Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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bracht, und bald begann er, sich stark zu erbrechen; der Kopf 
war eingenommen, was sich, als das Fieber zunahm, heftig 
steigerte. Es wurde sofort der Hausarzt bestellt, — derselbe 
erschien auch alsbald Md äußerte, daß bei dem Knaben wahr 
scheinlich das Scharlachfieber in Aussicht sei (was sich aber 
erst am anderen Tage mit Bestimmtheit beurtheilen lasse) und 
verschrieb eine Medicin, wovon der kleine Patient alle zwei 
Stunden einen Eßlöffel voll nehmen sollte. 
Schon am zweiten Tage stellte sich der Ausschlag ein, 
das Fieber währte fort und steigerte sich am dritten Tage 
derart, daß der sonst sehr ruhige und besonnene Arzt nicht 
umhin konnte, die Mutter des Kindes aufmerksam zu machen/ 
daß man bei dem Scharlachfieber auf — Alles gefaßt 
sein müsse, schien jedoch kein Mittel zu wissen, was dem 
vorbeugen sollte; denn er verordnete Nichts, als man solle 
das Kind ja in Acht nehmen! „denn Zugluft sei tödt- 
lich!" — Wo sollte aber die Zugluft herkommen, da alles 
Lüften verboten war?! 
Zu Mittag komme ich von meinen Berufsgeschästen in 
die Wohnung und finde mein Kind in höchster Fieberhitze, 
den Hals verschwollen, so daß dasselbe nicht mehr im Stande 
war, auch nur einen Tropfen Milch oder Wasser zu schlin 
gen, die Sprache war vollständig weg, nur durch Nicken oder 
Schütteln konnte es noch unsere Fragen theilweise beantwor 
ten; die Augen waren halb offen und krampfhaft verdreht. 
Da mir nun meine Frau auch mittheilte, daß der Arzt be 
denklich und ungewöhnlich sich benommen habe, und ich von 
ihm wußte, daß er nicht ohne Noth gefährlich thue, so befiel 
uns ein Gefühl der höchsten Wehmuth — und wie ein elek 
trischer Strom kam mir der glückliche Gedanke ein, daß ich 
vor zwei Jahren mit Interesse die Wasser-Bücher von Dr. 
Munde gelesen und darin das Scharlachfieber als keine tödt- 
liche Krankheit geschildert gefunden hatte; — jetzt sollte dieses 
mir dienen, mein liebes Kind vor dem sicheren Tode zu ret 
ten. Zum Glück besaß ich dieses Werk (Hydrotherapie von 
Dr. Munde) noch; ich las die betreffenden Stellen noch ein 
mal eifrigst durch und ging nun, mir Gottes Segen erfle 
hend, an's Werk. Es war dies ; 1 Uhr. Ein Gefäß kaltes 
Wasser, ein Kinderbetttuch und eine schafwollene Decke (Kotze) 
waren schnell herbeigeschafft. Das Betttuch wurde in das 
kalte Wasser gründlich eingetaucht, dann ausgewunden und 
die schafwollene Decke auf die Matratze ausgebreitet, darauf 
das nasse Betttuch gelegt, worin der Junge eingeschlagen und 
mit der schafwollenen Decke umhüllt wurde, so daß nur 
Augen, Nase und Mund zu sehen waren. Mein Herz pochte 
— als ich den im höchsten Fieber befindlichen Jungen, roth 
wie ein Krebs, halbtodt, vollständig gefühhllos, das erste Mal 
dieser anscheinend cannibalischen Kur unterzog; ich öffnete 
dann ein Fenster und siehe, die Zugluft tödtete nicht allein 
nicht, sondern bald sollte ich belohnt werden für den Muth, den j 
ich in der Angst vor dem Tode meines geliebten Kindes faßte; 
denn die Krämpfe verloren sich schon nach 10 Minuten, so daß 
die Augen ihre natürliche Stellung wieder erhielten. 
Nach einer Viertelstunde gab ich dem Patienten, der vor- 
gegen 5 Uhr war das Fieber auf den gehörigen, ungefähr 
lichen (sogar nützlichen) Grad reducirt und der eben ankom 
mende Arzt, der von dieser Kurweise keine Idee gehabt hatte, 
-fand den Jungen fast fieberfrei und jedenfalls außer Lebens 
fahr. Ich packte nun denselben aus, wusch ihn, wie üblich, 
mit abgeschrecktem Wasser ab, legte ihn in sein trockenes Bett, 
worauf.er die ganze Nacht, das erste Mal seit drei Tagen, 
bis früh £8 Uhr ruhig schlief, und als er erwachte, nur 
noch über Hunger klagte, der mit großem Vergnügen beseitigt 
wurde. Am andern Tage wurde er noch einige Male einge 
schlagen, und am nächsten Tage stand der Knabe auf und 
befindet sich seitdem, Gott sei Dank, ganz wohl. 
Einige Tage darauf kommt der größere Bruder, 10 Jahr 
alt, gegen Mittag aus der Schule, wo er sich schon erbrochen 
hatte, nach Haus, klagt über Uebelbcsinden und Halsweh. 
Er wird sogleich zu Bett gelegt und das Scharlachsieber war 
so gut, wie sicher, indem wir Ansteckung voraussetzten; bald 
wurden Hals- und Kopfweh heftiger. 
Nunmehr mit größerem Muthe und Zuversicht an's Werk 
gehend) warteten wir nicht erst, bis Lebensgefahr vorhanden 
war, sondern fingen sofort mit kühlenden Umschlägen an 
Hals und Kopf an, schlugen ihn dann in's nasse Tuch ein, 
und siehe da, das Halsweh war durch den dritten Umschlag 
für immer verbannt, der Kopf jedoch war bis gegen Abend 
eingenommen, wo aber der Patient auf Befragen, wie auch 
während der ganzen Krankheit, oft erklärte, daß ihm Nichts 
'weh thue, nur sei er noch sehr müde. Am zweiten Tage 
wurden die Umschläge von 10 Uhr früh bis 13 Uhr Nachts 
fortgesetzt, dann wurde der Patient kalt abgewaschen und in's 
trockene Bett gelegt. Die Nacht war wieder ruhig. Am drit 
ten Tage wurden beinahe den ganzen Tag Umschläge um den 
ganzen Körper gemacht und mußten bis 2 Uhr Nachts fort 
gesetzt werden, da das Fieber nicht weichen wollte, wonach 
er nach der kalten Abwaschung in ein trockenes Bett geschafft 
wurde und bis 7 Uhr ruhig schlief. Am vierten Tage, wo 
ich genöthigt wtzr, zu verreisen und Gefahr meines Erachtens 
nicht mehr vorlag, hatte der Kranke weniger Fieber und wur 
den demzufolge die Umschläge weniger gewechselt und auch 
nur einen Theil des Tages angewendet*). Am fünften Tage 
konnte mit Umschlägen ausgesetzt werden, und befand sich der 
Knabe seitdem ganz wohl. Der Appetit kam zwar erst nach 
und nach zurück, derselbe wurde jedoch durch Umschläge um 
den Unterleib (Gräfenberger Neptunsgürtel) bald gebessert. 
Leider hatte indeß der Patient sich zu früh aus dem 
Zimmer gewagt und bei seiner scrophulösen Anlage sich durch 
Erkältung eine Speicheldrüsengeschwulst zugezogen, die auch 
zum Aufgehen kam. Als diese Krankheit nun beseitigt war, 
entdeckt der Arzt, daß die Schilddrüse des Knaben ge 
schwollen und ein Ansatz zu einem Kropf eingetreten sei; 
dabei meinte er, daß hier- die Wirkung des Wassers nicht 
ausreiche, sondern Jod-Einreibungen das einzige, aber sichere 
; Mittel wären; dieselben müßten aber ein halbes Jahr fortge 
setzt werden. 
Zufällig kannte ich aber Fälle, wo durch Jod allerdings 
her gar nicht mehr schlingen konnte, versuchsweise ein Löffel- L Geschwülste am Halse beseitigt wurden, aber offenbar auf 
chen kaltes Wasser und siehe, er verschlang es. I ' — 
Diese nassen Umschläge wechselte ich den ganzen Nach-M, .) Anm. der Red. Man kann sich nnd dem Patienten iiber- 
mittag alle ^ Stunden bis gegen 5 Uhr; nach dem zweiten^! Haupt die hydriatische Manipulation während des Hitzestadiums (Ere- 
Umschlag sprach der Patient-auf einmal die Worte: „Mehrthismns, Synocha, sehr erleichtern, wenn man, je nach Zunahme der 
Wasser!" Schon da war mir's, als wär' er gerettet. KopfN Erregung, die feuchten ansgerungenen Tücher verdoppelt, resw "er- 
. ’i t , 1 ri * cm- bretfcicbt und den Kranken bafur lqnger, resp bis zum Unrukngwerden 
und Hals wurden alle 5 10 Mmten extra tritt emem kuh - y| ^em ^.ou x^tn selbst nach Ausgepacktwerden oder Erneuerung aus- 
lenden Umschlag belegt, um die große Hitze zu nehmen, und «-»gesprochenen Wunsche liegen läßt, '
	        
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