise auch bis 12 Loth rei 
chen kann. Empfand dagegen 
Patient dieses erste Klystier 
bis 4 Loth und 16 o R. 
stark, und konnte es schwer 
oder nicht behalten werden, 
so lasse ich die folgenden 
erst mit 22 bis 26 o reichen, 
dann-langsam kälter (etwa 2 
täglich und { 0 R. kühler) 
und ebenso allmälig das 
Quantum steigern, bis man 
ebenfalls an jene Grenze ge 
langt. 
Jedenfalls trachte ich 
immer, den kältesten Grad 
(d. h. Brunnentemperatur) zu 
erreichen, um die Darmmus 
keln und Gefäße zu den stärk 
sten Zusammenziehungen zu 
reizen, und bezüglich des 
Quantums (^Größe des einzelnen Klystieres und Zahl derselben 
in einem Tage) richte ich mich ganz nach dem jeweiligen Zu 
stande des Individuums; denn, wie bei allen anderen Was- 
serapplicationen, muß man auch hier je nach Person sehr 
variiren. 
Oft werden unglaubliche Mengen Wasser allmälig ver 
fangt, weil viel Hitze und Vertrocknung im Unterleibe sitzt, 
die häufig mehrere Monate getränkt sein wollen, die sich als 
kritische Schlacken auszuweichen, zu lösen und in Bewegung 
zu setzen, und als vielgewünschte Schleim- und Blutkrisen 
an's Tageslicht zu treten beginnen. Man kann alle Tage 
seinen Stuhlgang haben und dennoch mit unbegreiflichen 
Massen alter Stühle und Schleim-Residuen behaftet sein. 
Namentlich zeigt sich oft recht im Typhus, welche Masse an 
Rückständen der in Ordnung geglaubte Unterleib beherbergt 
hat. Ganz klar muß es Jedermann sein, daß ein Klystier, 
welches schon nach 5, 10, 20 Minuten wieder abgeht, physi 
kalisch und physiatrisch von ungleich geringerer Wirkung sein 
muß, als ein solches, welches sich gänzlich verfangt in den 
Fäces, in den Drüsen, Lymphgefäßen und in den Venen des 
Darmes, dessen Wirkung sich daher auf das ganze Pfort 
adersystem, d. h. bis zur Leber hinauf, erstrecken muß. Wirk 
lich treten auch öfters auf solche Klystiere vermehrte Galle n- 
Absonderungen ein. — Endlich ist die Rechnung einfach die: 
wenn Jemand dreimal täglich 4 Loth Wasser zu sich nimmt, 
behält er alle 12 Loth bei sich, während wenn man ihm 12 
Loth unter einem Male applieirt, das Ganze bald wieder 
abgeht, also nichts oder äußerst wenig seine Wirkung sein 
kann. 
Es giebt aber auch Individuen, welche 10 bis 12 Loth 
unter einem Mal bei sich behalten können, welchen man also 
unter 3 Malen täglich über 1 Pfund Wasser in den Unter 
leib auflösend und stärkend beizubringen vermag. Hier ist es 
eben wie in vielen anderen Fällen — man fällt keinen Baum 
mit einem Hieb, auch nicht mit einigen, wohl aber mit vielen, 
vielen kleinen, und so konnte ich stets die hartnäckigsten Ver 
stopfungen nicht nur zur^Lösung bringen, sondern zur norma 
len, regulären Stuhlfunction 
Äi zurückführen. 
! I Aber auch bei regelmä- 
^ ßigem Stuhlgang wirken 
solche oft genommene kleine 
Klystiere von größtem Nutzen 
als ableitend jvon Kopf, 
Hals, Brust, Magen re., 
und dann ordinire ich solche, 
oder wenigstens eines täg 
lich, in möglichst lee 
ren Darm, also nach ge 
habtem Stuhlgang zu neh 
men, ein zweites und drittes 
'aber'noch außer dieser Pe 
riode. 
Nie, auch nicht ein ein 
ziges Mal, habe^ich Ange 
wöhnung wahrgenommen, 
wenn man der Stimme der 
Natur gehorchte; meistens 
steigert sich die Quantität 
der zu vertragenden Wasser 
masse, bis Darm-Krisen 
eintreten; dann auf ein 
mal, manchmal auch allmälig, widerstrebt der Körper, das 
gleiche Quantum fortzusetzen, es treten deutliche Widerstands 
Symptome ein: das Wasser incommodirt im Darm auf ver 
schiedene Weise, man spürt und trägt es viel länger herum, 
als früher, weil es nicht mehr so gierig eingesogen wird rc.; 
dann ist es Zeit, an Größe und Zahl der Klystiere abzu 
brechen, und man geht demnach allmälig in beiden Beziehun 
gen zurück, wie einst aufwärts. Auf solche Weise aufmerk 
sam mit reinen Wasserklystieren verfahrend, kann man förm 
liche Klystierkuren machen. 
Nehmen wir dann noch die anderen hydriatischen Hülfs 
mittel, als Vegetabildiät, Sitzbäder, Leibbinden, Bauch- und 
Kreuzbrausen und Douchen, Schneefomentationen und nament 
lich Unterleibs-Sonnenbäder und Unterleibs-Dampfbäder zu 
Hülfe, so haben wir einen Apparat an der Hand, mit wel 
chem, vernünftig verfahren, auch der trägste Darm aufgerüt 
telt und gestärkt werden muß — mit Ausnahme derjenigen 
Fälle, denen Rückenmarkslähmung zu Grunde liegt, so daß 
ich es mit gutem Gewissen wiederholen kann, daß ich die lei
	        
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