Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

121 
Verfahren und hatte sich das Uebel verschlimmert. Man kann 
bei Menschen, die, sich selbst überlassen, kaltes Wasser anwen 
den sollen, nicht vorsichtig genug sein. Nicht allein, daß das 
Verfahren nichts hilft, würde die Wasseranwendung in Miß 
kredit gebracht werden 
Meine kleine Enkelin, ein Mädchen von ca. 1 \ Jahren, 
war scrophulös, gekrümmte Seite, mit festem, aufgetriebenen 
Leib, unruhig, entweder stetes Wachen oder viel Schlafen. 
Fast stete Hitze im Kopfe, mit kaltem, klebrigen Schweiß. 
Nach erfolglosem Behandeln eines sehr tüchtigen (?) Arztes for 
derten die Eltern des Kindes mich auf, mit der Kleinen die 
Wasserkur vorzunehmen. Mit Vergnügen ging ich an die 
Ausführung. Die Kleine ward bis an die Achselhöhlen ein 
gepackt. Der Erfolg war zufriedenstellend, nur mußte ich 
von der naßkalten Abreibung nach dem Auspacken abstehen, 
das vertrug die Kleine- nicht(?). — Nach 14 Tagen wandte ich 
blos den Neptunsgürtel an, meist als ein Mittel, das Kind 
zum Schlaf zu zwingen. Nebenbei wurden kalte Wasserkly 
stiere gegeben, nach Umständen 2 auch 3 in Zwischenräumen; 
letztere ließ. sie sich sehr gern geben. Jetzt ist sie ganz wohl; 
sie ist befleischt, wiegt jetzt -23 Pfund Zoll^ewicht, wird wö 
chentlich 3 bis 4 Mal gebadet (welcher Grad?), was sie sehr 
gern hat, denn sie verläßt mit Unwillen die Badewanne. 
Die gekrümmte Seite ist fort, sie schuppt sich über den ganzen 
Körper ab. 
Aus dem hydro-diätetischen Verein zu Dresden. 
(Fünfte, in Nr. 264 der vorjährigen „Dresdner Nachrichten" 
veröffentlichte Anspra^e an das Publikum.) 
Die Mineralwasser-, Bade- und Trinkkuren. 
Unter Hinweis auf das Wort: „Prüfet Alles und das 
Beste behaltet", erlauben wir uns, die Aufmerksamkeit der 
geehrten Leser auch auf die Mineralwasserkuren zu lenken. 
Wir haben da freilich zu fürchten, daß wir vielfach Anstoß 
erregen. Wenn wir uns aber dennoch nicht abhalten lassen, 
unser Vorhaben auszuführen, so treibt und tröstet uns dabei 
der Gedanke, daß man in Sachen der Gesundheit nie zu viel 
prüfen kann, und daß wir durch Anregung irgend welcher 
Zweifel in Betreff der Heilmittel nur zu nützen beabsichtigen. 
Also zur Sache. — Der Vollständigkeit wegen bemerken wir 
zunächst, daß man unter Mineralwasser solches Wasser ver 
steht, das sich durch mehr oder weniger fremdartigen, metalli 
schen, säuerlichen Geschmack, mithin durch stärkere Beimischung 
von Salzen, oder erheblichen Gehalt von Kohlensäure, oder 
auch durch auffallend hohe Temperatur auszeichnet." Um die 
ser Eigenschaften willen wird es bekanntlich in Krankheits 
fällen zu Bade- und Trinkkuren benutzt: (Zu Bädern ver 
wendet man es bereits seit dem 14. Jahrhundert, zu welcher 
Zeit in dem quellenreichen Italien auch schon die Douche als 
Nachahmung der natürlichen Wasserstürze eingeführt wurde). 
„Nun", wird man vielleicht nach unseren oben ausgesproche 
nen Befürchtungen sagen, „sollen etwa die Erfolge der Mine- 
alwasserkuren in Zweifel gezogen werden? Beweisen nicht 
Tausende von Fällen, daß sie wirklich gut sind?" Es kann 
uns nicht beikommen, solches in Abrede stellen zu wollen; 
schlügen wir doch sonst offenbar der Erfahrung in's Ge 
sicht, auf die wir ja selbst ein so großes Gewicht legen. O 
nein, wir sind nur mit vielen anerkannten Aerzten, z. B. mit 
dem schon früher erwähnten Friedrich Hoffmann, der 
Meinung, daß jene guten Erfolge nicht sowohl durch die im 
Wasser enthaltenen mineralischen Bestandtheile, sondern 
in der Hauptsache durch den Gebrauch des Wassers 
an sich und durch die mit jenen Kuren in Verbin 
dung tretende Diät und andere günstige Um 
stände gesichert werden Hiernach behaupten wir (— abge 
sehen von den wenigen Fällen, wo eine Mineralwasserkur 
als solche wirklich heilsam ist, aber auch abgesehen von den 
jenigen, wo sie sehr schaden kann —), daß in den 
allermeisten Fällen das gewöhnliche Wafser ganz diesel 
ben guten Wirkungen hervorbringt wie das Mineralwasser, 
wenn die einander gegenübergestellten Kuren unter gleich 
günstigen Umständen zur Ausführung kommen. Welche 
Umstände aber als für die Herstellung der Gesundheit so gün 
stige bezeichnet werden müssen, darauf antworten wir mit Dr. 
Leo Bergmann, wie folgt: „Das Trinken des Mineral 
wassers hat schon den Vortheil, daß viele Menschen, die eine 
gewisse Art von Wasserscheu haben, von der Möglichkeit über 
zeugt werden, daß auch ihr Magen Wasser vertragen kann, 
wenn es nur nicht so ganz gemeines ist, das in ihrer Hei- 
math jede Bauerndirne unentgeldlich schöpft. Solchen ist es 
dann sehr wohlthätig, daß ihr Magen wenigstens einige Wo 
chen lang mit diesem heilbringenden Elemente erquickt und 
nicht immer mit Thee, Kaffee, Bier, Wein und anderen hitzi 
gen und warmen Getränken belästigt wird. Wie wohlthätig 
ist ferner die körperliche Bewegung, welche das Gebot des 
Arztes, noch mehr aber das allgemeine Beispiel, die Mode, 
die Langeweile erzwingt. Manche Dame, die außerdem das 
Gehen für zu beschwerlich und unanständig hält, der Gelehrte, 
der an seinem Studirtische sich krumm gesessen, der Geschäfts 
mann, den die Speculation und der Caleul an sein Comptoir 
gefesselt hält, der fette Müßiggänger, welcher aus dem Sopha 
sich zu pflegen gewohnt ist: Alle, müssen sich Bewegung ma 
chen , Allen ist sie äußerst wohlthätig, und Alle würden sie 
ohne Badereise nicht machen. Auch der häufige Genuß der 
freien Luft, der manchem Menschen so selten zu Theil wird, 
und der wohlthätige Einfluß der Reise selbst ist sehr hoch an 
zuschlagen. Zudem wie mannichfach ist nicht die Veranlassung 
zur Aufheiterung des Gemüths! Wo findet sich eine bessere 
Gelegenheit, mit dem giltigften Grunde von der Welt (Ge 
sundheit geht ja über Alles) sich von den drückenden häus 
lichen Sorgen, von lästigen Arbeiten, von einer grämlichen 
Ehehälfte, von der strengen Aufsicht einer alten Tante u. s. w. 
eine Zeitlang zu befreien? Selbst die Vergnügungen in den 
Bädern haben ihren eigenen Reiz; sie konunen des Jahres 
nur einmal, sind nicht yüt dem lästigen Zwange verbunden, 
der andere Vergnügungen stört, vereinigen Vieles, was in 
anderen Orten zerstreut ist (natLirlich auch Schlechtes), und 
größere Kurorte können in gewisser Beziehung als permanente 
Redoute angesehen werden, nur im umgekehrten Verhältnisse 
zu den'gewöhnlichen Maskenbällen, indem bei diesen vielerlei 
Masken zu einem Zwecke zusammenkommen, bei jenen aber 
verschiedene Zwecke sich unter eine Maske stecken. — Alle 
diese Vortheile hätten wir freilich ohne die Bäder nicht, dies 
sieht Jedermann ein. Jedoch sind dies meistens nur mittel 
bare Vortheile, welche die Gesundbrunnen gewähren, denn 
was die unmittelbaren betrifft, d. h. solche, die aus dem 
Wassergebrauche allein resultiren, so können diese eben so 
sicher und oft noch sicherer durch jeden gewöhn-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.