Volltext: Der Naturarzt 1869 (1869)

süppchen oder das Fleischextrakt, das Schlückchen Bier oder 
Wein oder Most oder der dünne, ach, ja nur so dünne 
Kaffee, oder die auch von Tantchen und Bäschen und Groß— 
mütterchen täglich mit herbeigebrachten Süssigkeiten und Nä— 
schereien aus eigner und Konditors Küche, oder wohl gar 
schon vom Arzte verordnete Medikamente aus des Apothe— 
—B 
allerdings büßt Mancher unverdient die Vergehen und Ver— 
sehen seiner kurzsichtigen und irregeleiteten Eltern ab und 
gut ist's, wenn nur ihm noch rechtzeitig die bessere Erkennt— 
niß wird und er, wenn auch nicht Alles ungeschehen, so doch 
noch gar Vieles wieder ausgleichen und bessern kann. 
Auf unsern Magenkrampf zurückkommend, haben wir so— 
eben schon beiläufig angedeutet, auf welche Weise er gewöhn— 
lich oder doch die Geneigtheit zu ihm uranfänglich heran— 
gebildet wird. Alles was die Nerven überhaupt krankhaft 
beeinflußt (vergl. Jahrg. 1868 d. Bl. N. 12, S. 8991), 
muß auch im Besondern die Nerven des Magens überreizen, 
schwächen und krank machen; dort wurden uns, nach den 
eingehenden Forschunge Du-Bois-Reymond's, höhere 
Wärme- und wieder höhere Kältegrade, narkotische Gifte 
Opium, Tabak, Bilsenkraut, Tollkirsche, Kaffee, Thee und 
Verwandtes), sämmtliche Arzneien überhaupt, Alkohol und 
Aether und also alle Alkohol und Aether haltigen Getränke, 
Essig- und andere Säuren schärferer Art, als diejenigen 
Mittel genannt, welche den mittleren Grad der Nervenströ— 
mung und Reizung beeinträchtigen und je nach dem Grade 
und der Häufigkeit ihrer Einwirkung, bald mehr bald min— 
der, bald rasch und plötzlich, bald langsam allmälig ver— 
stimmen und endlich zerrütten. Unter den gleichen Einflüs— 
sen bildet sich natürlich auch, neben vielleicht manchen andern 
Magenkrankheiten (Katarrhe, Geschwüre, Krebs u. s. w.), 
das Nervenleiden des Magens, der Magenkrampf, heran. 
Heiße Speisen und Getränke, und wieder allzu kalte, und 
namentlich rasch sich folgende starke Gegensätze zwischen heiß 
und kalt in Speise und Trank, alle die genannten Gifte und 
Arzneien, ferner die gewöhnlich für so unschuldig ausgegebe— 
nen Getränke, die bald berauschende (Alkohol, Bier, Wein 
u. s. w.), bald betäubende Stoffe (Kaffee, Thee) enthalten 
und endlich der so häufig als Zusatz zu Speisen, nament—⸗ 
lich zu Salaten verwendete Essig, sie alle sind die bald schwä— 
cher, bald stärker fließenden Quellen, die endlich den meist 
in jähen Stürzen hereinbrechenden und dann oft nicht mehr 
zu dämmenden Schmerzensstrom, Magenkrampf, darstellen. 
„Gelegenheitsursachen zu seinem ersten und nachmaligen 
öfteren Auftreten geben in den häufigsien Fällen wieder be— 
sondere stärkere diätetische Versehen ab, ungeregelte oder stär— 
kere Zufuhr von Speisen und Getränken; sodann auch gele— 
gentliche anderweitige Erkrankungen, Erkältungskrankheiten, zu— 
rückgetretene Menstruation oder Hämorrhoidalflüsse, Schweiße 
und Hautausschläge, ferner Rheumatismus, Blutverluste und 
schwerere Wunden, die das Nervensystem überhaupt reizend 
beeinflussen, Krankheiten der Nachbarorgane, die durch Druck 
oder Ueberstrahlung die bereits empfindlichen Magennerven rei— 
zen, allgemein das Nervensystem schwächende und erschöpfende 
Zufälle, Ausschweifungen, Onanie, starke Gemüthsbewegun— 
gen; weiter allerlei Blutkrankheiten, sowie Alkoholismus oder 
Säuferdyskrasie, Bleichsucht, Gicht, Malariakrankheiten; am 
häufigsten wohl aber in allen diesen verschiedenen Krankheits— 
zuständen wieder die von den Aerzten heutiger Medizinwissen— 
scchaft toller Weise dagegen verordneten, allem Naturgesetze 
Hohn sprechenden Diät- und Arzneikuren. 
Man höre nur — wir führen wörtlich der Reihe nach 
in (s. Path. und Ther., 3. Bd., 3. Abth., 2. Aufl. S. 124) 
— wie Wunderlich, einer der ersten Vertreter der ratio— 
ellen oder physiologischen Schule, gegen den Magenkrampf 
u Felde zieht: „Fernhaltung oder Ermäßigung der Ursachen, 
ind Diät, besondere wie allgemeine, als Beihülfsmittel; ge— 
en die Einzelanfälle: Kaltes Wasser, heiße Getränke, rei— 
ende Getränke, als Kaffee, Branntwein, Grog, ferner Eis— 
lasen und heiße Umschläge auf die Magengegend, Narkotika 
ind Nervina (betäubende und nervenreizende Arzneien), Kohle 
ind andere Absorbentia (säuretilgende Arzneien, z. B. Mag— 
jesia, Kreide u. s. w.), metallische Salze, überhaupt alle 
segen den Magenkrampf im Allgemeinen empfohlene Arz⸗ 
eien; solche sind vor allen Bismuth, sodann Zink (Cyan⸗ 
ink), salpetersaures Silber (Höllenstein) und wieder die 
iuretilgenden Absorbentien; ferner als oft vorübergehenden 
dutzen gewährend: ein tüchtiges Abführmitttel; weiter alle 
darkotika: Opium, Blausäure, Belladonna, Brechnuß (Nux 
omica, aus welcher das höllische Strychnin bereitet wird); 
veiter: örtliche Blutentziehungen, Blutegel, Schröpfköpfe, 
Zlasenpflaster; häufig gerühmt und als Hausmittel ange— 
vandt: Quassia, Kolumbowurzel, Ochsengalle, Chinarinde, 
ẽhamillenblume, Pfeffermünzthee, Calmuswurzel, Gewürze, 
Fajeputöl, alte Weine, Aether haltige (Hoffmann'sche) Tro— 
ofen, Eisensäuerlinge (MineralwasserJ·c·c. 
Man sieht, wie es mit der rationellen und mit der 
taturwissenschaftlichen Grundlage der gebildetsten unserer heu— 
igen Mediziner und selbst ihrer Lehrer und Führer noch 
Jjeute aussieht: in der Theorie schöne, hochtrabende Phrasen 
der Bildung und Gescheidheit, in der Praxis aber eitel 
Dunst und Dummheit und großmütterlich-mittelalterliche 
Zuacksalberei, so arg, wie sie der erste beste Hufschmied 
iuf dem Dorfe, die erste beste Nonne irgend eines Klosters 
nicht toller treiben kan!! 
Zu was, frage ich, haben Du-Bois-⸗Reymond und Ge⸗ 
nossen vor Jahrzehnten schon die verderbliche, verstimmende, 
uufreizende, schwächende und lähmende Wirkung der Arzneien 
intdeckt und nachgewiesen und diese Entdeckung in ihren Wer— 
en und Zeitschriften für das ganze gebildete, forschende und 
esende Heer der Mediziner und Medizinprofessoren öffentlich 
erkündet, wenn Keiner, auch nicht Einer unter ihnen sich 
olche Entdeckung zu Nutze machte und fernerhin absah von 
iner arzneilichen Einwirkung auf Nerven- und Magennerven— 
eiden? O, man rühme mir immerhin den hohen Grad nud 
Stand der Wissenschaftlichkeit unserer Herren Mediziner und 
Medizinprofessoren, so lange sie auch nur noch ein einziges 
ind auch das scheinbar unschuldigste arzneiliche Medikament 
Herordnen, gebe ich keinen Pappenstiel um all' diese hoch— 
gerühmte — Scheinwissenschaftlichkeit! I 
Das wesentlichste Symptom des Magenkrampfes ist 
aatürlich der Schmerz; ist er nicht mit chronischem Magen— 
katarrh, Magengeschwür und Krebs gepaart, so können sehr 
wohl alle weiteren Magensymptome fehlen und der Appetit 
rege, die Zunge rein, der Stuhlgang ziemlich geregelt und 
die Ernährung ungestört bleiben. In der Regel jedoch wird 
man bei näherem Nachforschen andere Leiden und nament— 
cich Stuhlverhaltung mit vorliegend finden. Der Schmerz 
pflegt anfallsweise aufzutreten, mit Pausen bald gänzlicher,
	        
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