Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

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eine Heilmethode ohne innerliche Medizin. Uebrigens sind 
diese seheimnißvollen Rezepte jedem Arzte und Apotheker be— 
kannt, es sind Abkochungen von Isländisch Moos und Mirx— 
uren von Mandelöl, Mohnsyrup, Gerbsäure u. dgl. Das 
Gebot, sie geheim zu halten, muß ihnen die höhere Weihe 
geben. Die verordneten Einreibungen aber sind das Scheuß⸗ 
lichste, was zu erdenken ist: Stinkendes Thieröl für die 
Blust und Assa foetida mit Mohnöl für den Hals. Mit 
solchem Zeug, dem gräßlichsten der bekannten Gerüche, sollen 
sich Kranke die Luft verpesten, deren letzte Hoffnung nur auf 
reiner Luft beruhen kann! Es ist ein fürchterlicher Gedanke 
— und Aehnliches ist von allen den Aerzten zu erwarten, 
die täglich in vielgelesenen Zeitungen ihre Netze nach armen 
Leidenden auswerfen, um sie vor dem Tode noch möglichst 
auszubeuten. 3 
Die Sorte Charlatane mit lithographirten Rezepten ver— 
fährt nach dem Grundsatz: Die Menge muß es bringen. 
Andere spekuliren nur auf- die „günstiger situirte Minorität“ 
und schrauben ihre Forderungen höher. Ein interessantes 
Exemplar dieser Gattung ist der Herr Gerhard van 
Schmitt in Paris, von dem in allen Zeitungen berichtet 
wurde, daß er den preußischen Botschafter, Grafen von der 
Goltz, von einem bösen Krebsschaden heilen würde. — Wenn 
der Mann keine Wunder thun konnte, dann gibt es nichts 
Wunderbares mehr in der Welt, denn er hatte Decoct von 
indischen Kräutern, die noch kein europäischer Apotheker kennt, 
zum Gurgeln, und ein Oel von gekochten gelben Fröschen 
mit rothen Augen zum Einreiben. — Schönere Medizinen 
rann doch kein Mensch verlangen. Dem hohen Patienten 
konnte man am Ende nicht verdenken, daß er die Kur ver— 
suchte; denn was thut ein Kranker nicht gern, wenn ihm 
nach vielen trüben Erfahrungen sichere Hülfe zuversichtlich 
verfprochen wird. — Der Herr van Schmitt aber ward nun 
berühmt und von allen Seiten in Anspruch genommen. Da 
hielt er seine Erntezeit gekommen und forderte z. B. von 
einem Patienten in Königsberg für einen Monat Konsul— 
tation und Mittel 10,000 Francs (ca. 2700 Thlr.), Ich 
bin fest überzeugt, er hat diesen Preis bekommen, denn ein 
Mann von Welt-⸗- und Menschenkenntniß, wie sie diese Char— 
latane meistens besitzen, fordert nichts Unmögliches. Ja noch 
mehr, trotzdem der Schwindel entlarvt ist, glaube ich nicht, 
daß es mit seiner Praxis vorbei ist, denn die Welt will 
betrogen sein und gelbe Frösche mit rothen Augen haben 
einen eigenen Nimbus innewohnender geheimer Kräfte. 
Du lieber Gott! daß wir armen Menschen immer das 
Geheimnißvolle, das Wunderbare, das Uebernatürliche suchen, 
wo die Gesetze der Natur so einfach, so leicht verständlich 
sind. Wer naturgemäß lebt, der bleibt gesund, wer von der 
Natur abweicht, der wird durch Krankheit gestraft, der Eine 
früher, der Andere später. Wer krank geworden, der muß 
zur Natur zurückkehren, dann wird er genesen — Arzneien 
können niemals nützen.. Gift bleibt immer Gift und kann 
dem Körper niemals wohl thuu. 
Ist nun gar' Saft und Blut des ganzen Körpers ver— 
dorben, wie bei Schwindsucht und Krebs, so liegt die einzige 
Hoffnung, die einzige Möglichkeit der Heilung darin, daß 
Saft und Blut erneut und die Krankheitsstoffe ausgestoßen 
werden. Blut wird zunächst aus Speise und Trank bereitet 
unter Beihülfe der eingeathmeten Luft. Also sind einfache, 
reine Nahrungsmittel die erste Grundbedingung, d. h. Brod, 
Milch, Obst, Grütze, Roggenbrei u. dgl. mit strenger Ver— 
neidung von Fleisch, Bouillon, Wein, Bier, Kaffee, Thee 
ind Gewürzen; und frische Luft bei Tag und Nacht ist das 
weite Haupterforderniß. — Körperliche Bewegung nach Maß⸗ 
jabe der vorhandenen Kraft und Anregung der Hautthätig— 
eit durch Waschung des ganzen Körpers, oder abwechselnd 
er einzelnen Glieder mit Wasser von milder Temperatur 
ca. 18 Grad) müssen mit gehöriger Vorsicht dazu kommen. 
die Waschungen sind besonders wohlthuend nach etwaigen 
sachtschweißen, dürfen aber nur so lange- angewendet wer— 
»en, als sie der Patient als etwas Angenehmes empfindet. 
deidende, die überhaupt heilbar sind, werden bei sorgfältiger 
Anwendung dieser Prinzipien genesen; sind sie unheilbar, so 
werden sie wenigstens ihre Tage unter relativ bestem Befin— 
den und mindesten Schmerzen verleben. Alles Andere ist 
von Uebel. — 
Die Kunst des Alhmensz. 
Von Dr. A. L. Wood. (Uebersetzt von J. 3)— 
Die erste und letzte, ja von den wichtigsten Verrich— 
rungen des Lebens eine ist das Athmen. Nichts für Ge— 
undheit und Leben Erforderlicheres kann es geben, als diese 
Verrichtung gehörig zu erfüllen, und dennoch befindet sich 
die Mehrheit unserer zivilisirten und aufgeklärten Menschen 
in vollkommener Unwissenheit über die ersten Grundsätze eines 
gehörigen Athemzuges. Millionen Menschen gehen durch's 
Leben, diese Bewegung mehr als 25,000 Mal jeden Tag, 
oder mehr als 650 Millionen Mal während eines Lebens 
von 70 Jahren verrichtend, und doch wissen sie nicht, wa— 
rum sie es thun, noch wie sie es thun sollten. Die 
Folge davon ist, daß ihre Gesundheit in mancher Richtung 
ingegriffen, ihre Lebenskraft nutzlos verschwendet und ihr 
Leben bedeutend abgekürzt wirdr ). I 
Diie Bedingungen für ein natürliches und gesundheit— 
förderndes Athmen sind folgende: 
1. Reine Lebensluft. —— 
2. Freie Bewegung der Athmungsorgaenee. 
3. Ausreichendes, tiefkräftiges Einathmen. 
4. Passende körperliche Bewegung. 
Die meisten Leute glauben, daß sie ihre Pflicht erfül— 
len, wenn sie jeden Tag „einen halbstündigen Spaziergang“ 
nehmen, die aber den Rest der 24 Stunden in schlecht ge— 
üfteten dumpfen Zimmern zubringen. Die Lungen aber, 
damit sie das Blut reinigen und beleben und den wichtigen 
Prozeß der Verdauung vollenden können, brauchen for t wäh— 
rend, Tag und Nacht, reine Lutftft. 
Die zweite ebenso wichtige Bedingung verlangt eine auf— 
rechte Haltung des Körpers und ungehinderte Bewegung der 
Brust und des Unterleibes. Eine gebeugte Haltung des 
Köpers mit vorgeschobenen Schultern, wie sie bei Vielen Ge⸗ 
wohnheit, bei Andern zeitweise durch ihre Beschäftigung be— 
dingt, bei Manchen auch durch die hohe Kopflage beim Schla— 
— — — — 
*) Selbstverständlich gilt der lehtere Vorwurf nur fuür die in so 
zahllose abnormale Lebensverhältnisse hineingezwängten Völker der Zivili⸗ 
salion, nicht aber für die im Naturleben sich befindlichen Menschen. 
Der Uebersetzer.
	        
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