Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

40 
so ist es jetzt leicht, ein theoretisch richtig bereitetes Back— 
pulver herzustellen. 
Nach den von mir angestellten Versuchen hat man zur Her— 
stellung eines guten Brodes auf 100 Pfd. bayerisch — 112 
Zollpfund Mehl 1 Zollpfund doppeltkohlensaures Natron nö— 
thig. Angenommen man habe gefunden, daß zur Neutralisation 
von 1 Gewichtstheil doppeltkohlensauren Natrons 3 Theile 
Säurepulver erforderlich seien, so berechnet sich die Zusam— 
mensetzung des zu 1 Zentner — 112 Zollpfund Mehl er— 
forderlichen Backpulvers mit Zusatz von einer dem Natron—⸗ 
salz äquivalenten Menge Chlorkalium wie folgt: 
Gewicht des Backpulvers für 1 Zentner Mehl: 
Säurepulver. Alkalipulver.“ 
1500 Grammen. 500 Grammen doppeltkohlens. Natron. 
443 „ Chllorkalium. 
943 Grammen. 
Setzt man zur Herstellung einer einfacheren Zahl dem 
Alkalipulver 57 Grm. Kochsalz zu, so hat man also zu 100 
Pfd. Mehl 3 Zollpfund Säurepulver und 2 Pfd. Alkali— 
pulver nöthig; zu 1 Pfd. Mehl 15 Grm. des erstern und 
10 Grm. vom andern. 
Auf 100 pfd. Zollgewicht berechnen sich: 
Säurepulver. Alkalipulver. * 
1338 Grm. 446 Grm. doppeltkohlensaures Natron. 
395., Chlorkalium. J 
841 Grm. 
Um runde Zahlen zu haben, kann man dem Säure— 
pulver 62 Grm. Stärkmehl und dem Alkalipulver 59 Grm. 
Kochsalz zusetzen, in welchem Fall also zu einem Pfund Mehl 
14 Grm. von dem erstern und 9 Grm. von dem Alkalipul⸗ 
ver genommen werden müssen. 
Was die Anwendung des Backpulvers zur Brodberei— 
tung betrifft, so ist die einfachste Methode die: daß man das 
dem Gewichte des Mehls entsprechende abgewogene Backpul—⸗ 
ver mit einer Hand voll Mehl mischt, und mittelst eines 
feinen Siebs in das Mehl einsiebt, während beide beim Ein— 
sieben und nachher noch sehr sorgfältig mit einander gemengt 
werden; von der innigen Mischung des Mehls mit dem 
Pulver hängt die mehr oder minder poröse Veschaffenheit 
des Brodes ab. Man setzt alsdann der Mischung Wasser 
zu, um den Teig zu bilden, formt, ohne viel zu kneten, die 
Laibe und schießt sie in den Ofen. Die richtige Tempera— 
tur zum Backen muß durch ein paar Backversuche ermittelt 
werden; ist der Ofen zu heiß, so reißen die Laibe und be— 
kommen Kröpfe. 
Das nach dieser Methode bereitete Brod ist von schö— 
nem Aussehen, aber schwerer als das gewöhnliche Bäcker— 
brod; das letztere ist großblasig und fällt durch seinen grö— 
ßeren Umfang mehr in die Augen. 
Nach der folgenden Methode, die allerdings etwas um— 
ständlicher ist, erhält man mit dem Backpulver ein dem 
schönsten Bäckerbrod ähnliches Brod. Man theilt das Mehl 
und das zur Teigbildung erforderliche Wasser in zwei gleiche 
Theile, setzt der einen Hälfte Wasser das Säurepulver und 
der andern Hälfte Wasser das Alkalipulver zu, und rührt 
von Zeit zu Zeit um. Das Wasser, welches dem Säure— 
pulver zugesetzt wird, kann heiß sein, das andere muß kalt 
gehalten werden. Man knetet jetzt die eine Hälfte Mehl 
mit dem Säurewasser, und sodann die andere Hälfte mit 
der Lösung des Alkalipulvers zum Teig an, und wenn dies 
geschehen ist, knetet man beide Teige miteinander zusammen. 
Wenn die Teige zu steif werden, so setzt man etwas Was— 
ser bei, zu weichem Teig etwas Mehl zu. Auf 100 Zoll—⸗ 
pfund Mehl hat man in der Regel 32 bis 33 Liter Wasser 
aöthig. Bei Anwendung dieses Verfahrens verliert der Teig 
kein oder nur wenig Gas. Hiebei ist die sorgfältige Mi— 
schung beider Teige von Wichtigkeit; geschieht sie nachlässig, 
so bekommt das Brod hie und da braune Streifen. 
In Fällen, wo man keinen Sauerteig hat, und für 
Haushaltungen, in denen man das saure Bäckerbrod nicht 
liebt, liegt der Vortheil, welchen die Verwendung des Back—⸗ 
pulvers bringt, auf der Hand; die Einwendung, daß das 
Brod hiedurch vertheuert werde, hat für den Einsichtigen 
wenig Gewicht; man erhält durchschnittlich 10 bis 12 Proz. 
mehr Brod, als beim gewöhnlichen Verfahren, wodurch schon 
ein Theil der Ausgabe für das Backpulver gedeckt wird; 
aber der Hauptvortheil beruht in der größeren Nährhaftig— 
keit des damit gewonnenen Brodes, die man, um eine rich— 
tige Rechnung zu machen, mit in den Ansatz bringen muß. 
Im Großen bereitet kann das Pfund Backpulver kaum 
höher als 15 bis 18 kr. kommen, und wenn man sich denkt, 
daß 100 Pfd. Mehl nur 10 Proz. an Nährwerth dadurch 
gewonnen, so ist die ganze Ausgabe für das Backpulver 
schon im Brode gedeckt. Darüber muß man Versuche und 
die Erfahrung entscheiden lassen. 
Mit der Anwendung des Backpulvers zu Küchengebäcken 
habe ich mich nicht weiter beschäftigt; in den Vereinigten 
Staaten wird übrigens das Horsford'sche Backpulver zu jeder 
Art von Gebäcken verwendet, am meisten im Gebrauch ist 
das dort im Handel vorkommende „dolk raising flour“, eine 
zum Brodbacken dienende Mehlsorte, welche das fertige Back— 
bulver im richtigen Verhältniß bereits beigemischt enthält. 
Die Hausfrauen in New-York kaufen dieses Mehl, formen 
mit Wasser den Teig, und backen die Laibe in ihren gewöhn— 
lichen Küchenöfen. Nach einer Mittheilung von meinem 
Freund und früheren Schüler Horsford ist im vorigen Jahr 
eine Million Pfund von seinem Backpulver verkauft worden; 
er hat seine Professur in Cambridge jetzt aufgegeben, um 
sich ganz der Fabrikation desselben zu widmen. Ich bin 
kaum zweifelhaft darüber, daß das neue Backverfahren, wenn 
zuch erst im Verlaufe von ein paar Jahren, von der Bäckerei 
aufgenommen werden wird. Mit dem Ausschluß des Gäh— 
rungsprozesses fällt das Haupthinderniß hinweg, welches dem 
industriellen Betrieb des Bäckergewerbes entgegenstand; dieser 
Vortheil kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Das 
Brod kann mit Hülfe des neuen Backverfahrens wie Schiffs— 
zwieback fabrikmaͤßig bereitet werden, ähnlich wie dieß in den 
zroßen Bäckereien in Portsmouth geschieht, wo drei Arbeiter, 
einer am Ofen und zwei an der Knetmaschine, genügen, um 
20,000 und mehr Rationen Zwieback täglich herzustellen. 
Für eine Armee im Feld und für die Brodbereitung auf 
Schiffen scheint mir dieses neue Backverfahren von beson— 
derer Wichtigkeit zu sein, und es wäre sehr wünschenswerth, 
wenn die Verwaltungsbehörden von Gefängnissen und Armen— 
häusern in Beziehung auf die Ermittlung des Nährwerths 
bdes mit Backpulver bereiteten Brodes Erfahrungen sammeln 
möchten. 
Meine früheren Artikel über Brodbereitung in diesem 
Blatt haben mir durch Anfragen um nähere Auskunft und
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.