Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

Professor Felix von Niemeyer, dessen Worte für 
die heutigen Mediziner Orakel sind und der die Agita— 
tiou gegen die Impfung für verwerflich hält, 
verbietet dennoch (Klinische Vorträge S. 37) die Vacci— 
nation schwächlicher und zarter Kinder, weil es ein Glück 
für die Kinder ist, in den ersten Lebensjahren, in welchen 
die Entwicklung des Körpers bei weitem am schnellsten vor 
sich geht und in, welchen durch günstige oder ungünstige 
Außenverhältnisse zum großen Theile der Grund zu einer 
starken und festen oder schwachen und zarten Gesundheit ge— 
legt wird, von Krankheiten verschont zu bleiben. Selbst die 
Kuhpocken könnten sowohl durch das Eruptionsfieber, als 
durch das spätere Eiterungsfieber, welche bei denselben nie— 
mals fehlen und nach meinen (d. h. Niemeyers) zahlreichen 
Temperatur-Messungen zuweilen sehr hochgradig werden, zu— 
mal solche Kinder, welche ohnehin nicht sehr kräftig sind, 
bedeutend herunterbringen und den Keim einer Anlage 
zur Lungenschwindsucht hinterlassen.“ 
Wenn dies ein Mann schreibt, der die Impfung ver— 
theidigt, dann brauche ich wohl die Männer nicht anzurufen, 
die die Impfung verdammen! — Aber ich frage: sind nicht 
alle Kinder in den ersten Jahren zart? Und wer will es 
also noch verantworten, sein Kind impfen zu lassen! 
Die Tage der Impfwirthschaft sind gezählt. Die That— 
sachen sprechen zu deutlich, die Zahlen der Statistik beweisen 
zu schlagend, daß die Volksgesundheit und der Volkszuwachs 
umter der Herrschaft der Impfung zurückgehen, als daß diese 
Wahrheit noch lange verkannt werden könnte. Der Kampf 
ist allerorten entbrannt und wird am nachdrücklichsten von 
dem Dr. Nittinger in Stuttgart geführt, der seit 20 Jah— 
— 
mit dem umfangreichsten wissenschaftlichen und statistischen 
Material unterstützt. Im königl. statistischen Büreau zu 
Berlin ist es konstatirt, daß die mittlere Lebensdauer in den 
letzten 40 Jahren konstant gesunken ist;. dasselbe ergibt die 
administrative Statistik in Oesterreich und das Minimalmaß 
der Soldaten hat in allen Impfstaaten herabgesetzt werden 
müssen — seit der Kuhpockenvergiftung der Völker nehmen 
Körperhöhe und Lebensdauer der Menschen stetig ab. Das 
sind doch redende Thatsachen, die auch den Blödesten aus 
der Verirauensseligkeit und dem frommen Autoritäts⸗Glau⸗ 
ben aufrütteln müssen! 
In Oesterreich wirkt der Herr Graf Zedtwitz zu 
Wien (der sich auch 1866 durch Errichtung eines Spitals 
für Wasserbehandlung verwundeter Krieger hoch verdient 
gemacht hat) durch Broschüren und Zeitungen für Belehrung 
des Volks über die Impfung und der Herr Dr. med. Ro— 
ser hat am 20. Juni d. J. im Reichsrathe eine glänzende 
Rede gehalten bei Ueberreichung der Petition des Professor 
Dr. Hamernik gegen den Impfzwang. — In England 
stehen bedeutende Aerzte, die eine lange Impfpraxis hinter 
sich haben, voran unter den Gegnern, und in Frankreich 
hat der Kaiser Napoleon neuerdings die Revaccination der 
Soldaten verbbten. In Preußen und in Bayern sind 
noch in diesem Jahre Petitionen gegen das Impfen bei 
den Landtagen eingegangen, ebenso bei unserm Provinzial⸗ 
landtage von Seiten des hiesigen Dr. Becker, Direktors 
der schwedisch-heilgymnastischen Anstalt. Der Herr Direktor 
Becker hat schon seit Jahren von seinem früheren Wohnsitze 
Cassel aus lebhaft gegen das Impfen agitirt und ist zu wün— 
schen, daß er nicht erlahmen möge, wenn auch unsere Pro— 
dinzialstände über seine Petition zur Tagesordnung überge— 
gangen sind. — Der Provinziallandtag ist auch nicht die 
kompetente Stelle dafür — ganz Norddeutschland muß in 
die Agitation eintreten, um das Impfen für den ganzen 
Bund zu beseitigen. — Der Impfwahnsinn bedroht 
Jeden an seinem theuersten Gute, den Kindern 
— also wahre sich Jeder! — 
Außer den Veröffentlichungen des Herrn Grafen Zedt— 
witz und Direktor Becker liegen vor mir vier Schriften, die 
ganz neu erschienen sind. Gegen die Vaccination: „Dr. 
Nittinger's Staat und Volk in bitterem Zweifel an der 
Vaccination“, und „Die Gefahren der Impfung, bei Grie— 
hden in Berlin.“ Für die Impfung: „Dr. H. Bohn, 
Bedeutung und Werth der Schutzpocken“ und „Dr. J. H. 
Zoffert, Kritik der hauptsächlichsten gegen Kuhpocken⸗ 
Impfungen angeführten Einwürfe“. Dr. Bohn ist interes— 
sant im geschichtlichen Theile seiner Darlegung, sonst ohne 
Werth und Dr. Hoffert muß in seiner Kritik die Wahrheit 
sämmtlicher Vorwürfe zugestehen, doch versucht er mit Dre— 
hen und Wenden ihr Gewicht zu verkleinern. — Das Dogma 
von der Impfung fängt Gottlob! an, recht hinfällig zu 
werden. 
10. 
Ein Kapitel vom Wasser. 
Es ist wunderbar, wie streng begrenzt das Maß in 
allen irdischen Dingen ist. Alles, was noch so herrlich, noch 
so zuträglich, noch so wünschenswerth ist, hat seine Grenze, 
über die hinaus es sich in sein Gegentheil verkehrt — wer—⸗ 
den doch felbst unsere Tugenden zum Laster, sobald sie ein— 
seitig übertrieben werden. Wenn nun der alte Pindar sagt: 
zdas Wasser aber ist das Beste! so stimme ich voll—⸗ 
kommen bei und bin Zeitlebens ein großer Wasserfreund ge— 
—VVV 
Mit dem Wasser-Trinken können wir uns bald 
abfinden: man trinke nach Durst. Auch ist es eine gute 
Gewohnheit, bei Erwachen und vor dem Schlafengehen einige 
Schluck kalten Wassers zu trinken. — Zu Kurzwecken mag 
es räthlich sein, mehr Wasser zu trinken und durch tüchti— 
zes Gehen und Bewegen zu verarbeiten; — aber niemals 
sm Uebermaß, wie es oft geschieht. Und in jedem Falle ist 
eines, kaltes Wasser das Beste, kein heißes oder warmes 
Wasser, wie es Bock, de Vaux u. A. empfehlen, kein Mi— 
neralwasser, kein Gesundbrunnen, sie alle sind nur verun— 
reinigtes Wasser, und können nicht so gut wirken, wie das 
reine Wasser. Kein Thier rührt diese Brunnen an, und 
als man ein Pferd so lange dürsten ließ, bis es endlich 
Pyrmonter Wasser trank, da gingen dem Thiere nach diesem 
Wasser die Haare aus! (S. Dr. Lersch, praktische Balneolo⸗ 
gie, S. 784) Darüber herrscht auch nur wenig Streit und 
faft sämmtliche Homöopathen, Hydropathen und viele Aerzte 
vertreten diese Ansicht. 
Weit mehr gehen die Ansichten über das Baden 
auseinander und fast jeder Laie und jeder Arzt folgt darin 
verschiedener Praxis. Nicht einmal unter den Wasserärzten 
ist Einigkeit über die beste Anwendung des Wassers. So 
viel steht fest, daß die überwiegende Mehrzahl der Menschen 
zu wenig badet und daß von den Wasserfreunden und den 
Wasserpatienten Viele falsch baden. Die große Masse der
	        
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