Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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Structur, Räumlichkeit und Bewegungsfähigkeit nicht norma 
les Organ wird aber seine Function allemal mit mehr 
Schwierigkeit und unvollkommener verrichten, als ein durch 
weg normales; es wird aber auch, in Folge der dem Nerven 
systeme innewohnenden Eigenschaft, bei ungewöhnlicher Affec- 
tion und Anstrengung eines Organes einer außergewöhnlichen 
Erregung seiner selbst mit nachfolgender entsprechend verstärk 
ter Circulation auch der Blutmasse — und namentlich in bei 
derlei Hinsicht wieder am meisten in dem betr. afficirten Or 
gane selbst — zu unterliegen, die Blutcirculation in ihm sich 
steigern und beide Ursachen und Nachwirkungen werden das 
frag!. Organ nach und nach immer mehr benachtheiligen müs 
sen, abgesehen selbst von der üblen Rückwirkung davon auf 
den ganzen übrigen Organismus. — Die Lunge nun, wenn 
sie sich von Haus aus oder secundär, anatomisch oder in 
Folge von Blutdyscrasie, in solcher Lage befindet, würde bei 
ihrer zarten Structur und der Wichtigkeit ihres Dienstes sehr 
bald der Fähigkeit der Functionirung beraubt sein, hätte die 
Natur nicht zunächst sie doppelt, gewissermaßen in zwei 
Exemplaren, im Körper angebracht und zwar so, daß der 
eine Theil durchaus selbstständig und unabhängig von dem 
anderen seine Aufgabe der Blutreim'gung vollzieht und noch 
vollziehen kann, wenn der andere dazu schon sehr oder fast 
ganz unfähig ist. Noch wichtiger aber ist die zweite Für 
sorge, welche die Natur für die Lungen dadurch getroffen 
hat, daß sie in das uns äußerlich umkleidende Hautorgan 
die Fähigkeit und Aufgabe der Ersatzfunction für die Lunge 
gelegt hat. Haut und Lungen sollen sich gegenseitig in der 
Aufgabe der Blutreinigung unterstützen; deswegen nehmen 
beide in sich von außen atmosphärische, sauerstoffhaltige Luft 
auf oder sollen sie aufnehmen. — Ist nun eine Lunge schwach, 
von.Haus aus oder in Folge späterer Ursachen, so liegt auf 
der Hand, daß es doppelt nöthig ist, die Haut, als Ersatz 
organ, desto kräftiger und functions-, d. h. hier einathmungs- 
fähiger zu erhalten und bez. zu gestalten, und dies erreicht 
man eben durch Benutzung des oben schon erwähnten, im 
Körper liegenden Gesetzes der Reactionsthätigkeit. Indem wir 
nämlich von Zeit zu Zeit durch Waschungen und' Bäder, 
wie auch kurze, feuchte Einschläge, noch anhaltender 
aber durch die Zutrittsgestattung der Luft an unsern Körper 
— am besten mit gleichzeitiger oder nachfolgender Muskelbe 
wegung (bez. künstlicher Uebung derselben in der Gymnastik) — 
eine unserer Blutwärme bedeutend unterstehende Temperatur, 
welche wir gewöhnlich als positive Kälte bezeichnen, auf 
unsere Nerven einwirken lassen, bringen wir in diesen, wie 
(nachfolgend) in der Blutcirculation, die gesetzmäßige Reaction, 
d. h. das Bestreben der Wiederausgleichung des erfahrenen 
Eindruckes, resp. Wärmeverlustes, zu Wege und die Folge 
davon ist: vermehrte Blutströmung in der Peripherie des 
Körpers, resp. in den beiden unteren Schichten der Haut (der 
sogen. Leder- und Fetthaut), damit aber Leben, Stoffwechsel, 
Functionsfähigkeit der Haut selbst, also auch Einathmungsbe- 
fähigung, Ersatz für die Lungensunction und Befreiung der 
Lungen von der bisherigen zu starken Blutcirculation. Sie 
ersehen also aus dieser nicht unwichtigen Betrachtung der Be 
ziehungen unserer Haut zur Lunge, worauf es für den Lun 
genkranken hauptsächlich ankommt: es ist die Reinigung 
und Kräftigung seiner Haut, damit sie einen Theil, ja den 
größten Theil der Lungenthätigkeit übernehmen und der Lunge 
dadurch Zeit und Gelegenheit gewähren könne, an ihre Selbst 
kräftigung, wenn nicht Selbstheilung, zu gehen. — Es sind 
Mar entsprechende g ymnästische Uebungen ebenfalls wichtig 
für die Ausbildung der Lungen; aber schon wirklich Lun 
genkranke vermögen meist nicht viel Nutzen mehr aus solchen 
Uebungen zu ziehen; für solche ist die Fürsorge für die Haut 
die wichtigere Thätigkeit, und erst nachdem mehr und mehr 
die kranke Lunge sich wieder erholt, kann mit großem Vor 
theil die Gymnastik zur Erweiterung des Brustkastens und 
Stärkung der Lungen-Musculatur mit in Anwendung gebracht 
werden. 
Wir empfehlen Ihnen daher, im Allgemeinen nach dieser 
Kräftigung Ihrer Haut zu trachten und zu dem Zwecke fol 
gender Lebensweise für diesen Sommer sich zu unterwerfen: 
1) Früh beim Aufwachen nehmen Sie eine kurze, 
feuchte Einpackung, wie Sie solche S. 82 des „N-A." sub l 
näher beschrieben finden, mit nachfolgender Abwaschung von 
ca. 18 o R. Das 'Wasser zum Nässen des großen Tuches, 
in welches Sie sich legen, lassen Sie Anfangs ebenfalls auf 
ca. 16 0 temperiren und dehnen Sie die Einpackung auch nicht 
einen Augenblick über das Behaglichkeitsgefühl hinaus aus. 
Der Kops bleibt dabei bei Ihnen frei und sollte, was wenig 
stens anfänglich möglich, die Einpackung auch der Arme von 
Ihnen nicht vertragen werden, so nehmen. Sie zuerst den 
Einschlag nur bis zur Brust, resp. bis unter die Arme, ver 
suchen aber von Zeit zu Zeit, auch die Arme mit einschlagen 
zu lassen; 
2) Während der Nacht bringen Sie Ihre Füße in feuchte 
Einschläge, mit trockener Verpackung, oder in dicke, feuchte 
Strümpfe, mit trockenen wollenen darüber; 
3) im Laufe des Nachmittags, oder auch gegen Mittag 
(1 Stunde' noch vor dem Essen) nehmen Sie ein Sitzbad 
(jetzt vorerst von 18—20 0 3t \ Stunde lang und 
4) nach jeder Leibesöffnung ein halbes Klystier von fri 
schem, auf 12 0 iemperirten Wasser, endlich 
5) vor Bettgehen noch eine Abwaschung des Unterkör 
pers vom Nabel an abwärts, wieder mit Wasser von 
ca. 18°. 
Ihre Diät muß die einer völlig reizlosen, milden Kost 
und Enthaltung von allen erregenden Getränken sein. Alle 
Bestrebungen, der Blutcirculation eine die Lungen erleichternde 
und die Haut für ihre Function kräftigende veränderte Rich 
tung zu geben — wie es durch die sub 1 — 5 angegebenen 
Formen möglich — würden sich als vergeblich erweisen, woll 
ten Sie nebenbei Ihre Speisen und Getränke in heißer 
Form genießen, gewürzte, ja selbst nur stark gesalzene Spei 
sen, alkoholhaltige oder narkotische Getränke zu sich nehmen, 
rauchen rc., überhaupt Reize auf Ihre inneren Organe aus 
üben, deren Reflexe sich Ihnen stets und auf's Nachtheiligste 
in dem Lungen-Zustande wieder kundgeben würden. Gewöh 
nen Sie sich früh und Abend mehr und mehr an Milch, 
resp. Obstkost, lassen Sie den Fleischgenuß jetzt ganz und 
sättigen Sie sich statt dessen mäßig durch Gemüse, Milch, 
Obst und fettlose Mehlspeisen; trinken Sie oft, aber 
aufmal nur in kleinen Parthieen, frisches' Wasser, na 
mentlich vor Ausgängen, wechseln Sie die Wüsche womög 
lich nach jedem irgend größeren Gange und wenigstens die 
Strümpfe, gewöhnen Sie sich in Ihrer Kleidung nach und 
nach immer kühler und streben Sie ebenso in Ihrer Schlaf 
art darnach, Ihre Haut abzuhärten und also die Federn all- 
mälig ganz zu meiden. 
An der Spitze von Allem aber stehe das Vermeiden einer 
Lebensart, welche durch vieles Sitzen, Einathmen schlechter 
Luft rc. Ihre Blutbeschaffenheil immer mehr zu verschlechtern 
und die Hautfunction herabzudrücken geeignet wäre.
	        
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